Comeback zum 25. Jubiläum

Karneval der Kulturen lockt Hundertausende nach Kreuzberg

Tänzerinnen und Tänzer der Gruppe #WAS BEWEGT DICH beim Karneval der KulturenZum 25. Mal tanzte sich der Karneval der Kulturen durch Kreuzberg. Foto: phils

Es war fast wie früher – und dann doch irgendwie anders. Vier Jahre hatte der Karneval der Kulturen auf seine 25. Auflage warten müssen – und alle schienen froh, dass das bunte Treiben nach Kreuzberg zurückgekehrt ist.

Aber es war eben doch nicht ganz so wie früher. Dass der Zug am Pfingstsonntag gefühlt in die falsche Richtung unterwegs war, ließ sich ja noch leicht verschmerzen, zumal das Experiment schon beim letzten Karneval gewagt wurde. Ungewohnt war indes der Startpunkt: Gneisenaustraße Ecke Zossener Straße. Der Grund dafür war ein bitterer. Von den über 90 Gruppen vergangener Jahre sind gerade mal 48 übrig geblieben. 2.500 Menschen beteiligten sich an der Parade bis zum Hermannplatz. Das reichte immerhin für ein siebenstündiges Spektakel. So lange dauerte es, bis die letzte Gruppe die Grenzen von Neukölln erreicht hatte. Die Halbierung des Zuges fiel so gesehen gar nicht so richtig auf. 

Doch warum ist der Zug plötzlich so geschrumpft? Tatsächlich können sich viele Gruppen den finanziellen Aufwand nicht mehr leis­ten. In einem Interview mit dem rbb am Rande des Zuges erklärte Edson Marcelino da Rocha jr von der Furiosa Samba Band: »Mein Wunsch an die Politiker und die Investoren wäre, dass sie ein bisschen mehr uns unterstützen. Wir brauchen Platz und ein bisschen mehr Geld gehört auch dazu.«

Ein Wunsch, der bislang nach jedem Karneval geäußert wurde, aber offensichtlich bislang ungehört verhallte, wie die Halbierung der Gruppen beim Umzug vermuten lässt.

Und einfacher wird es nicht. Der Versuch, dieses Mal auf jegliche motorisierte Unterstützung zu verzichten, war zwar einerseits ein eindrucksvolles umweltpolitisches Statement.

Teilnehmer hoffen auf größere Unterstützung

Andererseits braucht es mindestens acht Leute, um einen großen Wagen durch den Umzug zu ziehen. Es könnte also sein, dass die Zahl der Wagen in Zukunft weiter abnehmen wird.

Während die Teilnehmer des Zuges mangelnde finanzielle Unterstützung beklagten, war manch ein Zuschauer am Straßenrand geschockt und besorgt um seine eigenen Finanzen. Zum Teil wurden für das KdK-Kultgetränk Caipirinha neun Euro aufgerufen. Eine simple Bratwurst war für fünf und eine Dose Bier für vier Euro zu haben.

Für Marie Höpfner, Vorsitzende von mog61 und Veranstalterin des Mittenwalder Straßenfests am 2. September, ein Unding. »Der Karneval der Kulturen ist ja auch ein multikulturelles Fest und dadurch auch ein Fest für Migranten. Viele von denen haben nur wenig Geld. Ausgerechnet sie können sich die Preise beim Karneval der Kulturen gar nicht mehr leisten.«

Die Kommerzialisierung und Professionalisierung des Festes, die schon 2019 mit dem neuen Veranstalter ihren Anfang genommen hatte, war auch dieses Mal Anlass zu manchen Diskussionen. Im Mittelpunkt  der Kritik standen neben den Preisen auch die ausgedehnten Straßensperrungen. Viele Besucher kamen nicht einmal zum Umzug durch, weil alle Zugänge gesperrt waren. Ärgerlich für viele Anwohner, etwa von Mittenwalder oder Zossener Straße. Sie bekamen nur Zugang zur heimischen Wohnung, wenn sie ihren Personalausweis vorzeigten. 

Am Ende wurden mehr als eine halbe Million Zuschauer auf dem Umzug gezählt. Am Ende waren die meisten froh, dass der Karneval zurück ist. Die Frage ist allerdings, für wie lange. In zwei Jahren wird das Straßenfest wegen Bauarbeiten auf dem Blücherplatz weichen müssen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2023.

Qualität vor Quantität

Wenn wie gerade der neue Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre erschienen ist, kann es auch schnell mal etwas voller werden in der Buchhandlung Kommedia. Das ist auch kein Wunder: Erstens kann sich Buchhändler Lutz Stolze über ein, wie er es nennt, »extrem informiertes, neugieriges und angenehmes Publikum« freuen. Und zweitens misst der Laden an der Stirnseite der Marheineke-Markthalle gerade einmal die 30 Quadratmeter, in die man auch durch die zwei großen Schaufenster hineinblickt – falls man es schafft, seinen Blick von der täglich aktualisierten Auslage im Fenster abzuwenden.
Doch die 30 Quadratmeter haben es durchaus in sich: Stolze und seine drei Mitarbeiterinnen halten eine sorgfältig kuratierte Auswahl aus den Unmengen von jährlichen Neuerscheinungen bereit. So gilt hier umso mehr das Prinzip »Qualität vor Quantität«, durchaus mit dem Ziel, den Leserinnen und Lesern auch einmal den Zugang zu etwas anspruchsvolleren Lektüren zu vermitteln.
Einen Großteil des Sortiments macht naturgemäß der Bereich Belletristik aus, viel davon auch von unabhängigen Verlagen. Dazu kommen etwa ein Drittel Sachbücher, vorwiegend zu aktuellen Diskussionsthemen, sowie eine kleine, aber feine Auswahl von Kinderbüchern.
Am Marheinekeplatz ist Kommedia übrigens seit 2004. 1981 war die Buchhandlung von acht Kommunikationswissenschaftsstudenten in der Bundesallee gegründet worden. Stolze kam 1985 dazu und übernahm das Geschäft zehn Jahre später.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2023.

Fachgeschäft für Fug und Unfug

1982 hatten Comics bei Teilen der Bevölkerung noch einen eher schwierigen Ruf, und so darf man die Eröffnung des Comic-Ladens Grober Unfug – damals noch in Friedenau – ebenso wie den Namen wohl durchaus als kulturpolitisches Statement verstehen. Seit 1986 ist das Geschäft am heutigen Standort in der Zossener Straße 33 zu finden, zudem gibt es seit Ende der Neunziger eine Filiale in Mitte.
Während in der Torstraße auch die Importabteilung beheimatet ist, besteht das Kreuzberger Sortiment überwiegend aus deutschsprachigen Titeln des inzwischen stark diversifizierten Comic-Markts: Viele franko-belgische Sachen sind dabei, darunter natürlich Klassiker wie Asterix oder Lucky Luke, die seit Ladengründung zum Sortiment gehören, aber auch andere Funnies wie Donald Duck, außerdem Superhelden-Comics und Mangas. Und natürlich Graphic Novels, die mit ihrer langen Erzählform dazu beigetragen haben, Comics als Kunstform salon- und feuilletonfähig zu machen. Um die 4.000 Titel finden sich auf den rund 60 m² Ladenfläche. Dazu kommt ein ausgewähltes Sortiment an Postern, T-Shirts und Sammelfiguren.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2023.

Der schnelle Weg zum Ausweis

So groß der Ärger in Berlin war, so groß war in den letzten Jahren der Spott im Rest der Republik. Dass Bürger hier zwei, drei, manchmal vier Monate warten müssen, um an einen neuen Personalausweis, einen Reisepass oder eine Geburtsurkunde zu kommen, wurde Symbol für eine dysfunktionale Verwaltung und bot Satiresendungen wie »extra 3« oder der »heute-show« jede Menge Material.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2023.

Phantastik-Beratungsstelle

Wer bei Fantasy nur an Tolkien und bei Science-Fiction nur an Raumschiff Enterprise denkt, sollte dringend mal zum Marheinekeplatz gehen und das Otherland besuchen. Die bereits 1998 eröffnete Buchhandlung (damals noch unter dem Namen UFO) hat sich ganz auf SciFi, Horror und Fantasy spezialisiert und ist damit eine der wenigen Anlaufstellen für Fans der Phantastik-Genres in Deutschland.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2023.

Wenn man trotzdem lacht

Dass man sich mit den Themen Depression und Suizid durchaus unterhaltsam und trotzdem tiefgründig auseinandersetzen kann, hat Sandra Reichert mit ihrem Debütroman »Der Himmel muss warten« mehr als deutlich gemacht (Rezension in KuK 10/2022). Mit Schmerzlust und Galgenhumor zeichnet die Autorin darin das Porträt einer Frau, die sich zurück in die Welt erzählt – gegen ihre Überzeugung, dass das Leben eine Zumutung ist. Wer bisher dachte, dass die Verhandlung von solcherlei Themen Humor verbietet, kann sich hier vom Gegenteil überzeugen und vom frechen, freien und bisweilen flapsigen Ton in den Bann ziehen lassen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2023.

Karneval wieder da, MyFest wohl nicht

Drei Jahre Corona-Pandemie mit Lockdowns und Kontaktbeschränkungen haben auch dazu geführt, dass die meisten der üblichen Straßenfeste drei Jahre lang nicht oder nicht wie gewohnt stattfinden konnten. 2023 werden die meisten Feste aber ihr Comeback feiern.
So kündigten die Veranstalter des Karnevals der Kulturen Anfang Januar an, dass es zum diesjährigen Pfingstwochenende wieder Straßenfest und Umzug geben werde. Um den durch Pandemie und Inflation gestiegenen Kosten entgegenzuwirken, werde der Umzug allerdings kürzer ausfallen als früher – wie man sich das genau vorstellen darf, ist indessen noch nicht bekannt. Der Ankündigung war ein Beteiligungsverfahren mit über 1000 Personen vorausgegangen, bei dem auch Alternativ­szenarios wie ein anderer Ort oder ein anderer Termin diskutiert worden waren. Zumindest beim eigentlichen Straßenfest wird die Ortsfrage voraussichtlich ab 2025 relevant, wenn auf dem Blücherplatz der Neubau der Amerika-Gedenkbibliothek entsteht.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2023.