Marianne Latsch stirbt mit 49 bei Wohnungsbrand
Aber Dienstag! Dienstag blieb dann Zeit für die Kunst. „Da bin ich malen“, erklärte sie kategorisch, wenn irgend jemand an diesem Tag etwas von ihr wollte. Und was war auch gut so, denn die restlichen sechs Tage war sie die Hilfsbereitschaft in Person, das wußten viele, vielleicht sogar zu viele.
Nach Berlin war sie in den 90er Jahren gekommen, erst nach Steglitz, später nach Kreuzberg. Doch eigentlich stammte sie aus Mudersbach, einem kleinen Ort nahe Siegen. Dem blieb sie auch bis zum Ende verbunden. Die „Mudersbacher Kirmes“ Anfang Oktober war für sie Plichttermin und Geburtstagsgeschnek in einem. Hier tankte sie Kraft, Kraft, die sie für ihr Großstadtleben brauchte, denn die Metropole war ihre eigentliche Bestimmung. Austellungen, Galerien, Vernissagen, Finissagen, Modeschauen, Modemessen, das waren ihr Leben und ihre Leidenschaft – und das bot ihr so nur Berlin.
Studiert hat Marianne Modedesign. Das half ihr weiter, als sie eine Anstellung bei der UFA in Babelsberg fand. Da ging es allerdings oft weniger um Haute Couture, als mehr um handfestere Dinge. Nicht ohne Stolz erzählte sie die Geschichte, wie sie „Tausend Russen angezogen“ habe. Gedreht wurde Jean-Jacques Annauds „Duell – Enemy at the Gates“ mit Jude Law und Ed Harris in den Hauptrollen. Erzählt wird eine Geschichte während der Schlacht von Stalingrad. Und dazu brauchte es unter anderem 1000 Statisten, die russische Soldaten darstellten – und nun war es Mariannes Aufgabe, die Kleindarsteller möglichst authentisch einzukleiden.
Vor sechs Jahren schließlich landete Marianne bei Kiez und Kneipe. Gekannt hat man sich schon seit vielen Jahren und dann hatte es sich schließlich ergeben, dass sie mit ins Team einstieg und sich fortan um das Anzeigengeschäft kümmerte. Sie machte das so, wie sie fast alles anging, mit viel Charme und noch mehr Herzlichkeit. Ein anderes Beispiel: Als sie vor fast zwei Jahren gebeten wurde mit den Bewohnern des House of Life in der Blücherstraße einen Kalender zu gestalten, war sie sofort dabei. Sie kleidete die Bewohner ein und brachte sie in die beste Pose. Es wurde ein wunderbarer Kalender.
Und dann kam jener verhängnisvolle Abend. Im „Backbord“ in der Gneisenaustraße hatte sich die „Beergroup Tempelhofer Vorstadt“ getroffen, ein lockerer Kreis, zu dem auch sie gehörte. Sie verabschiedete sich gegen Mitternacht. Spätestens am Montag sollte sie beim „Pubquiz“ im Bad Kreuzberg wie jeden Monat die „bezaubernde Assistentin“ geben. Sie traf sich danach noch mit einem Freund in SO36. Als sie schließlich zu Hause in der Reichenberger Straße ankam, brach wenig später zwei Stockwerke unter ihr ein Feuer aus. Sie rief noch einmal bei dem Freund an und verlor während des Telefongesprächs das Bewußtsein. Als die Feuerwehr sie schließlich fand, versuchten die Retter sie noch einmal ins Leben zurück zu holen. Vergeblich.
Das ganze KuK-Team ist unendlich traurig. Marianne, wir alle vermissen Dich.
Peter S. Kaspar