Kaufen statt Tauschen?

Bezirk besaß Vorkaufsrecht für Liegenschaft an der East-Side-Gallery

East Side Gallery von hinten: Im Vordergrund ein Pfeiler der Brommybrücke, dahinter das fehlende Mauerstück.

Foto: benEast Side Gallery von hinten: Im Vordergrund ein Pfeiler der Brommybrücke, dahinter das fehlende Mauerstück. Foto: ben

Selbst der berühmteste Bademeister der Welt versuchte das Mauerstück zu retten – indes vergeblich. In einer Nacht- und Nebelaktion wurden mehrere Elemente aus der Mauer genommen – und David Hasselhoff hat‘s verschlafen. Dafür versprach der Investor, die Stücke wieder einzusetzen, er brauche sie ja nur als Baustellenzufahrt.

Unterdessen wird die Rolle von Bezirksbürgermeister Dr. Franz Schulz immer undurchsichtiger. Einerseits hatte er mit dem Investor angeblich über einen Grundstückstausch verhandelt, andererseits wurde kurz vor Ostern bekannt, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bis 31. Dezember auf eben jenes Grundstück ein Vorkaufsrecht gehabt habe, das er nun angeblich tauschen will.

Eigentlich hätte die Lücke in der Mauer noch größer werden sollen, doch auch da hatte es von Investorenseite geheißen, das sei für ihn überhaupt nicht nötig.

Spannend wird es allerdings, wenn man die East Side Gallery nicht von ihrer Schokoladenseite, sondern von der Rückseite betrachtet. Denn genau da, wo die Lücke in der Mauer klafft, würde ein Neubau der Brommybrücke beginnen, also eines Projektes, das vom Bezirksamt durchaus präferiert wird, allerdings derzeit auf Eis liegt.

Die Brücke soll eigentlich nur für Fußgänger, Radfahrer und Busse gebaut werden. Kritiker hingegen wollen das nicht recht glauben und fürchten den Ausbau zu einer vollwertigen Brücke, was dann in SO36 zu einem veritablen Verkehrsinfarkt führen könnte.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2013.

Der Kiez hat was auf dem Kasten

Erstaunlich, wie eine kleine Idee plötzlich große Wellen wirft. Erst sollten es ja nur ein paar Kinder aus dem Kiez sein, die ein paar Verteilerkästen in der Mittenwalder Straße verschönern sollten. Inzwischen ist daraus ein ganzes Konzept für den Kiez geworden. Die Presse interessiert sich für das Treiben zwischen Blücher- und Gneisenaustraße. Es sieht nicht so aus, als ob das Projekt in absehbarer Zeit beendet würde. Im Gegenteil. Bunt bemalte ehemals graue Kästen könnten im ganzen Bezirk und vielleicht auch in der ganzen Stadt in Mode kommen. Wenn das passiert, dann hat einer ein Problem – und das ist der Energieversorger Vattenfall. Der ist ob seiner Preispolitik eh nicht besonders hoch angesiedelt auf der Beliebtheitssakala in der Stadt. Er tritt bei Großveranstaltungen gern mal als Sponsor auf, kleinere Projekte werden dagegen arrogant behandelt. Das könnte sich noch rächen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2012.

Bunte Kästen machen Schule

Projekt der MOG61 bekommt ganz neue Dimensionen

Angefangen hatte alles mit einer Idee, die eigentlich in erster Linie die Mittenwalder Straße ein wenig aufhübschen sollte. Mittlerweile hat sich das Projekt der MOG61 so verselbständigt, dass der ganze Kiez bunter wird. Außerdem sind berlinweit die Medien darauf aufmerksam geworden, dass einige graue Verteilkästen von Post und Telekom plötzlich quietschbunt mit allen denkbaren Motiven erstrahlen.

Die ersten Kästen wurden noch von Grundschülern aus der Reinhardswaldschule bemalt. Sie wurden dabei von dem Künstler Andora unterstützt. Im Sommer waren es dann Fünft- und Sechstklässler, die ihre künstlerische Ader an den Kästen erprobten. Und damit noch nicht genug. Die »Nachfolger« kamen aus dem Abiturjahrgang des Leibniz-Gymnasiums, wo das Kastenbemalungsprojekt sogar zum Objekt des Kunst-Leistungskurses geadelt wurde.

Die Vorsitzende des Vereins MOG61, Marie Hoepfner, stellt sich für die Zukunft sogar eine generationsübergreifende Zusammenarbeit vor. Wer jetzt schon dabei ist, ist Rick Ellis, vielen im Kiez bekannt, als früherer Wirt des »Mrs Lovell«. Doch Rick ist auch Künstler, der sich unter anderem auf das Schildermalen versteht, an großen Zeichentrickfilmen mitgewirkt hat, aber auch schon Zirkus- und Schaustellerwagen bemalt hat. Für ein solches Projekt, in dem es darum geht, die Straßenumgebung bunter zu gestalten, ist er nachgerade die Idealbesetzung.

Wenn es nach der MOG geht, dann sollen Rick und Andora nicht die einzigen Künstler sein, die sich an dem Bemalungsprojekt beteiligen. Im kommenden Jahr sollen auch junge Künstler in die Aktion mit einbezogen werden.

Bislang sind 19 Kästen im Kiez bemalt. Sie stehen in der Mittenwalder, der Fürbringer, der Schleiermacher und der Blücherstraße. Doch das soll längst noch nicht alles sein. Schließlich ist Kreuzberg groß und mit der Bemalung in der Gneisenaustraße warten schon die nächsten grauen Kästen auf ihre Verwandlung in ein buntes Kunstwerk.

Nur Vattenfall bleibt stur

Das ist zwar keine übermäßig teuere, aber sehr effektive Art, das Wohnumfeld zu verschönern. Trotzdem gibt‘s das alles nicht umsonst. Unterstützt wird die MOG61 dabei von Malerbetrieb Peter Dietze, der die Kästen grundiert und Farben zur Verfügung stellt.

Doch selbst, wenn die Idee noch weitere Kreise ziehen sollte, wird es trotzdem ein paar graue Flecken geben. Nicht nur Post und Telekom haben Kästen aufgestellt, sondern auch der Stromversorger Vattenfall. Der hat es bislang abgelehnt, seine Kästen bemalen zu lassen. Es wird vermutet, dass er sie als Werbeflächen nutzen will. Zumindest das wird den Kiez auch ein wenig bunter machen. Allerdings stellt sich die Frage, ob das dann so farbig und fidel wird, wie die jetzige Bemalung.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2012.

Der Reissack fällt um

Es ist ein Jammer. Reissäcke, Tetrapacks und Bäckerkisten dienen ab jetzt nur noch der Folklore. Wenn »Nomadisch Grün« ehrlich wäre, würde es ab heute auf diese Attribute verzichten und ganz normale Schrebergärten anlegen. Mit der Petition und dem Eintreten der BVV, die Prinzessinnengärten zu einer Dauereinrichtung zu machen, ist das Projekt eines Gründungsmythos‘ und seiner eigentlich sinnstiftendenden Idee eines mobilen Gartens beraubt. Es sollte doch gerade der Beweis für eine sinnvolle Zwischennutzung von Brachen erbracht werden. Wenn aber die Zwischennutzung zur Dauernutzung wird, ist dieser Beweis ad absurdum geführt. Der Garten ist schön, gewiss. Er ist ein nachbarschaftliches tolles Projekt, keine Frage. Es wäre auch schade um ihn. Auch das steht außer Diskussion. Doch wer jetzt noch mit einem sinnvollen Zwischennutzungsprojekt für ein freies Gelände kommt, wird es in Zukunft sehr schwer haben.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2012.

Mobile Gärten werden sesshaft

BVV für Erhalt der Prinzessinnengärten

Bleibende Gärten: Die Chancen, dass das Projekt am Moritzplatz bleibt, stehen gut. Foto: psk

Den Prinzessinnengärten am Moritzplatz bleibt ein Umzug nun wohl doch erspart. Ohne Gegenstimmen sprach sich die Bezirksverordneten-Versammlung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg dafür aus, die Gärten zu erhalten. Das Bezirksamt soll sich nun beim Senat dafür einsetzen, dass die einstige Brache nicht, wie ursprünglich vorgesehen, nach 2013 vom Liegenschaftsfonds verkauft wird.

Zuvor hatte es bereits eine große Soldiaritätswelle für das Projekt von »Nomadisch Grün« gegeben. In einer Internetpetition hatten sich innerhalb von wenigen Tagen fast 7.000 Unterstützer für einen Erhalt des Projektes ausgesprochen.

Dabei war der mobile Garten als Zwischennutzungsprojekt angelegt worden. Die Beete in Bäckerkisten, Reissäcken und Tetrapacks sollten falls nötig innerhalb von kürzester Zeit auch an einen anderen Ort gebracht werden können.

2010 wurden die Prinzessinnengärten bei der Weltaustellung EXPO in Shanghai vorgestellt. Im gleichen Jahr wurde das Projekt mit dem Utopia-Award ausgezeichnet.

Auf dem rund 6.000 Quadratmeter großen Areal sind rund 400 Beete und drei Bienenvölker angesiedelt. Seit 2010 gibt es ein Gartencafé, ein Jahr später kam eine Küche dazu.

Die Prinzessinnengärten besitzen auch Ausstrahlungskraft. Ableger der Bienenvölker gingen an die Universiät der Künste, und auch in Hamburg schwärmen inzwischen Kreuzberger Bienen.

Kommentar zum Thema: Der Reissack fällt um

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2012.

Verkehrsverknotung Oberbaumbrücke

Einzige direkte Verbindung nach Friechrichshain bis Mai gesperrt

Einseitige Angelegenheit: Wer von Friedrichhain kommt, muss weite Wege fahren.
Foto: psk

Sie gilt als die schönste Brücke Berlins, doch für den Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg hat die Oberbaumbrücke darüber hinaus noch eine ganz besondere Bedeutung. Sie ist die einzige Brücke über die Spree, die die beiden Stadtteile direkt miteinander verbindet. Und diese Verbindung ist nun zur Hälfte gekappt. Für ein dreiviertel Jahr.

Es hat heftige Diskussionen über die Dauer der Teilsperrung und die Teilsperrung an sich gegeben. Tatsächlich gelangen Autofahrer von Kreuzberg nach Friedrichshain, aber umgekehrt ist der Weg verbaut. Die Umleitungen führen über die Schillingbrücke, was in der Köpenicker Straße und am Engeldamm zu massiven Behinderungen führt, oder über die Elsenbrücke, die für Kreuzberger dafür recht weit abgelegen ist.

Grund für die Sperrung ist die Sanierung eines Regenüberlaufkanals. Eigentlich hätte es schon im Mai losgehen sollen, doch dann gab es Querelen zwischen dem Senat und den Wasserbetrieben über eine Ampelschaltung. Bis zum 17. Mai 2013 soll die Sperrung nun dauern.

Dass es auf den eh schon belasteten Ausweichstrecken zu regelmäßigen Behinderungen kommen wird, gilt als ausgemacht. Und so könnte die Diskussion über die Brommy-Brücke wieder neu aufflammen. Die nach dem Admiral der kurzlebigen Bundesmarine aus dem 19. Jahrhundert benannte Brücke, wurde kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges gesprengt, um die Rote Armee aufzuhalten.

Sie lag zwischen Schilling- und Oberbaumbrücke. Pläne für einen Neubau sahen vor, eine Brücke nur für Fußgänger, Radfahrer und Busse zu errichten, andere gingen von einer vierspurigen Brücke für den Autoverkehr aus. Vor allem dieses Konzept stieß auf große Vorbehalte, weil dies Verkehrsströme mitten in den verwinkelten Teil von SO36 geleitet hätte.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2012.

Von Eulen und Ochsen

Ein Benediktinermönch und ein Jesuit stritten sich über die Vereinbarkeit von Gebet und Rauchen. Sie legten den Streit dem Papst vor. Der gab zunächst dem Benediktiner recht: Während des Gebetes dürfe natürlich nicht geraucht werden. »Das heißt, wenn ich rauche darf ich nicht beten?«, fragte der Jesuit.

Ist es Diskriminierung, wenn Touristen in der gleichen Kneipe für das gleiche Getränk mehr bezahlen müssen, als Einheimische? Oder ist es fair, Kiezbewohnern und treuen Stammgästen einen Rabatt zu gewähren? Letzlich ist es nur eine Frage des Blickwinkels. Diskriminiert Rom die Touristen durch seine Fremdenverkerssteuer, diskriminieren Badeorte ihre Gäste durch die Kurtaxe?

Abzocke? Das gehört zum Tourismus, ist gewissermaßen system­immanent. Es gibt nur eines, das wirklich inakzeptabel ist: Ablehnung und fehlende Gastfreundschaft. Zockt die Touris ab – aber bleibt freundlich dabei. Wie im Rest der Welt auch.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2012.

Tourismusdebatte entspannt sich

Weniger Party auf der Admiralbrücke / Preisaufschläge für Touris in der Wiener Straße

Schön ruhig ist es auf der Admiralbrücke zwar immer noch nicht, aber viel entspannter. Foto: psk

In der »Jungle World« war es ein Aufregerthema: Eine Kneipe in der Wiener Straße diskriminiert Touristen, in dem sie von ihnen höhere Preise verlangt, als von Einheimischen. Hat damit das Touristenbashing, das seit etwa drei bis vier Jahren zu den Kreuzberger Populärsportarten gehört, einen neuen unrühmlichen Höhepunkt erreicht?

Gaby Hartmann vom Deutschen Seminar für Tourismus (DSFT) sieht das nicht so. Die in Kreuzberg beheimatete Akademie unterstützt nicht nur Unternehmer, die sich hier im Fremdenverkehr engagieren, sondern betrachtet auch die Entwicklungen sehr genau. »Die Touri-Diskussion hat nicht an Schärfe zugenommen«, erklärt Gaby Hartmann. Eher habe sich die Debatte noch mehr in Richtung Gentrifizierung verlagert. Sie führt als Beispiel die Diskussion um das Guggenheim-Lab an, das ursprünglich in der Schlesischen Straße geplant war und nach massiven Protesten von Gentrifizierungsgegnern an den Prenzlauer Berg abgewandert ist.

Tatsächlich hat sich die Auseinandersetzung um die Touristen an manchen Stellen sogar entschärft. Bis vor einem Jahr galt die Admiralbrücke als der große Brennpunkt. Wo sich an warmen Tagen manchmal drei- oder vierhundert Menschen auf der Brücke drängelten, sind es inzwischen kaum noch die Hälfte. Üppige musikalische Darbietungen sind ebenfalls deutlich weniger geworden.

Gaby Hartmann, die selbst dort in der Nähe wohnt, führt das auf die Polizeipräsenz zurück und darauf, dass die Beamten um 22 Uhr auch tatsächlich für Ruhe sorgen. Sie meint: »Es sind immer noch viele Leute auf der Brücke, aber offenbar ist es den meisten unter Polizeiaugen zu ‚ungemütlich‘, und dann wechseln sie halt den Ort.«

Und der Ort ist kaum hundert Meter weiter die Wiese am Urbanhafen. Da sitzt es sich sowieso viel weicher als auf den harten Beton-Pollern auf der Brücke.

Kommentar zum Thema: Von Eulen und Ochsen

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2012.

Bethanien brennt

Zwölf Verletzte nach mutmaßlicher Brandstiftung

Steine und Scherben – Das Rauchhaus nach dem Brand. Foto: fh

Bei einem Brand im ehemaligen Schwesternhaus des früheren Bethanienkrankenhauses am Mariannenplatz sind am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages zwölf Personen verletzt worden. Gegen sieben Uhr ging der Alarm bei Feuerwehr und Polizei ein. Noch ehe die Rettungskräfte eintrafen, waren zwei Männer im Alter von 32 und 44 Jahren in Panik aus dem ersten Stock des Gebäudes gesprungen und hatten sich dabei Knochenbrüche zugezogen. Im dem Gebäude leben 40 Menschen, doch wegen einer Weihnachtsfeier am Vorabend hielten sich wesentlich mehr Personen in dem Haus auf. Zehn Verletzungsopfer wurden mit einer Rauchvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert.

Über die Brandursache wurde zunächst wenig bekannt. Allerdings ließ die Polizei verlauten, dass die Kripo von Brandstiftung ausgehe. Tatsächlich soll das Feuer an zwei verschiedenen Stellen ausgebrochen sein. Ein Brandherd soll im Keller, einer im Treppenhaus gelegen haben.

Mit 120 Mann war die Feuerwehr am Morgen ausgerückt. Trotzdem waren zwei Stunden nötig, um das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Starke Rauchentwicklung behinderte zudem die Bergung der Opfer. Viele von ihnen gelangten zwar selbst rechtzeitig ins Freie. Doch die Feuerwehrleute mussten noch 26 Personen aus dem Gebäude retten. Während der Löscharbeiten war der Bethaniendamm mehr als zwei Stunden komplett für den Verkehr gesperrt.

Äußerlich hat der Brand nur wenig Spuren an dem Gebäude hinterlassen. Dagegen wurden die Innenräume und die elektrischen Intstallationen stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Sachschaden lässt sich derzeit kaum beziffern. Allerdings scheint die Bausubstanz des Hauses nicht beschädigt worden zu sein. Einsturzgefahr bestehe laut Feuerwehr nicht. Trotzdem mussten die meisten Bewohner das Haus verlassen und sich für die nächsten Tage eine neue Bleibe suchen.

Bei dem Schwesternhaus handelt es sich um jenen Teil des Bethanien, der 1971 besetzt und zum „Georg-von-Rauch-Haus“ erklärt wurde und dem die Band „Ton Steine Scherben“ mir dem „Rauch-Haus-Song“ (Das ist unser Haus) ein musikalisches Denkmal gesetzt hatte.

Zehn neue Sendungen zum Jubiläum

Radio multicult.fm feiert sein dreijähriges Bestehen

Ziemlich schnöde hatte sich der rbb vor drei Jahren von seinem Programm Radio Multikulti verabschiedet. Doch so einfach wollten Mitarbeiter und Freunde des mehrsprachigen Programms den erzwungenen Abschied nicht hinnehmen. Mit rund 30 Mitstreitern hob Brigitta Gabrin vor drei Jahren radio multicult aus der Taufe, zunächst nur als Radio im Netz, doch bald wieder mit einer richtigen Frequenz.

Inzwischen sendet multicult.fm aus der Marheineke-Markthalle, und aus den 30 Mitstreitern sind über 100 Mitarbeiter geworden. Doch das war noch nicht Grund genug, den dritten Geburtstag auf der Galerie der Halle mit großem Trubel zu feiern. Gleichzeitig wurde neben dem Studio die multicultea bubble Bar eröffnet. Und damit immer noch nicht genug. Gleich zehn neue Sendungen wurden im Beisein von Bezirksbürgermeister Dr. Franz Schulz und seines Stellvertreters Dr. Peter Beckers angekündigt. Letzterer wies denn auch darauf hin, dass der Bezirk in dem Radioprojekt auch eine wirtschaftliche Bedeutung sehe.

Das unterstrich auch Michael Neuner, der in diesem Fall nicht nur für die Firma Zapf sprach, die das Projekt unterstützt. Er wies darauf hin, dasss multicult.fm auch für andere Unternehmen durchaus interessant sein könne und forderte sie auf, das Medium zu nutzen.

Geschäftsführer Stefan Kirsch wünschte sich für die Zukunft eine solidere Basisförderung. Derzeit kommt der Sender, der stark vom Bezirk gefördert wird, mit rund 50.000 Euro im Jahr aus. 150.000 sollten es dagegen schon sein.

Bezirksbürgermeister Schulz bekannte zwar launig, dass er meistens nur da sei, »um den Sekt wegzutrinken«, er gab aber auch gleichzeitig ein überzeugendes Bekenntnis zum Standort ab, verbunden mit dem Wunsch nach »noch mehr Fans« für multicult.fm.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2011.

So kann es gehen

Dass die Grünen die geplatzen Koalitionsverhandlungen noch teuer zu stehen kommen könnten, ist ja nun keine sehr weltbewegende Erkenntnis. Dass es aber den grünsten Bezirk gleich so heftig erwischen würde, ist nun schon bemerkenswert. Zugegeben, es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird, aber das Süppchen, das der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit da für das Kreuzberger Bezirksamt zusammengerührt hat, ist ziemlich  vergiftet. Ob und wie der Bezirk es auslöffeln wird, bleibt erst einmal dahin gestellt. Dem Bezirk soll die Amerika-Gedenkbibliothek geschenkt werden. Nun darf er damit aber nicht tun und lassen, was er will. Er muss das Gebäude für Bildung und Kultur nutzen. Niemand hat in Kreuzberg etwas dagegen. Nur, diese Frage drängt sich förmlich auf, woher soll das Geld kommen? Für das Gebäude in der Breitestraße soll eine solche Auflage nicht gelten. Das darf ein privater Investor kaufen. Merkwürdige Unterschiede.

Eine andere Frage ist dagegen sehr hypothetisch. Wäre das wohl genauso gelaufen, wenn die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen nicht gescheitert wären? Natürlich wollte Wowereit seine Bibliothek, und er wollte sie auf dem Tempelhofer Feld. Mit Kreuzberger Lokalpolitik hat das zunächst rein klein gar nichts zu tun. Aber dem lautesten A 100-Kritiker bei den Grünen, Dr. Franz Schulz,  so  im Vorbeigehen noch richtig eine überzubraten, konnte sich der Regierende dann offenbar doch nicht verkneifen. Es scheint fast, als habe Wowereit Schulz auf Mark und Pfenning zeigen wollen, wie teuer sein Nein zur A 100 war.

Ein vergiftetes Geschenk

AGB-Gebäude soll an der Bezirk gehen

Teures Geschenk? Die Amerika-Gedenk-Bibliothek in Kreuzberg. Foto: psk

Auf dieses Geschenk wird der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gerne verzichten. Ob er es kann steht auf einem anderen Blatt. Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU haben nämlich ein überraschendes Zwischenergebnis gebracht. Auf der Temeplhofer Feld soll eine neue Bibliothek entstehen, eine Metropolbibliothek. Knapp 70.000 Quadratmeter auf zehn Stockwerken soll das Gebäude umfassen – und damit die Kapazität von der Bibliothek in der Breitestraße in Mitte und der Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) am Blücherplatz aufnehmen. Der CDU war das alles bislang viel zu teuer. Offensichtlich haben sich die künftigen Koalitionäre noch einmal hingesetzt und mit spitzem Bleistift genau nachgerechnet. 250 Millionen Euro soll das Ganze kosten. Das ist ein stolzer Preis, gewiss, aber nun hat die CDU zugestimmt. Die Begründung lautet: Eine dringend notwendige Sanierung der beiden Standorte in Mitte und in Kreuzberg würde teurer kommen. Der Neubau und damit die Zusammenlegung kämen billiger.

Nun stellt sich allerdings die Frage, was mit den Gebäuden passiert, die so heruntergekommen sind, dass eine Viertel Millarde Euro nicht ausreicht, sie ordentlich zu sanieren? Ganz einfach. Das Haus in der Breitestraße soll an einen privaten Investor verkauft werden. Davon ist in Kreuzberg allerdings nicht die Rede. Der alte und wohl auch neue Senat habe da offenbar ganz konkrete Vorstellungen, wie der Berliner Tagesspiegel zu berichten weiß: »Nach der Eröffnung soll die alte AGB dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg für Kultur- und Bildungszwecke überlassen werden.« Das klingt zwar zunächst sehr gut, aber die Sache hat dann doch einen kleinen, nicht unbedeutenden Haken. Der Bezirk ist chronisch klamm. Um das Gebäude für Bildungs- und Kulturzwecke zu nutzen, müßte es erst einmal umgebaut und renoviert werden. Selbst wenn man die spezifischen Ausgaben, die ein Umbau der Landesbibliothek gekostet hätte, abzeiht, bleiben immer noch Kosten von mehreren Millionen Euro in bedeutender zweistelliger Höhe übrig, die der Bezirk so nicht stemmen kann.  Auf die neugewählte BVV und das künftige Bezirksamt wartet eine spannende Aufgabe.

Kneipenräuber unterwegs

Auf ein Lokal in Kreuzberg hatten es am Sonntagabend zwei bislang unbekannte Räuber abgesehen. Gegen 21 Uhr betrat das Duo die Lokalität in der Wassertorstraße und bedrohte die 27jährige Angestellte sowie deren 25jährige Schwester mit einer Pistole. Nachdem einer der Täter der Mitarbeiterin zweimal ins Gesicht geschlagen hatte, mussten sich beide Frauen auf den Boden legen. Anschließend raubten die Männer die Tageseinnahmen aus der Kasse und flüchteten über die Wassertorstraße in Richtung Kottbusser Tor. Die 27-Jährige erlitt bei dem Überfall leichte Gesichtsverletzungen. Ein Raubkommissariat der Polizeidirektion 5 führt die Ermittlungen.

Gerangel und Gespräche um den letzten Stadtrat

Piraten lenken ein und wollen weiter verhandeln

Ist der Alte auch der Neue? Knut Mildner-Spindler von der Linken ist derzeit Bezirksstadtrat für Gesundheiot und Soziales. Foto: psk

Jetzt ist es wohl amtlich: Es wird keinen Stadtrat der Piratenpartei im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg geben. Am 30. September hatten die Piraten noch angekündigt, sie wollten das Vorschlagsrecht für einen Stadtratsposten in Anspruch nehmen. Das wäre dann der von Knut Mildner-Spindler von den Linken gewesen. Tatsächlich waren die Piraten als drittstärkste Partei in die neue Bezirksverordnetenversammlung eingezogen und hatten die Linke dabei deutlich überholt.

Allerdings waren die Piraten nicht in der Lage, alle ihnen zustehenden Sitze in der BVV zu besetzen, da sie zu wenig Kandidaten aufgestellt hatten, beziehungsweise drei von ihnen auch für das Abgeordnetenhaus kandidierten und nun in den Preußischen Landtag eingezogen sind. Diese Sitze für die Piraten sind nun verfallen, was wiederum die Linke zur drittstärksten Fraktion machte, die noch einen Stadtrat vorschlagen darf.

Nach der Auffassung der Piraten stand aber ihnen dieses Vorschlagsrecht zu, weil sie mehr Wählerstimmen erreicht hatte. Die BVV-Newcomer kündigten ab, um dieses Recht kämpfen zu wollen. Dabei fuhren sie eine Doppelstrategie. Einerseits verhandelten sie mit der Linken, andererseits prüften sie auch die juristische Sachlage.

Im Blog der Bezirks-Piraten heißt es seit Mittwoch: »Ihr hattet recht, wir hatten unrecht.« Trotzdem wollen sie weiter das Gespräch mit der Linken suchen, um möglicherweise einen gemeinsamen Kandidaten oder eine Kandidatin zu finden. Im Gespräch war bereits Anke Domscheidt-Berg, einstige Microsoft-Direktorin, Frau des Wikileaks-Mitbegründers Daniel Domscheidt-Berg und Unternehmerin. Doch der Vorschlag hat einen Haken. Sie ist Mitglied der Grünen. Das würde bedeuten, dass die Stadtratsposten mit einer Ausnahme alle von den Grünen besetzt würden. Von den Linken heißt es aus gutunterrichteten Quellen, dass sie Knut Mildner-Spindler wieder vorschlagen wollen.

Die SPD hat durch ihr schwaches Abschneiden einen Bezirksstadtrat eingebüßt. Noch ist nicht klar, ob Jan Stöß, der eigentlich Bezirksbürgermeister werden wollte, oder Peter Beckers das Feld räumt.