Entmietung in der Mittenwalder Straße
»Schade«, steht auf dem Schild am Fenster, »wäre schön, man hätte mich hier bleiben lassen«. Doch Katja Werner, die in ihrem Atelier in der Mittenwalder Straße 47 alten Fahrradschläuchen zu einem zweiten Leben als Hand- oder Handytasche verholfen hat, ist schon weg. »K.W.D.« (kawedesign.de) ist nach Friedrichshain gezogen, denn der neue Eigentümer des Hauses hat den Mietvertrag gekündigt. »Fristgerecht und juristisch sauber«, wie Katja zugeben muss, aber trotzdem ärgerlich.
Auch ihre Ladennachbarn Birgit und Martin Freyer hatten im Dezember die Kündigung auf dem Tisch und ziehen mit ihrem Wollladen »WollLust« im April zwei Häuser weiter in die Mittenwalder 49. Auch sie wissen nicht, was der neue Eigentümer vorhat.
Fest steht, dass das Haus Anfang letzten Jahres verkauft wurde und jetzt in Teileigentum aufgeteilt wird. Bereits im letzten Frühjahr wurden Wohnungen des Hauses auf der Webseite der »Berlin Aspire Real Estate GmbH« israelischen Interessenten angepriesen. Kurioserweise war das Angebot, das inzwischen offline ist, mit dem Vermerk »Sold Out« versehen.
Das kann Beatrice Tillmann, die mit ihrer Filmproduktion »Modzilla Films« ebenfalls Mieterin in dem Haus ist, nicht nachvollziehen. »Noch sind die Wohnungen vermietet«, sagt sie. Außerdem gäbe es noch keine Abgeschlossenheitsbescheinigung. Die Wohnungen können also noch gar nicht einzeln verkauft werden.
Doch sobald die Teilung durchgezogen ist, dürfte es für die Mieter unschön werden. Schon jetzt lässt sich die neue Hausverwaltung, die »Stein Asset Concept GmbH«, viel Zeit mit notwendigen Reparaturen und Ausbesserungen. Es ist dieselbe Hausverwaltung, die Katja noch im Sommer mitteilte, sie solle sich keine Sorgen um ihren Mietvertrag machen.
Über Schönefeld nach Zypern
Was auf die Mieter zukommt, scheint klar, gibt es doch genügend ähnlich gelagerte Fälle in anderen Gegenden. So berichten etwa Neuköllner Mieter aus dem Eckhaus Wildenbruchstraße 6 / Weserstraße 59/60 in ihrem Blog unter wildeweser.blogsport.de über Gesprächsgesuche der berüchtigten »pro soluta«, einer Ein-Frau-Firma, sie sich darauf spezialisiert hat, Mieter zum Auszug zu bewegen. Auch deftige Mieterhöhungen wurden dort angekündigt. Gemeinsamkeit zur Mittenwalder Straße: Die Häuser gehören zwei GmbH & Co. KGs, die sich eine Firmenanschrift in Schönefeld teilen – zusammen mit einer Reihe weiterer Gesellschaften, die allesamt nach der Adresse des jeweiligen Hauses benannt sind. Es ist die gleiche Anschrift, unter der »Berlin Aspire »residiert.
Doch die Spuren führen weiter als bis Brandenburg. Einzige Gesellschafter zumindest der Vorgänger-GmbHs sind ominöse Holdings in Zypern – auch jeweils mit gleicher Anschrift. Stets als Geschäftsführerin mit an Bord ist die israelische Rechtsanwältin Liat Tal. Ihre Firma Liat Tal Consulting wurde laut Webseite »gegründet mit dem Zweck, Investoren den Eintritt in den deutschen Immobilienmarkt zu erleichtern«.
Für die Bewohner der Mittenwalder Straße 47 dürfte es egal sein, zu welchem Zweck ihre Wohnungen verkauft werden. Noch wurden keine direkten Versuche unternommen, die nicht ohne weiteres kündbaren Privatmieter zu vertreiben. Doch die einzige leerstehende Wohnung im Haus wird im Internet bereits als »sofort bezugsfrei« angeboten. Zu einem Quadratmeterpreis von 3.100 Euro.
Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2013.