Fußgänger haben es in diesem Winterchaos besser als im letzten
Es war ein Déjà-Vu der schlimmeren Sorte, als der Dezember mit Eis und Schnee begann. »Geht das schon wieder los«, hat der eine oder andere gedacht und der nächste hatte schlagartig Frühling, Sommer und Herbst verdrängt: »Hatten wir das nicht erst vor drei Wochen?«
Dass das neue Jahr mit Tauwetter begonnen hat, kann kaum darüber hinwegtäuschen, dass die letzten vier Wochen von 2010 auf manche wie ein Spiegelbild der ersten sechs wirkten.
Trotzdem gibt es doch einige gravierende Unterschiede. Beispielsweise war es im letzen Winter nicht nötig gewesen, das Nationaldenkmal auf dem Kreuzberg zu sperren. Diesmal hielt es das Bezirksamt für dringend geraten, den Schinkelbau vor Silvester dicht zu machen. Gesperrt war eine höfliche Untertreibung. Das Denkmal war mit einem Bauzaun verrammelt.
Manch ein Räumdienst hat nach dem zweiten schneereichen Winter in Folge die weiße Fahne gehisst. Die, die übrig geblieben sind, machen es, so scheint es, dann doch ein wenig besser. Zwar war es niemandem gegeben, die ganze weiße Pracht einfach verschwinden zu lassen, doch zumindest auf den Gehsteigen gibt es diesmal erkenn- und vor allem begehbare Pfade. Die hatte es vor einem knappen Jahr fast nirgendwo mehr gegeben. Vorherrschend waren meist unpassierbare hochgefährliche Eisbahnen.
Die Erkenntnis, dass Split auch für Fußwege eine durchaus segensreiche Einrichtung ist, hat sich im Winter 2010/11 offensichtlich ziemlich flächendeckend durchgesetzt.
Insgesamt scheint es so, als habe der Kiez aus den sechs Horrorwochen zu Beginn des vergangenen Jahres einige wichtige Lehren gezogen, wenngleich nach dem dezemberlichen Wintereinbruch viele genau dieses bezweifelt hatten.
Ob daran die drastischen Strafandrohungen für Räummuffel schuld sind, oder ob die neue Begehlichkeit der Wege auf die Einsicht der Hauseigentümer zurückzuführen ist, ist letzlich egal.
Dass diesmal wenigstens die Gehwege zu begehen sind, macht schließlich Sinn, denn die Straßen für Auto- oder gar Radfahrer freizumachen, ist zwar löblich, aber die meisten von denen sind inzwischen auch Fußgänger geworden. Das erkennt man an ihren Fahrzeugen, die sie seit Wochen unter gigantischen Schneehaufen versteckt haben.
Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2011.