Es ist noch nicht so lange her, da war das „neue“ Kreuzberg das Ziel milden medialen Spotts. Vor allem Bergmann- und Chamissokiez mit seiner etwas verschwurbelten grünen Bohème wurden ins publizistische Visier genommen, aber auch die allgegenwärtige Protest- und Kampfbereitschaft gegen jedwede echte oder eingebildete Ungerechtigkeit. Initiativen und bürgerliches Engagement wurden als putzige folkloristische Auswüchse einer eigentlich untergegangenen Kultur belächelt, die ihren „Oberkrainer Ernst Mosch“ in Rio Reiser selig gefunden hatte. Doch auf einmal wendet sich das Blatt buchstäblich. Der Tagesspiegel widmet dem Kotti in der Sonntagsausgabe seine Seite zwei, und am Mittwoch wird das Engagement in der Düttmann-Siedlung in einer ganzseitigen Seite-Drei-Reportage gewürdigt. Zeitgleich erscheint die Zitty mit einer Titelgeschichte über den Kotti. Diese Geschichten gäbe es nicht, wenn sich nicht Menschen für ihren Nachbarschaft engagieren würden. Offensichtlich hat bürgerschaftliches Engagement dann doch nicht so viel mit Folklore, sondern mit Einsicht in die Notwendigkeit und gesundem Menschenverstand zu tun.
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