»Glücksrad könnte auch zu Jubel führen, und Sie wissen, das dürfen Sie nicht.« Diese Auskunft einer Mitarbeiterin des Umweltamtes war wenig hilfreich für Gerald, Wirt des Anno64, der unlängst sämtliche Konzerte in seiner Kneipe bis auf weiteres absagen musste und jetzt nach Alternativen sucht. Denn für Live-Musik fehlt ihm die passende Konzession, und ohne beträchtlichen finanziellen Aufwand für Lärmschutzmaßnahmen und Gutachten wird sich daran auch nichts ändern. Denn was schon immer geduldet wurde, wird auf einmal behördlich verfolgt. Und damit ist Gerald nicht alleine. Die meisten Gastwirte im Kiez hatten schon Besuch vom Ordnungsamt und fühlen sich immer mehr gegängelt. Daher lud die KuK eine Reihe von Wirten zu einem Treffen ein, um über die Problematik zu sprechen.
Joachim vom Valentin konnte von ähnlichen Problemen berichten. Für seinen »Kabarettistischen Jahresrückblick« hatte er eigens eine Sondergenehmigung für 200 Euro beantragt – nachdem er einen längeren Behördenmarathon zwischen Ordnungs- und Umweltamt absolviert hatte. Dabei nützt ihm der teure Wisch im Zweifelsfall auch nichts, sollte es Beschwerden über Lärmbelästigungen geben. Und die gibt es bei fast jedem Gastronom, und sei es, weil er seine Gäste vorschriftsmäßig zum Rauchen vor die Tür schickt.
Vor die Tür schicken muss auch Sylvia ihre Gäste, denn weil es im hinteren Bereich Billard und Kicker gibt, herrscht im Logo trotz eigens eingerichtetem Raucherraum Rauchverbot. Gerade im Winter gehen da viele Gäste lieber gleich nach Hause statt noch auf ein Bier wieder reinzukommen. Andere Wirte, wie zum Beispiel Andreas vom Backbord, gerieten in Konflikt mit der behördlichen Definition von »zubereiteten Speisen«: Obwohl das Backbord unter die Einraumkneipenregelung des Bundesverfassungsgerichtes fällt, darf er das Rauchen nicht erlauben, ohne sein Essensangebot einzustellen. Genau das hat er jetzt getan, denn seinen Gästen ist die Möglichkeit, auch im Winter im Warmen zu rauchen, wichtiger.
»Glück und Pech und Willkür finden momentan ganz unten statt«, meint Andreas. Denn häufig scheint es von der Tagesform der Kontrolleure abzuhängen, was erlaubt sein soll und was nicht oder welche Bußgelder fällig werden.
So erntete dann auch Sylvias Vorschlag, sich einen gemeinsamen Rechtsbeistand zu suchen, der auch die einzelnen laufenden Verfahren miteinander vergleicht, regen Zuspruch. Überhaupt würde sie gerne eine Art Interessensgemeinschaft gründen, die dem Erfahrungsaustausch dienen soll. Zwar wurden organisatorische Details noch vertagt, doch einigte man sich darauf, sich auf jeden Fall wiedertreffen zu wollen. Dann sollen auch weitere ‚Schlachtpläne‘ geschmiedet werden, um die schwierige Situation gemeinsam zu meistern. Gefragt sein werden einerseits Ideen, wie die Bedrohung der Kneipenkultur auch politisch zu thematisieren ist, andererseits gilt es, die Probleme auch als Chance für neue Konzepte wahrzunehmen und zu nutzen. So hat etwa Gerald gerade ein neues Programm angekündigt – mit wöchentlichen Terminen für Kartenspiel und After-Work-Partys, letztere sogar mit Glücksrad. Jetzt kann er nur hoffen, dass der Jubel unbemerkt bleibt.
Der Wirtestammtisch trifft sich wieder am 16.3. um 18:00 Uhr im Mrs. Lovell’s in der Gneisenaustraße 53. Weitere interessierte Gastwirte sind herzlich eingeladen vorbeizukommen.
Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2009.