Peter S. Kaspar verabschiedet sich
Und dann war da noch die Geschichte der Financial Times Deutschland. Die wurde am 7. Dezember 2012 eingestellt. Die Kiez und Kneipe war da gerade acht Jahre alt geworden. »Nur noch vier Jahre durchhalten«, dachte ich mir damals, »dann haben wir die FTD überholt.« Wer hätte schon ahnen können, dass die KuK das ambitionierte Projekt, das Gruner und Jahr im Jahr 2000 gestartet hatte, tatsächlich überleben könnte.
Im Überleben war die KuK von Anfang an gut. Ob nun ein Brand, ein Einbruch, schwere innerredaktionelle Krisen oder am Ende Corona, 20 Jahre hat sich die KuK tapfer gegen jede Art des drohenden Untergangs zur Wehr gesetzt. Ohne die Hilfe von Anzeigenkunden, Freunden und Unterstützern der KuK wäre das allerdings kaum möglich gewesen. Dafür wollte ich jetzt auch noch mal ganz persönlich danke sagen. Immerhin war ich von Beginn an derjenige, der hinter allem stand, erst alleine mit einer Idee, dann in einem kleinen Team bei der Umsetzung und immer begleitet von so aufmunterden Kommentaren: »Das wird doch eh nix! Mehr als drei Ausgaben wird es sowieso nicht geben.«
Es wurden dann viel, viel mehr. Nach den ersten Zweiflern kamen die ersten Fans und mit ihnen die starke Motivation, mehr als die drei prognostizierten Ausgaben zu machen – okay, auch die Zweifler hatten uns sehr motiviert. Die Redaktion wuchs, wurde wieder kleiner, flog mir ganz um die Ohren und ich fing noch einmal an.
Doch nun, nach genau 20 Jahren, lass ich es dann mal gut sein. Die FTD ist schon so lange Geschichte, wie sie existiert hat – und die KuK gibt es immer noch. Vermutlich habe ich in den letzten Jahren einiges falsch gemacht, aber offenbar auch ein paar Dinge richtig, sonst wäre unser kleines Kiezblatt nicht so alt geworden.
Mir ist klar, dass ich in den letzten Jahren auch polarisiert habe. Die einen nennen mich einen Menschenfänger, andere schimpfen mich manipulativ. Manche rühmen mich als großen Kommunikator, die nächsten halten mich für einen Labersack. Sei es, wie es sei. Ich bin eben so, wie ich bin, und mit bald 65 Jahren ist die Gefahr nicht so groß, dass ich mich noch einmal ändern werde.
65 war einmal das klassische Renteneintrittsalter. Passt doch ganz gut. 20 Jahre KuK. Da kann ich vier Monate vor diesem halbrunden Geburtstag auch aufhören. Viele haben mich aufgefordert, trotzdem weiterzumachen. Aber, ganz ehrlich, bin ich auch ein wenig müde geworden. Früher bezeichnete ich mich einigermaßen stolz als Journalisten. Fragt mich heute jemand nach meinem Beruf, überlege ich manchmal, ob ich sage, ich sei Auftragskiller der Mafia oder Leichenwäscher.
Der Beruf hat sich verändert, und ich habe in den letzten Jahren auch gespürt, wie er mich verändert hat. Neben Neugier sollte ein Journalist drei Dinge mitbringen: Verantwortung, Verlässlichkeit und Anstand. Jeder mag für sich selbst beurteilen, wie viel von diesen Tugenden noch übrig geblieben ist. Auch ich bin ihnen zuletzt nicht immer gerecht geworden.
Meinen Nachfolgern Cordelia Sommhammer und Robert S. Plaul wünsche ich eine glückliche Hand und dass sie möglichst viel von diesen Tugenden retten können.
Mindestens ein halbes Jahr werde ich es nicht beurteilen können, weil ich mir ein persönliches KuK-Verbot auferlegt habe. Ich schaue nicht einmal ins Blatt. Das hat einen sehr simplen Grund: Ich möchte nicht wie Waldorf und Statler auf der Tribüne sitzen und über meine Nachfolger schimpfen. So wie ich meine Chance hatte, sollen sie auch die ihre haben.
Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2024 (auf Seite 3).