Fußball satt in fast allen Kneipen

Zur WM in Südafrika gibt es diesmal kaum fußballfreie Zonen

Fußballmuffel werden es in den nächsten Wochen schwer haben – schwerer vielleicht noch als vor vier Jahren, als ganz Deutschland im Sommermärchenfieber taumelte. Einige mutige Wirte hatten damals versucht, gegen den Trend zu fahren und fußballfreie Zonen anzubieten. Im »Valentin« in der Körtestraße hielt der Vorsatz genau bis zum Viertelfinale, »Mrs. Lovell« in der Gneisenau versuchte tapfer durchzuhalten.

»Natürlich zeigen wir Fußball. Fußballfreie Zone machen wir nicht mehr«, erklärt Yana vom »Mrs. Lovell«. Die Erfahrungen bei der WM in Deutschland waren einfach zu bestürzend. In dem englischen Pub gibt es bei dieser Fußballweltmeisterschaft in Südafrika zumindest die Deutschlandspiele auf Großbildleinwand.

Auch Joachim Mühle vom »Valentin« ist dieses Mal vom ersten Spiel an mit von der Partie. Allerdings nun am neuen Standort in der Hasenheide.

Groß rüstete die »Cantina Orange« in der Mittenwalder Straße auf. Fußball gibt es dort gleich auf drei Leinwänden. Auf einer gibt es sogar Out-Door-Public-Viewing. Wenn in der letzten Vorrunde Spiele parallel laufen, können auch zwei Spiele gleichzeitig übertragen werden. Außerdem gibt auch es wieder ein großes Tippspiel.

Das hat auch im »Too Dark« in der Fürbringerstraße eine gewisse Tradition, ebenso wie der riesige Spielplan, der dann an der Wand prangen soll.

An die Tradition des ehemaligen Baghira knüpft der Nachfolger »Martinique« in der Monumentenstraße an. Da gibt‘s Fußball satt auf drei Leinwänden.

Zu den Profis in Sachen Fußball-Public-Viewing gehört das »Brauhaus Südstern« an der Hasenheide. Dagegen gibt es in den »Sieben Stufen« in der Großbeerenstraße eine echte Fußballpremiere. Auch das »Bierkombinat« in der Manteuffelstraße will zum ersten Mal Fußball präsentieren.

Public-Viewing soll es auch im Bürgerbüro der Bundestagsabgeordeneten der Linken, Halina Wawzyniak geben, die selbst begeisterte Fußballerin ist. Dort gibt es nicht nur die Spiele der deutschen Nationalmannschaft. Fans des Teams von Nordkorea kommen am Mehringplatz auch auf ihre Kosten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2010.

Beim falschen Namen steigt die Miete

Fanny-Hensel-Kiez-Bewohner bangen um ihre Wohnungen

Und ganz am Schluss fällt dann doch noch ein Wort, auf das viele gewartet haben: Verfassungsbeschwerde. Die Pressekonferenz, zu der Bezirksbürgermeister Dr. Franz Schulz (Grüne) geladen hatte, offenbarte nicht nur die derzeit beklagten Missstände in der Fanny-Hensel-Siedlung, sondern auch einen schwindelerregenden Abgrund, in den bald noch viel, viel mehr Mieter blicken könnten. Nach dem Auslaufen der Anschlussförderung für den sozialen Wohnungsbau, der schon 2003 beschlossen wurde, zeigen sich nun für viele Mieter die dramatischen Folgen. Ihre Miete kann nun von einem Tag auf den anderen drastisch steigen. Mieterhöhungen können rückwirkend eingefordert werden, und Mieter, die nicht bezahlen können, müssen innerhalb von zwei Wochen die Wohnung räumen.

Dabei müssen die Besitzer die Miete nicht unbedingt bei jedem und alle Mieten gleich erhöhen. Der Sprecher der Mietervertretung der Fanny-Hensel-Siedlung, Sebastian Jung, beobachtete, dass im Haus 5 und 5a in den Wohnungen über 90 Quadratmeter nur türkische und arabische Mitbewohner von den teils drastischen Mieterhöhungen betroffen waren, Bewohner mit deutschen und polnischen Namen hingegen nicht. Als sich Jung bei dem Vermieter nach dieser Merkwürdigkeit erkundigte, flatterte auch ihm eine bedeutende Mieterhöhung ins Haus, mit dem Verweis darauf, dies sei doch der beste Beweis dafür, dass die Mieterhöhungen nichts mit der Herkunft des Mieters zu tun hätten.

Vom Senat und den städtischen Wohnungsbaugesellschaften ist entgegen großmundiger Ankündigung nichts zu erwarten. Weil nun 23 Parteien aus dem Siedlungsteil I ausziehen müssen, sollte die städtische Wohnungsbaugesellschaft entsprechende Angebote unterbreiten. Diese sollten nur zwei Bedingungen erfüllen: Sie sollten einigermaßen ortsnah gelegen sein und vor allem bezahlbar, weil viele der Betroffenen von ALG II leben. Bekanntlich bezahlt das Jobcenter die Miete von ALG-II-Empfängern nur bis zu einer gewissen Höhe. Diese Bedingung erfüllte nur eines von 34 Angeboten. Acht Angebote lagen in anderen Bezirken, eines sogar in einem anderen Bundesland.

Alles in allem sind 28.000 Mieter in ganz Berlin von den explodierenden Mieten bedroht, weiß Reiner Wild vom Mieterverein Berlin. Er weist darauf hin, dass hier eine eklatante Lücke im Mieterschutz klafft.

Helfen könnte hier nur der Senat, doch statt Hilfe sieht Franz Schulz nur Ablehnung: »Die Senatverwaltung verweigert sich einem Runden Tisch«, erklärt er. Er spricht von einer »sozialpolitischen Schweinerei.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2010.

Schneller zapfen für die Sicherheit

Es ist ja eine alte Binsenweisheit, dass Regen die folkloristischen Maikrawalle deutlich abmildert. Insofern hat auch das feuchte Nass seine segensreiche Wirkung entfaltet. Und natürlich die erfolgreiche Verhinderung des Naziaufmarsches am Prenzelberg! Auch das trug sicherlich zum relativen Frieden bei. Und die Alkoholverknappungsstrategie des Bezirks? Ein komplett alkoholfreier 1. Mai findet wohl nur in Hardcore-Temperenzler-Kreisen ungeteilte Zustimmung. Gut – man könnte dem Bezirksamt zugutehalten, dass jede Flasche, die nicht da ist, auch nicht geworfen werden kann. Dass aber ein Bühnenbetreiber vom Bezirks­amt faktisch gezwungen wird, während des My-Festes alle neun Sekunden einen halben Liter Bier zu verkaufen, um die verordneten Ordner finanzieren zu können, ist schon kurios. Kein Wunder, dass der Physiker Dr. Franz Schulz in die Politik gegangen ist. Wenn er so gut rechnen kann…

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2010.

Ja zu den Nein-Sagern

Ob sich durch das »Nein« in der BVV zum Haushalt wirklich etwas ändert, sei mal dahin gestellt. Das Nachverhandeln wird wohl diesmal nichts bringen. Aber warum soll der Bezirk den Kopf hinhalten, wenn es um Schließungen von Jugend- und Kultureinrichtungen geht, weil ihm die notwendigsten Finanzmittel vorenthalten werden? Seit Wochen jammert der Senat, dass die Deutsche Bahn die S-Bahn kaputt gespart habe. Und wenn der Senat die Bezirke kaputt spart? Ist das in Ordnung? Da werden viele tausend Euro für Entwicklungsstudien ausgegeben, aber gleichzeitig die finanziellen Grundlagen für diese Entwicklungen entzogen. Absurd.

Zwischen HartzIV- und Afghanistan-Debatte hat mit Halina Wawzyniak eine Bundestagsabgeordnete den Weg in die BVV gefunden. Hut ab dafür, und vielleicht nehmen sich andere aus Bund und Land daran mal ein Beispiel.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2010.

Haushalt ohne Plan

BVV lehnt mit großer Mehrheit den Haushaltsplan für 2010 und 2011 ab

Das war schon eine interessante Koalition, die den Bezirkshaushalt von Friedrichshain-Kreuzberg am 24. Februar in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einfach mal ablehnte. Die Grünen votierten mit der CDU, der FDP und der Linken gegen den Etat. Lediglich die SPD stimmte dafür.

JUGEND DEMONSTRIERT: Schon im Sommer wurde  für den Erhalt von Jugendeinrichtungen protestiert.  Das könnte bald wieder passieren.

Foto: pskJUGEND DEMONSTRIERT: Schon im Sommer wurde für den Erhalt von Jugendeinrichtungen protestiert. Das könnte bald wieder passieren. Foto: psk

»Wir können die Kürzungsvorgaben des SPD-geführten Senats für unseren Bezirk nicht verantworten«, erklärte Daniel Wesener, Fraktionssprecher der Grünen. Und er war sich darin einig mit der Linken, die immerhin im Senat mitregiert. Die Linken im Bezirk bekamen dabei unerwartet prominente Unterstützung, denn mit der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Halina Wawzyniak war immerhin erstmals eine amtierende Bundestagsabgeordnete ins Rathaus nach Kreuzberg gekommen. Und sie stärkt den Genossen den Rücken gegen den Senat. Dabei verweist sie auf einen bundespolitischen Aspekt der Entscheidung in der BVV: »Es gilt auf Bundesebene die Kommunalfinanzen neu zu gestalten. Aber auch der Senat muss sich entscheiden, ob er die Bezirke endlich ausfinanziert oder sie perspektivisch abschafft. Ein ‚weiter so‘ kann es nicht geben.«

Es ist nicht zum ersten Mal, dass sich die BVV einem Haushaltsplan einfach verweigert. Beim letzten Mal hat das auch ganz gut funktioniert, denn bei Nachverhandlungen mit dem Senat gab es dann auch mehr Geld. Doch damit rechnet Wawzyniak diesmal nicht. Der Bundestagsabgeordneten ist ebenso wie ihren Kollegen im Bezirk klar, was dies heißt. Friedrichshain-Kreuzberg wird unter vorläufige Haushaltswirtschaft gestellt und darf nur noch dafür Geld ausgeben, wozu der Bezirk gesetzlich verpflichtet ist.

Nach den Zuweisungen des Landes Berlin fehlen dem Bezirk noch fünf Millionen Euro. Laut Daniel Wesener bedeutet dies: »Wenn der Bezirk dieses Defizit auflösen würde, müssten leider auch Einrichtungen wie Bibliotheken oder Jugendclubs schließen.«

Schon im Herbst hatte es heftige Proteste gegen die Pläne des Bezirks gegeben, Jugendfreizeiteinrichtungen an freie Träger abzugeben. Die mögliche Schließung solcher Einrichtungen würde erst recht einen Sturm der Entrüstung hervorrufen.

Alles in Allem umfasst der abgelehnte Etat 560 Millionen Euro. Doch der Bezirk kann nur über einen kleinen Bruchteil davon verfügen. Den Löwenanteil verschlingen durchlaufende Posten wie zum Beispiel Transferleistungen, zu denen beispielsweise Sozialhilfe und Wohngeld gehören.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2010.

Der Wrangelkiez entwickelt Perspektive

Erstaunliche Ergebnisse der Sozialstudie des Senats

Das Wort von Klaus Wowereit ist ja inzwischen schon ein geflügeltes, nach dem Berlin arm aber sexy sei. Wenn das stimmt, dann ist Kreuzberg zwar am ärmsten, sicher aber auch am sexiesten. Wer es nicht glaubt, soll sich nur einmal die jüngste Sozialstudie des Senats betrachten.

Danach ist Kreuzberg eigentlich ziemlich hoffnungslos. Doch wer sich die Karte bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mal genauer anschaut, der stutzt dann doch ein wenig.

Dass es dem Süden Kreuzbergs besser geht als dem Norden, ist eine Binsenweisheit, doch dass der Entwicklungsindex beispielsweise der Düttmannsiedlung so hoch wie der des Chamissoplatzes sein soll, erschließt sich dem kiezkundigen Bewohner dann doch nicht so schnell.

Ganz heimlich träumt ja so mancher Kreuzberger seinen kleinbürgerlichen Traum von einer schönen Wohnung am Fraenkel- oder Paul-Lincke-Ufer. Doch Vorsicht! Das Fraenkel-Ufer hat einen sehr niedrigen und das Paul-Lincke-Ufer immerhin noch einen niedrigen Entwicklungsindex. Überhaupt gibt es nördlich des Landwehrkanals nur einen kleinen Fleck, dem ein mittleres Entwicklungspotential zugestanden wird. In Kreuzberg ist das übrigens schon das allerhöchste der Gefühle und entspricht dann dem Chamissokiez.

Dieses kleine Fleckchen umfaßt den Wrangelkiez zwischen Görlitzer Park und Spree-Ufer. Manch einer mag sich nun fragen, ob es sich um den Wrangelkiez handelt, in dem die Polizei eine Hundertschaft braucht, um einen zwölfjährigen Handydieb festzunehmen. Wenn sich der Grafiker beim Erstellen der Karte nicht sehr getäuscht hat, dann handelt es sich genau um jenen Problemkiez.

Nun geht es bei der Studie um Entwicklungsperspektiven. So liegt es nahe, dass in diesem Fall vielleicht schon das Entwicklungspotential der Mediaspree eingepreist ist. Tatsächlich werden die Gebiete in SO 36 auf der Karte immer roter, je weiter sie von der Spree entfernt sind.

Zwischen Heinrich- und Oranienplatz, Wassertor und Engelbecken heißt es dann laut Senatsstudie alle Hoffung fahren lassen. Der Entwicklungsindex dort heißt: sehr gering!

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2010.

Cocktails und Gänsekeulen

Tipps für Weihnachtsmuffel

Auf einmal steht es wieder mit seiner frech-freundlich grinsenden Fratze vor der Tür und begehrt Einlass. Ja, ja, es ist schon wieder so weit, das Christkind ist im Anmarsch, da hilft kein Jammern und kein Flehen der Weihnachtsskeptiker.

Bekennende Weihnachtshasser haben es in diesen Tagen schwer. Dem einen oder anderen ist es schon passiert, dass er ausgerechnet an Heiligabend vor der Kneipe seines Vertrauens vor verschlossenen Türen stand. Das kann den Freunden des Brauhauses Südstern dieses Jahr ebenso passieren, wie den Too-Dark-Gängern, die sich bis Silvester gedulden müssen, ehe der Keller wieder aufmacht. Doch es gibt einige Ausweichmöglichkeiten. Wie in jedem Jahr erheben diese Tipps natürlich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Wer es traditionell und beschaulich mag, für den öffnen Jana und Rick die Pforten des »Mrs Lovell«. An den beiden Weihnachtsfeiertagen ist schon ab elf Uhr geöffnet.

Für wen zu den Festtagen Gänsekeulen unabdingbar sind, findet das festlich zubereitete Federvieh in der Cantina Orange schon ab 12 Uhr an Heiligabend.

Garantiert unweihnachtsfestlich geht es im Bierkombinat zu. Business as usual heißt es dort an den Feiertagen.

Die Stammgäste im Heidelberger Krug bekommen auch an Heiligabend ihr Bier, aber erst ab 21 Uhr. Wer nach Absingen von Weihnachtsliedern, dem Besuch der Christmette und dem Öffnen der Paketchen doch noch fliehen will und Appetit auf einen Cocktail verspürt, für den macht das Galander in der Großbeerenstraße an Heiligabend ab 22 Uhr auf. Über die Feiertage ist normal geöffnet.

An Silvester ist dann auch wieder das Brauhaus mit einer rauschenden Jahresendparty dabei. Im Too Dark wird dann ebenso gefeiert wie in Cantina, Mrs Lovell, Kombinat, Heidelkrug und vielen anderen Kiezkneipen die jetzt an dieser Stelle gar nicht alle genannt werden können. Das Galander allerdings bleibt zum Jahresende zu.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2009.

Fähnlein flattern im Wind

Aha, Kunst also. Mindestens was den kabarettistischen und parodistischen Wert betrifft sind die Fähnlein, die über der Bergmannstraße flattern, ganz große Klasse. Wahrscheinlich sind sie eine Erfindung des Satiremagazins »Titanic«, wenn nicht, werden sich die NFS-Epigonen ein Monogramm in den Allerwertesten beißen. Man stelle sich vor, dass im GRÜNSTEN Fleck der Republik ein Kunstprojekt intalliert wird, das alle Singvögel vertreibt. Konnte ja auch keiner ahnen, außer vielleicht pfälzische Weinbauern, die ihre Weinberge durch ähnliche Kunstinstallationen schützen. Im übrigen nennt man solche Installationen im Südwesten der Republik Narrenbändel. Sie werden von Dreikönig bis zum Aschermittwoch in jedem kleinen Dorf über die Straße gespannt – und nicht das ganze Jahr. Narrenbändel!!! Wer würde wohl Böses dabei denken.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2009.

Cantina in Cannstatter Hand

VfB-Fans vom Prenzelberg finden neue Heimat

Fans des VfB Stuttgart haben in der Cantina Orange ihre neue Heimat gefunden.

Foto: pskFans des VfB Stuttgart haben in der Cantina Orange ihre neue Heimat gefunden. Foto: psk

Es mag ja vielleicht auch daran liegen, dass man in Kreuzberg Minderheiten gegenüber wesentlich toleranter ist als am Prenzelberg. Dort jedenfalls hatte der VfB-Fanclub »Landesvertretung Cannstatt 07« lange Zeit sein Domizil. Aber am Prenzelberg sind auch Plakate aufgetaucht, die den Weg zurück nach Stuttgart weisen (650 Kilometer). Als es dann auch noch innerhalb der Fangruppe Differenzen gab, zog der größere Teil hinaus, um sein Glück zu suchen.

Er fand es in der Cantina Orange. Die Schwäbisch-Albanische Kneipe in der Mittenwalder Straße nahm die Landsleute aus dem Südwesten auch sogleich mit offenen Armen auf. Die VfB-Fans landeten zwar nicht im Land wo Milch und Honig fließen, aber dafür in einer Kneipe, wo sich schwäbische Köstlichkeiten nicht nur in Kässpätzle und Maultaschen erschöpfen. »Außerdem versteht man hier, wenn man eine Halbe bestellt«, schildert einer der Fans die Vorzüge der neuen Fan-Arena.

Seit Anfang Oktober werden die Spiele des VfB Stuttgart in der Cantina nun in voller Länge übertragen, die Konferenz gibt es nur noch dann, wenn die Schwaben nicht spielen. Für das Wirtepaar Carmen und Bashkim rechnet sich das allemal. So drängten sich zum Championsleague-Spiel Stuttgart gegen Sevilla so viele Fußballfans wie noch nie zuvor über die beiden Stockwerke.

Allerdings begannen die ersten Stuttgarter Fans schon zu zweifeln, denn die ersten Spiele an neuer Stätte verliefen durch die Bank nicht gerade so, wie sie sich die erhofft hatten. Der VfB verlor eine Begegnung nach der anderen. Immerhin gab es Trost von den letzten verbliebenen Hertha-Fans. Denen ging es noch schlechter.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.

Niemand hat die Absicht…

Jeder wird wohl wissen, wie dieser Satz von Walter Ulbricht weiter ging und jeder wird auch wissen, was zwei Wochen nach diesem Satz passierte. Die Mauer wurde eben doch gebaut.

Kurt Wansner, Urgestein der Kreuzberger CDU, lehnt eine Bürgerwehr ab. Gleichzeitig fürchtete er jedoch, dass seine wackeren Kreuzberger zur Selbstjustiz greifen könnten, wenn das Anzünden von Autos nicht bald aufhören würde. Vielleicht wäre eine Bürgerwehr dann ja doch ganz schlau, dann hätte man all die Selbstjustizaspiranten unter Kontrolle? Nicht wahr? So könnte die Argumentation doch weiter gehen.

Kurt Wansner ist für rustikale und krachlederne Vorstöße bekannt, manchmal sind sie auch ganz amüsant. Aber hier scheint einer mit Hilfe von Brandstiftern politisch zu zündeln. Bürgerwehr in Kreuzberg? Schwachsinn.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.

Hubschrauber, Bürgerwehr und gute Worte

Ratlosigkeit im Kampf gegen Autobrandstifter

Brennende Autos in Kreuzberg und Friedrichshain scheinen inzwischen zum Alltag zu gehören. Wie die Berliner Polizei diesem inzwischen chronischen Problem endlich Herr werden will, hat Polizeipräsident Glietsch in einem großen Interview, das er dem »Tagespiegel« gegeben hat, leider nicht verraten. Dagegen hat der frühere CDU-Bundestagskandidat für Kreuzberg der gleichen Zeitung verraten, was er ablehnt, nämlich eine Bürgerwehr.

Tatsächlich ist die Ratlosigkeit aller Orten inzwischen ziemlich groß. Die Bürgerlichen Parteien werfen der Berliner Polizei vor, zu wenig gegen die steigende Zahl der Brandstiftungen zu unternehmen, doch ein Patentrezept haben auch sie nicht.

Einen Rückschlag mussten die Ermittlungsbehörden nun hinnehmen, als die Justiz zwei Verdächtige wieder laufen ließ und der Polizei mehr oder minder deutlich Schwächen in der Ermittlung unterstellten.

Tatsächlich scheinen die Beamten bisweilen etwas unbedarft zur Werke zu gehen. In der militanten linken Szene amüsiert man sich jetzt noch über die polizeiliche Einschätzung eines Brandanschlages auf einen mehr als zehn Jahre alten japanischen Mittelklassewagen. Da dieses Modell nun schon ziemlich betagt war und außerdem entschieden nicht ins Hochpreissegment passte, entschied die Polizei messerscharf, dass es sich dabei nicht um einen politisch motivierten Brandanschlag handele.

Die Polizei musste sich dann allerdings von der linken Szene korrigieren lassen. Ein Wagen mit dem Kennzeichen B-DM 1933 habe durchaus eine politische Bedeutung, zumal er einer, wie die Linken behaupteten, bekennenden Rechtsextremistin gehöre.

Dieter Glietsch, will im Kampf gegen die Autozündler weder Hubschrauber einsetzen, wie das zum Beispiel schon im Kampf gegen Sprayer passiert ist, noch will er bestätigen, dass die Polizei Lockfahrzeuge einsetzt.

Er hofft, dass vor allem linke Politiker mit guten Worten auf die Szene einwirken können, damit die Brandanschläge aufhören. Kurt Wanser wird das nicht genügen. Er fürchtet sowohl um seinen Kiez, als auch, dass Bürger zur Selbtsjustiz schreiten könnten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.

Bau auf, Bau auf

Baustellen legen Verkehr in Kreuzberg lahm

Hier baut der Bund: Baustelle Gneisenau.

Foto: piHier baut der Bund: Baustelle Gneisenau. Foto: pi

Selbst das Bauamt hat es inzwischen wohl aufgegeben und den Überblick über die Baustellen verloren. Eine Liste gibt es jedenfalls nicht. Nur soviel ist klar: Die Bauorgie im Bezirk wird noch einige Wochen weitergehen.

Ärgerlich ist es für die Autofahrer vor allem, wenn sie in Ost-West-Richtung unterwegs sind. Die drei Magistralen Gitschiner/Skalitzer, Urbanstraße und Gneise­nau­straße sind alle unterschiedlich von Baustellen betroffen. Es nützt also nicht besonders viel, von der einen auf die andere auszuweichen.

Hart hat es die Bewohner rund um den Südstern getroffen. Seit gefühlten fünf Jahren wird da nun gebaut. Grund war der Umbau des U-Bahnhofs. In den letzten Jahren waren sogar Karneval der Kulturen und der Berlin-Marathon immer wieder gezwungen gewesen, ihre angestammten Routen zu verändern. Endlich, so schien es, war ein Ende abzusehen. Die Anlagen nördlich der Kirche waren frisch eingesät, die letzten Bagger verschwunden, und dann kamen schon die nächsten. Jetzt wurde die Fahrbahndecke im Zuge der Stra­ßen­sa­nie­rung erneuert.

Inzwischen ist auch die Zufahrt zur Blücherstraße blockiert, womit eine weitere Ausweichmöglichkeit, dem zwangsläufigen Stau in der Gneisenau zu entkommen, genommen ist.

Immerhin outet sich der Übeltäter an der Gneisenau sehr klar. Hier baut nämlich die Bundesregierung, die dem staunenden Autofahrer mehr oder weniger aufdringlich auf einem Schild klarmacht, dass die Gelder aus dem Konjunkturpaket II gerade in der Gneisenaustraße verbuddelt werden.

Wenn diese Gelder ihre segensreiche Wirkung getan haben werden, dann wird der Verkehr wunderbar und ungestört durch die Gnei­se­nau­straße rollen? Von wegen. Die BVG saniert derzeit die Tunnel der U7, und das bleibt auch nicht ganz ohne Auswirkungen auf den oberirdischen Verkehr.

Wer sich dem Ost-West-Chaos entziehen will, der kann es ja einfach mit einer Nord-Süd-Verbindung versuchen. Auf der Baerwald- und Prinzenstraße kommt er allerdings auch nicht besonders weit. Auch hier wird seit Wochen gebaut. Dann nichts wie raus aus der Stadt, am besten über die Stadtautobahn, doch um dorthin zu kommen, muss der Autofahrer erstmal den Engpass auf dem Tempelhofer Damm passieren.

Bleibt noch die U-Bahn zu benutzen. Aber bitte nicht die U1. Zwischen Warschauer Brücke und Kotti gibt es Schienenersatzverkehr. Vorausgesetzt, der Bus steckt nicht im Stau fest.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.

Maismehl vom Alten

Peter S. Kaspar liest »Herrschaften«

Knallharte Fakten und zahllose AffairenKnallharte Fakten und zahllose Affairen

Nicht, dass es wichtig wäre – aber wussten Sie, dass Konrad Adenauer 1915 ein Patent darauf erhielt, wie man mit geröstetem Maismehl Brotteig streckt? In »Herrschaften« vom Neuköllner »Stroh & Flausen Verlag« erfährt der Leser nicht nur das, sondern auch noch viele durchaus wichtigere Informationen über und um den Bundestag. Die Autoren Stiefel, Kühn und Dietzel vermitteln dem Leser manchmal augenzwinkernd, aber meist auch sehr profund Einblicke in das parlamentarische Leben weit über »heute« und »Tagesschau« hinaus.

Das Ganze ist garniert mit großartigen Karikaturen der handelnden Akteure, die aus der Feder von Frank Stiefel stammen.

Neben knallharten Fakten sind auch zahllose Affären und Affärchen aufgeführt. Politikerzitate, die einst das Blut in Wallungen brachten, lassen den Leser heute schmunzeln. Doch das Buch ist von bestechender Aktualität. Kurz vor der Bundestagswahl fand auch noch ein gewisser Horst Schlämmer Eingang in das Werk.

Ein grober Patzer sollte allerdings in der nächsten Ausgabe beseitigt werden: Die Irgun, die 1952 einen Briefbombenanschlag auf Konrad Adenauer verübte, war mitnichten eine palästinensische Untergrundorganisation, sondern eine jüdische.

Erhältlich im Buchhandel und bei Amazon.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2009.

Schwarz-Gelb? War da was?

Nun wird dieses Land also von einer Koalition regiert, deren Parteien im »bekanntesten Wahlkreis Deutschlands« (H.-C. Ströbele) einigermaßen jenseits der Wahrnehmungsschwelle liegen. Verschwindet der Bezirk nun seinerseits hinter dem Wahrnehmungshorizont der Politik? Mitnichten. Mög­li­cher­wei­se wird hier sogar die Politik von morgen zusammengebraut. Zum Beispiel Björn Böhning. Für den kann sich die katastrophale Wahlniederlage als Karriere-Turbo erweisen. Er gehört zu jenen jungen Sozialdemokraten, die die SPD nun dringend braucht, weil sie auch mit der Linken können. Wie etwa mit Halina Wawzyniak. Auch sie verkörpert einen neuen Stil: Pragmatisch, undogmatisch und offen. Die beiden schätzen sich, sitzen in einem Gesprächskreis und sind ein Beispiel dafür, wie die Gräben links der Mitte überwunden werden können.