Hauptsache nicht in aller Stille

Die Zeiten, in denen nach der überraschenden Schließung eines Ladens oder einer Kneipe nur ein kleiner Zettel mit der Aufschrift »Geschlossen wegen Geschäftsaufgabe« von den Hintergründen kündet, scheinen so langsam der Vergangenheit anzugehören. Initiativen wie »Bizim Kiez«, vor fünf Jahren gegründet, um einen Obst- und Gemüseladen im Wrangelkiez zu retten, haben dafür gesorgt, dass die Nöte von Gewerbemietern endlich nicht mehr als bedauerliche Einzelschicksale wahrgenommen werden, sondern öffentlich zur Sprache kommen. Denn das Problem ist ja nicht, dass Einzelhändler und Wirte zu blöd zum Wirtschaften wären – das Problem ist, dass es im Gewerbemietrecht außer »dem Markt« kein Regulativ gibt, ortsübliche und angemessene Mieten sicherzustellen. Einstweilen hilft hier wohl nur öffentlicher Druck – mehr jedenfalls als ein Untergang in aller Stille.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2020.

Die Nacht ist nicht lang genug

Man kann über die Corona-Pandemie und die Social-Distancing-Maßnahmen sagen, was man will, aber zu einem waren sie immerhin gut: Ich konnte mich endlich einmal mit dieser DVD-Box beschäftigen, die vor ein paar Monaten im Sonderangebot war: eine vollständige Sammlung sämtlicher James-Bond-Filme, die bislang erschienen sind und von denen ich tatsächlich einige noch nicht kannte.

Der Film-Marathon brachte im Wesentlichen drei Erkenntnisse:

Erstens: Eigentlich gibt es nur ein bis zwei wahre Bond-Darsteller.

Zweitens: Das ist aber egal. Heutzutage darf offenbar jeder Bond spielen.

Drittens: Die Handlung ist eigentlich genauso beliebig wie die Besetzung.

Aus all dem folgt zwingend, dass es auch genauso gut einen Kreuzberger Bond-Ableger geben könnte, um nicht zu sagen: sollte.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2020.

»Dieses Homeoffice-Gefühl ist eigentlich ganz angenehm«

Die Maßnahmen zur Eingrenzung der Corona-Pandemie haben viele Menschen vor ganz neue Herausforderungen gestellt, vor allem, wenn es darum geht, ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Doch während Arbeiten im Homeoffice und Videokonferenzen zumindest in einigen Branchen kein absolutes Neuland sind, funktioniert Schulunterricht meistens noch ziemlich analog und vor allem: vor Ort und in oft gro­ßen Gruppen – ein Ding der Unmöglichkeit in Zeiten von Corona.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2020.

Eine Geschichte der Aufmüpfigkeit

Jürgen Enkemann kann wohl mit gutem Gewissen als »Kreuzbergversteher« bezeichnet werden. 1963 zog er nach Abschluss eines philologischen Studiums von Göttingen nach Kreuzberg und blieb dort. Als Mitbegründer und Mitglied zahlreicher Ini­tiativen im Bezirk und Herausgeber des Kiezmagazins »Kreuzberger Horn« (seit 1998) hat er viele der Ereignisse und Entwicklungen selbst miterlebt und mitgestaltet, von denen er in seinem jetzt im vbb verlag für berlin-brandenburg erschienenen Buch berichtet.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2020.

They’re talkin’ about an isolation

Ich bin bei dieser Zeitung gewiss nicht derjenige, der für Verschwörungstheorien verantwortlich zeichnet, aber beim Thema Corona muss ich dann doch mal die entscheidende Frage stellen: Cui bono? Wem nützt es? Die Antwort ist einfach: Leuten wie mir.

Während soziale Distanz und Isolation, Nudel- und Klopapier-Engpässe, geschlossene Kneipen und offene Rechnungen für Otto Normalverbraucher zunehmend zum Problem werden, gibt es auch Profiteure der Krise: Lesebühnenautoren und Kiezzeitungskolumnisten. Corona sei Dank können sie endlich schreiben, was noch nie jemand wissen wollte: Was für ein ödes Leben sie zu Hause in den eigenen vier Wänden führen. Wie der erste Brotbackversuch gelaufen ist. Was sie im Supermarkt gekauft haben und was nicht. Wie ihrer Meinung nach das Wort »Quarantäne« ausgesprochen wird. Wie gut die erste Videokonferenz geklappt hat. Was sie bei Netflix gesehen und auf Facebook gelesen haben.

All das haben wir Alltagsschreiber zwar schon immer geschrieben, aber erst die Krise adelt die belanglose Beobachtung zur pointierten Pulsmessung der Zeit. Geistloses wird zur Gesellschaftskritik, Genretext zur Gegenwartsliteratur.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2020.

»Wir lassen uns nicht unterkriegen!«

Kreuzberger Geschäfte, Restaurants, Kneipen und Selbstständige leiden unter dem Corona-Virus

Die wegen des Corona-Virus erlassene Kontaktsperre trifft in Kreuzberg viele Geschäfte, Restaurants, Cafés, Ateliers und Kulturschaffende sehr hart. Nur wenige Läden bleiben geöffnet. Die KuK hat sich umgesehen und umgehört.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2020.