Wo Bächlein durch Straßen fließen

Kreuzberger Konzept funktioniert in Freiburg seit 1000 Jahren

Ein Bächlein, das die Straße aufhübscht, scheint eine ziemlich revolutionäre Idee. Ist sie das? In Freiburg im Breisgau wurden die »Bächle«, die heute zum Stadtbild gehören, vor exakt 800 Jahren zum ersten Mal urkundlich erwähnt, sind tatsächlich aber schon knapp 1000 Jahre alt. Im Gegensatz zur Kreuzberger Bergmannstraße, wo der kleine Wasserlauf nur ein paar hundert Meter lang sein soll, plätschern in Freiburg die Bächlein fast 16 Kilometer durch Freiburgs Straßen.

In der Bergmannstraße soll mit den Wasserelementen »Regenwasser gefiltert, die lokale Temperatur geregelt und Lebensraum für Insekten geschaffen werden«.

Auch in Freiburg sollten die Bächle die Lebensqualität verbessern. Sie sollten Schmutz- und Regenwasser (aber kein Abwasser) ableiten und dienten im Zweifel auch als Quelle für Löschwasser bei Bränden.

Den Freiburgern sind ihre Bächle heilig. Sie gelten ebenso als Wahrzeichen wie das Münster oder das Martinstor. Ein Aprilscherz der Badischen Zeitung über die Zuschüttung der Bächle löste am gleichen Tag eine Bürgerinitiative aus.

Wenn das Bächlein erst mal hier fließt, sollte man die Freiburger Ratsverordnung aus dem 16. Jahrhundert beherzigen: »Und soll nymandt dhein mist, strow, stain in die bäch schütten«.

Themenschwerpunkt: Bergmannstraße

Die Zeit des Autos ist vorbei
Bezirk setzt klares Zeichen gegen motorisierten Verkehr
Was lange währt, wird autofrei
Die unendliche Geschichte um die Bergmannstraßen-Neugestaltung neigt sich dem Ende zu
Wo Bächlein durch Straßen fließen
Kreuzberger Konzept funktioniert in Freiburg seit 1000 Jahren
Zukunft Bergmannkiez
Ausstellung zur Neugestaltung
Das Bergmann-Labyrinth
Planungen für die Umgestaltung von Bergmann- und Chamissokiez
Das Ende der Begegnungszone
Kommentar

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2020.

Das Bergmann-Labyrinth

Der Entwurf des Bezirksamtes zur Verkehrsplanung in Bergmann- und Chamissokiez lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: Möglichst keine Autos.

Wenn die Planungen so umgesetzt werden, dann darf das Areal zwischen Columbia- und Mehringdamm, Gneisenau- und Lilienthalstraße mit Autos und LKW künftig nur noch von Anliegern befahren werden. In der Bergmannstraße wird ab der Nostitzstraße und bis einschließlich Marheinekeplatz eine Fußgängerzone eingerichtet, die nur zu bestimmten Zeiten für den Lieferverkehr offen steht und bis zur nächsten Kreuzung in Solms- und Schenkendorfstraße hineinreicht. Die Zufahrt zum Ärztehaus bleibt frei. So kann auch die Nostitzstraße erreicht werden, die wegen der vielen neuen Einbahnstraßen neben der Zufahrt Friesenstraße am Colum­bia­damm die einzige Möglichkeit ist, motorisiert in den westlichen Chamissokiez zu gelangen. Da der Chamissoplatz selbst samt den angrenzenden Abschnitten von Arndt- und Willibald-Alexis-Straße ebenfalls zur Fußgängerzone wird, gilt das nicht für die Blöcke östlich des Platzes, die mit dem Auto nur vom Columbiadamm angefahren werden dürfen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2020.

Karstadt wird Pop-up-Kaufhaus

Ist Signa ein Segen oder ein Fluch für den Karstadt am Hermannplatz? Für die Fraktion der Grünen, der Linken und der PARTEI in der BVV ist das eine klare Angelegenheit. Sie wollen nicht, dass das Unternehmen Signa den Bau am Hermannplatz abreißt und nach historischem Vorbild wieder neu baut.

Der Einfluss der Bezirksverordnetenversammlung ist indes sehr beschränkt, denn seit der Senat das Verfahren an sich gerissen hat, bleibt nicht viel mehr als eine Resolution zu verabschieden. Und die wurde mit 17 zu 11 Stimmen noch nicht einmal mit einer überwältigenden Mehrheit angenommen.

Derweil arbeitet das Unternehmen des österreichischen Investors René Benko unbeirrt weiter an einer Charmeoffensive, die im vergangenen Jahr ihren Anfang nahm. Damals wurde durch den Hinterhof des Kaufhauses eine Radstraße als Verbindung zwischen Hasenheide und Ur­ban­stra­ße angelegt. Hinzu kamen Radparkplätze und eine Fahrradwerkstatt. Signa signalisierte damit, dass es hinter der Verkehrswende steht.

Am 9. September folgt eine weitere Neuerung. Das dritte Stockwerk wird für ein halbes Jahr für eine ziemlich ungewöhnliche Aktion freigeräumt. Zum ersten Mal bietet dann ein Kaufhaus in Deutschland auf einer ganzen Etage Gebrauchtwaren an.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2020.

Das Blöde ist immer und überall

Ich kam ein paar Minuten zu spät zu meiner samstäglichen kolumnistischen Beratungsstunde. In Mitte war fast alles gesperrt gewesen, weil rund 20.000 Menschen dort allen Ernstes »für das Ende von Corona« demonstriert hatten, wie ich einem Plakat entnehmen konnte. Wie sie sich das vorstellten, war nicht recht verständlich, und dass keiner eine Maske trug, machte ihr eigenartiges Anliegen um so unglaubwürdiger. Immerhin, mit dem Sprechchor »Wir sind die zweite Welle« mochten sie recht haben. Es war erbarmungswürdig.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2020.

Wirecard und die Bankräuber vom Hermannplatz

Es gibt ja so lustige Beispiele für deutsche Redewendungen, die sich keinesfalls und niemals wörtlich ins Englische übersetzen lassen, etwa: »Er macht sich aus dem Staub.« Das gleiche gilt für »Schwer auf Draht sein«. Okay, es klingt etwas angestaubt und für die Jüngeren unter uns: Jemand, der schwer auf Draht ist, ist einfach ein smarter Typ.

Und genau da hätte man es doch merken müssen. Ein Start-up, das sich 1999 den Namen »Wirecard« gab: Da konnte doch schon etwas nicht stimmen. Drahtkarte? Bei mir weckt das bestenfalls die Assoziation zum »Singenden Draht«, der Telegrafenleitung, die über hunderte von Kilometern das dampfende Ross durch die amerikanische Prärie begleitet, durchaus spannend, durchaus innovativ – aber eben im 19. Jahrhundert innovativ.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2020.