Der Textilkünstler Jan Bejšovec präsentiert seine öffentliche Installation an der Brunnenanlage auf dem Mehringplatz. Durch eine textile Hülle wird die 166 Jahre alte Friedenssäule von Christian Gottlieb Cantain zur “Bildersäule”, deren Applikationen aus der bewegten Geschichte des Mehringplatzes erzählen.
Zum 64. Jahrestag der Zerstörung dieses Wohnviertels am 03.02.1945 durch einen Bombenangriff im II. Weltkrieg öffnet die Säule bis Ende April 2009 als letzter Zeuge der ursprünglichen Bebauung ein Zeitfenster für den Betrachter. Auf dem als Rondell angelegten, später zuerst in Belle-Alliance-Platz und seit 1947 in Mehringplatz umbenannten Platz spiegeln sich fast 300 Jahre Berliner Geschichte.
Vier Bevölkerungsgruppen haben diesen Kiez am deutlichsten geprägt: Soldaten, Bürger, Arbeiter und Einwanderer. Ihre Spuren macht die textile Installation weithin sichtbar.
Soldaten
Exerzierender Soldat – Seit der Anlage des Rondells wurde der Platz hinter dem Halleschen Tor als Exerzierplatz genutzt. In unmittelbarer
Nähe lag eine Vielzahl von Kasernen.
Eisernes Kreuz – Die Friedenssäule markierte bis 1945 als Siegessäule
den militärischen Sieg Preußens und seiner Allierten über Napoleon.
Bomben – 1945 wurde der Platz durch einen amerikanischen
Bombenangriff zerstört. Mit der Niederlage im von den Nazis verursachten II. Welkrieg endet die militaristische Deutung des Platzes durch die Umbenennung in Mehringplatz.
Bürger
Seit der Gründerzeit wandelte sich der Belle-Alliance-Platz durch den Zuzug wohlsituierter Bürger in repräsentative Neubauten. Die Parkanlage um den Brunnen wurde mit vier Skulpturengruppen verschönert. Der Platz war als Promenade und vor allem als Kinderspielplatz beliebt.
Arbeiter
Ochsenkopf – Das Armenhaus „Ochsenkopf“ am Rondell Nr. 5 beherbergte die Verlierer der Preußischen Gesellschaft.
3 Pfeile – In der Lindenstraße 3 saß bis 1933 die SPD-Parteiführung. Das nach dem Zentralorgan benannte „Vorwärts“-Haus war 1918 heftig umkämpft. Die drei Pfeile der „Eiseren Front“ stehen für die Verteidigung der Weimarer Republik. Seit 1996 hat die SPD ihren Sitz in der Wilhelmstraße.
Zahnrad – 1848, 1918 und 1933 kämpfen Arbeiter auf und in der Nähe des Platzes für ihre Rechte. In der Lindenstraße hatte seit 1930 die Metallgewerkschaft ihre Zentrale. Heute befindet sich dort die IGM als Nachfolgeorganisation.
Einwanderer
Hugenottenkreuz und Böhmischer Kelch – Beide protestantischen Gruppen wurden in ihrer Heimat verfolgt und von Preußen aufgenommen. Sie prägten den Platz besonders im 18. Jhd.
Halbmond – Heute leben viele muslimische Einwanderer in den Plattenbauten. Als „Gastarbeiter“ stützten sie den Wohlstand Westdeutschlands und kämpfen bis heute für eine Integration in die deutsche Gesellschaft.
Platzsymbol – Bis zur Neubebauung nach dem Krieg vereinigten sich drei wichtige Straßen (Wilhelm-, Friedrich- und Lindenstraße) auf dem Mehringplatz. Die heutige Situation einer Sackgasse im verkehrs- und gesellschaftspolitischen Sinn soll durch Umbauten ab 2010 verbessert werden.