KuK-Mitarbeiter darf nicht über Proteste gegen SS-Gedenken berichten
Der Protest endete noch ehe er begonnen hatte. Lothar Eberhardt, Mitarbeiter von Kiez und Kneipe, war mit vier weiteren Mitstreitern gerade in der lettischen Hauptstadt Riga gelandet, da wurden sie auch schon von Sicherheitsbeamten des baltischen Staates abgefangen. Die erklärten dem Besuch aus Berlin, dass er hier unerwünscht sei und sich sofort wieder auf die Heimreise begeben solle.
Rückblende: Zwei Jahre zuvor hatte sich schon einmal eine Delegation aus Berlin auf den Weg nach Riga gemacht. Ihre Absicht: Sie wollten gemeinsam mit lettischen Antifaschisten gegen den »Tag der Legionäre«, den Lettland traditionell am 16. März feiert, protestieren. Dahinter verbirgt sich das Gedenken an die 15. und 19. SS-Waffen-Grenadier-Division. Die beiden Großverbände waren 1943 aufgestellt worden. Von 1998 bis 1999 galt der 16. März sogar als Nationaler Gedenktag.
In Lettland ist das Gedenken an die baltischen Legionäre durchaus umstritten. Für die einen sind es Kollaborateure mit dem Naziregime, für andere Freiheitskämpfer gegen die sowjetischen Unterdrücker des Baltikums.
Von zahlreichen deutschen Demonstranten gegen den Marsch zum Nationaldenkmal wurden vor zwei Jahren die Personalien aufgenommen. Fünf von ihnen wurden am Flughafen von Riga abgefangen, einer sechste Person wurde in Hamburg der Zutritt in die Maschine nach Riga verwehrt.
Den fünf Berlinern wurde mitgeteilt, dass sie »eine Gefahr für die öffentliche Ordnung« darstellten und deshalb mit einem Einsreiseverbot bis 16. März belegt worden seien – einem Einreiseverbot, von dem sie allerdings nichts wussten. Und da sie sich weigerten, den nächsten Flieger zurück nach Deutschland zu nehmen, sollten sie zunächst in das Lager für illegale Einwanderer nach Dagopils verfrachtet werden. Pinkanterweise handelt es sich dabei um ein ehemaliges KZ.
Von dort aus ging es im vergitterten Gefangenentransport an die Litauische Grenze, wo die Abgeschobenen in einen Fernbus nach Berlin gesetzt wurden. 20 Stunden später waren sie wieder zu Hause.
Doch damit ist der Fall noch lange nicht ausgestanden. Lothar Eberhardt, der auch in seiner Eigenschaft als Journalist über den »Gedenktag der Legionäre« berichten wollte, sieht sich nicht nur in der Versammlungsfreiheit, sondern auch in der Pressefreiheit beschnitten. Er hat nun die Deutsche Journalisten-Union (dju) eingeschaltet.
dju rügt die lettischen Behörden
Die Gewerkschaft hat sich mittlerweile mit den Behörden in Lettland in Verbindung gesetzt und scharf gegen Maßnahmen und vor allem gegen die Einschränkung der Pressefreiheit protestiert.
Lothar Eberhard will aber wieder nach Lettland. Spätestens zum nächsten Aufmarsch am »Tag der Legionäre«. »Wenn ich die Chance habe, wieder einzureisen, dann werde ich das tun«, gibt er sich kämpferisch. »So etwas geht gar nicht«, sagt er und verweist darauf, dass es sich dabei um ein natio-nales Gedenken an Nazis handele. Das ist nicht nur für ihn ein unerträglicher Gedanke. Die Deutschen waren unter anderem auf Einladung lettischer Opferverbände nach Riga gereist. Auch jüdische Organisationen hatten sich an dem Protest gegen den Gedenktag, der übrigens auf Druck Russlands im Jahr 2000 seinen offiziellen Charakter verlor, beteiligt. Der Tag ist auch ein großer Konfliktpunkt zwischen baltisch- und russischstämmigen Letten.
Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2016.