Sommeranfang reimt sich auf Musikvielfalt
Und jetzt alle: Wir! Lieben! Die! Fête!
»Wie? Und dann spielen die da kostenlos auf den Straßen?«
Eltern sind oft ein guter Realitätscheck, wenn man die Bonbons der Gegebenheiten, die zauberhaften Selbstverständichkeiten, die Ja-ja-das-ist-immer-so’s der Berliner Musikszene mal wieder unterschätzt hat. In meiner Heimatstadt gibt es nämlich keine Fête de la Musique. Dort bleibt das Weihnachten der Klampfenkunst einfach aus. Zeit, eine kleine Hommage zu schreiben.
Für meinen liebsten Tag im Jahr habe ich wie immer wenig geplant. Und das ist ja auch das Schöne. Wir feiern den Sommeranfang, umsonst und draußen. Lassen uns treiben, halten an, es gibt Pizza und Bier.
Der französische Kultusminister Jack Lang hat im Jahr 1981 die erste Fête ins Leben gerufen. Im darauffolgenden Jahr fand sie zuallererst in Paris, von da an aber in weiten Teilen des Landes statt. Der Minister hatte dabei die Idee, die lokale Musikszene anzuheizen. So sollten nicht nur die großen, sowieso schon bekannten Bands spielen. Sondern eben auch und besonders die, die man sonst immer nur in vermoderten Probenräumen hören kann.
Was dabei besonders gefördert wird, ist die Vielfalt der Musik. Während Pop in der breiten Masse bekanntlich immer ganz gut ankommt, hat an diesem bunten Tag Jazz Platz neben Folklore. Kreuzberg selbst, das ja von vorn bis hinten wie dafür gemacht ist, nimmt seit 1995 an dem Spektakel teil.
So treibt mich mein Rundgang von Chormusik vor der Passionskirche über Gitarrengezupfe mit kratzigem Gesang beim Matzbach zu improvisiertem Allerlei in den Sarotti-Höfen.
Nach den Gerüchten von letztem Jahr, dass die Fête vielleicht ausbleiben soll, da sich das kommerziell nicht rentiert, bin ich ziemlich froh, dass der Sommer jetzt doch wieder klangvoll begonnen wurde. Und plädiere trotzdem dafür, dass die Fête eine »de la musique« bleibt, nicht eine »de la bière« und »de la bouffe«.
Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2019.