»Schluss mit Bürgermeisterei«

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann will fürs Abgeordnetenhaus kandidieren

Bezirksbürgermeisterin Monika HerrmannMonika Herrmann (bei ihrer Wiederwahl vor vier Jahren). Foto: rsp

Schon vor über einem Jahr hatte Monika Herrmann angekündigt, dass sie bei der Berlin-Wahl 2021 nicht mehr für das Amt der Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg kandidieren werde. Damals klang das nach Rückzug aus der Politik, doch inzwischen ist klar, wo die Reise hingehen soll: ins Abgeordnetenhaus.

Eine Karriere in einem Leitungsjob, etwa als Senatorin, schwebt Herr­mann indessen nicht vor. »Wenn ich das wollte, könnte ich auch im Bezirk bleiben«, erklärt sie im Gespräch mit der KuK. Nach 15 Jahren als Bezirksstadträtin und (seit 2013) -bürgermeisterin sei »dann auch mal Schluss mit Bür­ger­meis­terei«.

Als inhaltlichen Schwerpunkt ihrer zukünftigen Arbeit sieht die Grünen-Politikerin die Verkehrs- und Mobilitätspolitik. Anfang 2020 hatte sie im Bezirk die Zuständigkeit fürs Straßen- und Grünflächenamt von ihrem Parteikollegen Florian Schmidt übernommen und mit dem Konzept der Pop-up-Radwege im Frühjahr prompt für berlin-, wenn nicht bundesweite Schlagzeilen gesorgt – und Nachahmer in anderen Bezirken und Großstädten gefunden. Doch für eine echte Verkehrswende müssten alle Bezirke in die Planung miteinbezogen werden, insbesondere auch die Außenbezirke, damit die dortigen Bewohner auch ohne Auto in die Innenstadt kommen. Wenn es um die Neuverteilung von Räumen ginge, beispielsweise beim Entfernen von Parkplätzen zugunsten einer Busspur, gäbe es letztendlich überall die gleichen Diskussionen, egal ob in Rudow, Marzahn oder Friedrichshain. »Verkehr ist wie Wasser«, sagt Herrmann, die selbst in einer eher ländlichen Gegend in Südneukölln aufgewachsen ist. Einzelne Kieze für den Durchgangsverkehr zu sperren und alles durch die Hauptstraßen zu leiten, wie das zum Beispiel zwischen Columbiadamm und Gneisenaustraße geplant ist, sei deshalb für sich genommen auch noch keine Lösung.

Den Bedarf für ein besseres Zusammenwirken von Senat und Bezirken sieht Monika Herrmann nicht nur im Bereich Verkehrspolitik, wo die Umstrukturierung der Senatsverkehrsverwaltung im vergangenen Jahr »bisher noch zu wenig« gebracht habe. Im September hatte sie gemeinsam mit ihrem Pankower Amtskollegen Sören Benn (Linke) und dem Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung Frank Nägele (SPD) die Diskussion über eine Verfassungsänderung angestoßen. Das Ziel: Eine Verwaltungsreform, die hierarchische Strukturen durch Zielvereinbarungen ersetzt und vor allem Zuständigkeiten klärt, um das häufig anzutreffende Behörden-Ping-Pong zu beenden. »Elterngeld gibt’s nicht im Roten Rathaus«, sagt Herrmann, aber wie lange eine Antragsbearbeitung dauern darf – und wie man die Zeitvorgabe einhält –, sollte Bestandteil einer solchen Zielvereinbarung sein. Dafür müssten den Bezirken dann wiederum entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. »Senatsverwaltungen müssen Verabredungen einhalten und umsetzen.« Schon aus historischen Gründen gehe es dabei auch immer »ganz viel um Macht«, erklärt Herrmann mit Verweis auf die Gründung von Groß-Berlin vor 100 Jahren.

Über die künftige Machtverteilung im Abgeordnetenhaus kann sie nur spekulieren, präferiert selbst aber ganz klar eine rot-rot-grüne Koalition – egal in welcher Konstellation, solange das Dreierbündnis aufrechterhalten werde. Allerdings hielte sie es für »fatal, wenn die SPD wieder Bau und Verkehr zurückbekommt.« Schwarz-Grün erteilt sie eine eindeutige Absage. Die Berliner CDU sei arg nach rechts gerückt und agiere unglaubwürdig.

Und wer soll ihr im Bürgermeisteramt nachfolgen? »Vermutlich jemand U50«, hofft die 56-Jährige. Auf jeden Fall sollte es eine Person sein, die sich traut, angstlos Politik zu machen. »Wer zuviel Angst hat vor Restriktionen und schlechter Presse, ist in Friedrichshain-Kreuzberg falsch.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2021.

»Rassismus« muss sichtbar werden!

Eine Analyse von mog61 e.V. in Kooperation mit Betroffenen / Zusammengetragen von Marie Hoepfner

Der gewaltsame Tod des US-Bürgers George ­Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis schockierte Menschen weltweit und löste zu Recht Debatten aus. mog61 Miteinander ohne Grenzen e.V. möchte mit diesem Beitrag am Diskurs teilnehmen. Obwohl wir Diskriminierungen aller Art ablehnen, widmen wir uns hier überwiegend dem Thema »Rassismus«, insbesondere gegenüber Schwarzen. Es geht darum, »Rassismus« sichtbarer zu machen und die Menschen zu sensibilisieren. Mit diesem Ziel haben wir Menschen anderer Hautfarbe, mit denen wir zu tun haben, gebeten, mit uns diese Doppelseite zu gestalten.

Die Menschen auf der Erde sind genetisch betrachtet fast gleich. Es gibt keine biologische Grund­lage für »Rassen«. Das Wort »Rassismus« setzen wir deshalb in Anführungszeichen.

»Rassismus« ist die Überzeugung, dass ein Beweggrund wie »Rasse«, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft die Missachtung einer Person oder Personengruppe oder das Gefühl der Überlegenheit gegenüber einer Person oder Personengruppe rechtfertigt. So lautet die Definition der Europäischen Kommission.

Schwarz, Schwarze, Schwarzer oder Schwarzer Mensch sind Begriffe, die wir als Selbstbezeichnung gerne benutzen. Schwarz ist ein politisches Statement! Schwarz sein ist ein Stück Identität! »Schwarz sein« bedeutet, dass Menschen durch gemeinsame Erfahrungen von »Rassismus« miteinander verbunden sind und auf eine bestimme Art und Weise von der Gesellschaft wahrgenommen werden.

Genau wie bei »Weiß« geht es bei »Schwarz« nie wirklich um die Farbe. Bezeichnet werden keine »biologischen« Eigenschaften, sondern gesellschaftspolitische Zugehörigkeiten. »Weiß« ist auch ein politischer Begriff. Er bezeichnet Menschen, die Privilegien, nämlich weiße Privilegien haben.

Wir benutzen auch die Selbstbezeichnung PoC (People of Color; Singular: Person of Color) und BPoC (Black and People of Color) oder BIPoC (Black, Indigenous and People of Color). Dazu zählen alle Farben und Schattierungen dieser Welt, auch Menschen aus Lateinamerika, Südafrika oder Asien.

»Rassismus« auch in Europa

In vielen EU-Ländern gibt es »rassistische« Diskriminierung. Dieser »Rassismus« ist viel mehr als die Äußerungen und Aktionen einzelner »Rassisten«, »Rassismus« ist Teil einer Struktur, einer systematischen, zum Teil auch unterschwelligen Diskriminierung. Er ist historisch gewachsen und institutionell verankert. Vier Beispiele:

• In Frankreich sind Übergriffe der Polizei auf afrikanische und arabische Jugendliche fast alltäglich. Der gewaltsame Tod des 24 Jahre alten Adama Traoré sorgt seit 2016 für Proteste. Vor ihm starben Amine Bentousi, Zyed Benna und Bouna Traoré, Amadou Kouné, Hocine Bouras, Lamine Dieng, Malik Oussekine.

• In Belgien kennen viele Kinder Leopold II. aus ihren Schulbüchern bis heute nur als Beschützer des Christentums und großen Modernisierer. Aber nirgendwo war die europäische Kolonialherrschaft so grausam wie im Kongo unter Leopold II.

• In Großbritannien werden seit 2018 Zuwanderer abgeschoben, die zwischen 1948 und 71 als Arbeitskräfte vor allem aus der Karibik auf die britische Insel kamen, die sogenannte »Wind­rush-Generation« – weil sie nie formal eingebürgert wurden.

• Auch in Deutschland hat »Rassismus« eine lange Geschichte – von Kant über Hegel, die den »rassistischen« Gedanken kultivierten, zu Kolonialismus, den Nazis und über die Nachkriegszeit bis in die Gegenwart.

Klischees und Vorurteile

»Rassismus« hat viele Gesichter und reicht von subtilem Alltags-»Rassismus« über institutionellen »Rassismus« durch politische Entscheidungen bis zu rechter Gewalt. Viele Menschen leiden in der Schule, am Arbeitsplatz, im Bus, auf der Straße unter Beschimpfungen und Diskriminierung. Klischees und Vorurteile spielen dabei eine große Rolle. Das erleben wir oft in der U-Bahn, wenn sich Leute wegsetzen, weil Schwarze vermeintlich streng riechen oder das Portemonnaie klauen könnten. Ein/e Schwarz-Europäer*in wird in der Regel immer gefragt, wo er/sie ursprünglich herkommt. Das ist ein ständiger Hinweis, nicht »wirklich« dazuzugehören. Oder es heißt: »Du kannst bestimmt gut singen und tanzen! Ihr Schwarze habt den Rhythmus doch im Blut!«

Ob bei der Wohnungs- oder Jobsuche, in der Schule oder Universität, im Gesundheitswesen, vor Gericht oder bei Polizeikontrollen – in all diesen Bereichen leiden Minderheiten unter institutionellem »Rassismus«. Besonders einschneidend ist der Ausschluss von nicht anerkannten geflüchteten Menschen vom Arbeitsmarkt.

Auch »rassistische« Polizeigewalt ist ein Problem. Die Initiative »Death in Custody« hat seit 1990 177 Fälle recherchiert, bei denen BPoC in Gewahrsam ums Leben gekommen sind. Ein Bericht des Europarats vom März 2020 be­legt, dass »Rassismus« ein weit verbreitetes Phänomen in Deutschland ist. Es ist die Rede von zunehmendem »Rassismus«, Islamophobie, rechtsextremen Angriffen, Racial Profiling, zu wenig Vertrauen in die Polizei und viel zu wenig Aufklärungsarbeit. Ein bekannter Fall ist der Tod des Sierra-Leoners Oury Jalloh 2005 in Dessau, der nach 15 Jahren immer noch nicht aufgeklärt ist. Marie


Jahrelang angestaute Wut und Trauer

Die Protestbewegung »Black Lives Matter« (BLM) begann schon 2013 in sozialen Medien wie Twitter mit dem Hashtag #Black­LivesMatter als Reaktion auf den Freispruch des Mörders von Trayvon Martin, um gegen Gewalt gegen Schwarze bzw. BIPoC zu protestieren. Und das ist auch gut so!

Vor allem von Rechten wird dem oft mit dem Slogan »All Lives Matter« (Alle Leben zählen) entgegengetreten – unter dem Vorwand, dass BLM ein Angriff gegen Weiße wäre. Damit soll diese Bewegung gegen »Rassismus« und Polizeigewalt zerredet werden.

BLM bedeutet nicht, dass das Leben von Schwarzen und Minderheiten mehr wert ist als das von anderen. Es heißt ja nicht »Only Black Lives Matter«! Wir wollen nur die Botschaft vermitteln, dass Schwarze Leben wichtig und wertvoll sind, genauso wie jedes andere Leben.

BLM ist ein aufrüttelnder Aufruf, der auf die Ungerechtigkeit hinweist und Raum für jahrelang angestaute Wut und Trauer gibt. Es geht um ein konkretes Problem, nämlich darum, dass Schwarze aufgrund ihrer Hautfarbe benachteiligt werden. Es macht immer noch einen Unterschied, wenn man mit einer nicht-weißen Hautfarbe auf die Welt kommt. Es geht um Alltags-»Rassismus« und strukturellen »Rassismus«! Manu

Endlich breite Öffentlichkeit

Inzwischen gehen auch in vielen europäischen Ländern Menschen auf die Straße. Sie solidarisieren sich nicht nur mit den Demonstrant*innen in den USA, sondern setzen auch ein Zeichen gegen »Rassismus« im eigenen Land. Es macht uns Schwarze Menschen stolz, dass auch nicht Schwarze Menschen »Black Lives Matter« unterstützen.

Aber warum erreicht die Bewegung erst jetzt eine breite Öffentlichkeit? Vielleicht weil viele junge Weiße mitmachen, die »Fridays for Future«-Generation, die sich tatkräftig gegen Diskriminierung und für Chancengleichheit einsetzt. Auch die Corona-Pandemie hat ein Gefühl für Solidarität herbeigerufen. Erstmals wird über Polizeireformen und überall in Europa über strukturellen »Rassismus« nachgedacht! Marianna

Nicht nur im Osten unerwünscht

Als ich vor 42 Jahren nach West-Berlin zog, galt meine dunkle Haut als Indischstämmige nur als ungewöhnlich. Oft wurde ich auf der Straße gefragt, woher ich käme. Damals spürte ich reine Neugier, keine Ablehnung. Nach dem Fall der Mauer merkte ich rasch, dass eine dunkle Hautfarbe im Osten unerwünscht war. Es gab viele negative Reaktionen: aggressive Bemerkungen über Ausländer, ich wurde in Restaurants »übersehen« oder nicht bedient, in Warteschlangen absichtlich »herausgepickt«, um genauer kontrolliert zu werden.

Nach dem Zuzug vieler Flüchtlinge 2015 erlebe ich eine neue Welle der Feindseligkeit, nicht nur im Osten. In Berlin wiederholt sich nun die Ausgrenzung, die es in früheren Jahrhunderten in ganz Europa gab. Britt

Straßen erinnern an Gräueltaten

Immer noch erinnern einige Straßennamen in Berlin an das alte deutsche Kolonialreich in Afrika. Die Lüderitzstraße, die Petersallee und der Nachtigalplatz sollen umbenannt werden. Namen von Kolonialherren, die für schreckliche Gräueltaten in den deutschen Kolonien in Afrika verantwortlich sind.

Adolf Lüderitz (1834-1886) gilt als einer der Anstifter zum Genozid an den Hereros und Namas (1904-1907). Carl Peters (1856-1918) gründete durch Betrug und Brutalität die Kolonie Deutsch-Ostafrika. Gustav Nach­tigal (1834-1885) legalisierte als »Reichskommissar für Westafrika« die ungesetzmäßige Landnahme in Namibia, Kamerun und Togo. Die Straßen sollen Namen von afrikanischen Widerstandskämpfern bekommen: Hendrik Witbooi (1830-1905), Cornelius Fredricks (1864-1907) und Ana Mungunda (1932-1959).

In Mitte soll der U-Bahnhof Mohrenstraße umbenannt wer­den. Das Wort »Mohr« erinnert an die Verschleppung minderjähriger Afrikaner an den preußischen Hof in Berlin. Nun sollte der Bahnhof nach dem russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka heißen. Aber Glinka war wohl veritabler Antisemit. Otmane


Zwei Gedichte von Landouma Ipé

Landouma Ipé ist politische Aktivistin, SpokenWord-Künstlerin und Schwarze Feministin. Foto: privat

Wie befreiend das ist

nicht in diesem Ton / nicht auf die­se Art / nicht gerade jetzt / nicht vor Zuhörern
nicht übertreiben / nicht überreagieren / nicht überinterpretieren / nicht so eine Nichtigkeit
nicht so laut / nicht so radikal / nicht so direkt / nicht schon wieder das gleiche Thema
Umzingelt von dies nicht / und jenes nicht / erinnere ich mich
an den Moment / als ich / Deinen uralten Kerker für mich für immer verließ
an den Moment / als ich / von Deiner Verneinung ward / unabhängig
an den Moment / als ich / mein mich selbst wertschätzendes Ich / aus mir selbst gebar
Unabhängig von dies nicht / und jenes nicht / und wie befreiend das ist / wahrhaftig goldig

Black Lives Matter – An Avid Act

Weil Gewalt an unsren Körpern / für ein Gerücht gehalten wird / ein Gerücht
weil penible Beamte mich migrantisieren / mir einimpfen möchten mich zu integrieren / mich
weil mir täglich graut / vorm Grenzregime das Geschwistern / den Garaus macht gen Meeresgrund / den Garaus
weil deutsche Deals mir / meinen eigenen Vater vorenthielten / meinen Vater
darum ist dies Banner / »Black Lives Matter« / statt »FU Deutschland« / an avid act of anger management / an avid act

 

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2020.

Aktenaffäre wird nun untersucht

SPD wirft Florian Schmidt Manipulation vor

Florian SchmidtFlorian Schmidt. Foto: psk

Hat er, oder hat er nicht? Die Frage, ob Baustadtrat Florian Schmidt Akten manipuliert hat oder nicht, ist nicht nur in Kreuzberg ein Aufreger. Selbst die in München erscheinende Süddeutsche Zeitung widmet dem derzeit vermutlich bekanntesten Kommunalpolitiker der Republik eine ganze Reportage.

Darin erfährt der Leser, dass in Schmidts Büro eine ihn selbst zeigende Karikatur im Stile Che Guevaras hängt. Damit scheint geklärt, mit wem sich der Stadtrat eher vergleicht: Mit Che oder mit Robin Hood. Als solchen hat ihn der Regierende Bürgermeister Michael Müller bezeichnet, und ihm auch noch ein »Mini-« vorangestellt.

All das sind die Folgen jener Aktenaffäre, die nun so hochkocht, dass sich Schmidt Rücktrittsforderungen, Strafanzeigen und einer Untersuchung der Senatsverwaltung des Inneren gegenüber sieht.

Im Grunde hängt alles mit der unkonventionellen Art zusammen, mit der Schmidt seit Jahren versucht, den Immobilienspekulanten beizukommen. Das Mittel des Vorkaufsrechts hat schon einige Male gegriffen und auch schon Inves­to­ren in die Knie gezwungen. Das Problem bei diesem Konstrukt: Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg kann die Immobilien, für die er das Vorkaufsrecht geltend macht, gar nicht alle selbst kaufen. Also wird das Vorkaufsrecht an solche Investoren weitergegeben, die im Sinne des Bezirks investieren, etwa mit Blick auf die Kreuzberger Mischung, vor allem aber bezahlbaren Wohnraum.

Es war allerdings auch abzusehen, dass Schmidt diese Art von weißen Rittern irgendwann einmal ausgehen würde.

Mit der Gründung von »Diese eG« sollte Abhilfe geschaffen werden. Als die SPD nun Unterlagen zum Kauf von Wohnungen durch »Diese eG« in der Rigaer Straße einsah, fiel ihr auf, dass sie einerseits falsch paginiert waren und dass auch Teile fehlten.

In einer gemeinsamen Fraktionssitzung von Grünen, Linken und SPD räumte Florian Schmidt das zwar ein, sah darin aber keine Manipulation oder ein Versäumnis. »Er wollte verhindern, dass die Inhalte von Akten von CDU und FDP instrumentalisiert und von einem Redakteur des Tagesspiegels zur politischen Agitation genutzt werden«, heißt es in einer Pressemitteilung der SPD.

In der gleichen Pressemitteilung von 17. Januar stellte die SPD dem Baustadtrat ein Ultimatum bis zum 27. Januar. Bis dahin solle er Einsicht in alle Akten geben, »sonst ist sein Rücktritt unvermeidbar.«

Allerdings wurde inzwischen die Senatsinnenverwaltung tätig. Innensenator Geisel verfügte die Bezirksaufsicht über den Baustadtrat.

Linke hält sich im Fall Florian Schmidt zurück

Konkret heißt das, dass die Vorgänge um die fehlenden Akten nun untersucht werden. Außerdem beschäftigt sich nun auch der Landesrechnungshof mit der »Diese eG«.

Die Grünen sprangen ihrem angeschlagenen Bezirksstadtrat natürlich bei. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann sieht auch keinen Grund dafür, dass Schmidt zurücktreten müsse. Allerdings fanden auch einige Parteifreunde Schmidts Wortwahl in der gemeinsamen Fraktionssitzung ein wenig unglücklich.

Ist Schmidt nun nachhaltig gefährdet oder ist alles nur wieder so ein berühmter Sturm im Wasserglas?

Für Außenstehende ist das nur schwer einzuschätzen. Interessant ist deshalb ein Blick auf den Dritten im Bunde der grün-rot-roten Konstellation im Bezirksamt.

In den vergangenen Monaten waren es stets die Linken, die, vor allem im Falle Bergmannstraße, Florian Schmidt oft sehr hart angegangen sind. Aus ihren Reihen ist jetzt eher beredtes Schweigen zu hören.

Es gibt allerdings Ausnahmen. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Knut Mildner-Spindler gab jüngst der Berliner Morgenpost ein Interview, in dem er unter anderem auch zum Fall Florian Schmidt befragt wurde. Auf die Frage, ob er auch Dokumente vor einer Akteneinsicht herausnehmen würde, meinte Mildner-Spindler, dass das ein ganz normaler Vorgang sei, weil es ja auch um schutzwürdige Belange Dritter oder das öffentliche Interesse gehe. Aber man müsse dann vor Einsichtnahme darüber informieren. Allerdings kann sich Mildner-Spindler nicht erinnern, dass sein Kollege im Bezirksamt dagegen verstoßen hätte.

Das Ultimatum der SPD ist ausdrücklich nicht vom Tisch, obwohl es durch die Untersuchungen von Innenverwaltung und Landesrechnungshof im Grunde überflüssig geworden ist. Wird man nämlich an diesen Stellen fündig und erkennt gravierende Fehler Schmidts, wird er sowieso zurücktreten müssen. Wird er allerdings durch die Untersuchungen entlastet, spielt das Ultimatum der SPD auch keine Rolle mehr.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2020.

Senat macht den Deckel drauf

Gesetz zum Mietenstopp soll im Januar beschlossen werden und rückwirkend gelten

Es war der Aufreger in den letzten Monaten, und viel ruhiger ist es um den Berliner Mietendeckel auch nicht geworden, seit ihn der Berliner Senat am 22. Oktober nun endgültig auf den Weg gebracht hat.

Das Abgeordnetenhaus soll Anfang des neuen Jahres über den Mietendeckel abstimmen, der dann rückwirkend zum 18. Juni diesen Jahres wirksam werden soll.

Im Gegensatz zu dem ersten Entwurf von Stadtentwicklungssenatorin Lompscher, der im Sommer bekannt wurde, ist die jetzige Vorlage entschärft worden. Viele Aussnahmeregelungen sollen zum Beispiel verhindern, dass Kleinvermieter durch den Mietendeckel über die Maßen belastet werden.

Doch im Wesentlichen gilt, dass die Mieten für fünf Jahre eingefroren werden. Aber es gibt Ausnahmen. So kann ab 2022 die Miete pro Jahr um 1,3 Prozent angehoben werden, wenn die Miete bis dahin unterhalb des Mietspiegels lag.

Auch Modernisierungen können nun wieder auf die Miete umgeschlagen werden, allerdings nur mit einem Euro pro Quadratmeter. Das soll verhindern, dass durch teure Luxussanierungen die Miete schlagartig explodiert. Kritiker hingegen befürchten, dass Wohnungen gar nicht mehr saniert werden, ja dass nicht einmal repariert wird.

Eine Tabelle gibt Auskunft darüber, wie hoch die Miete pro Quadratmeter in Zukunft sein darf. Das richtet sich nach Ausstattung und Baujahr der Wohnung. Die Lage spielt indes keine Rolle.

So bewegt sich die Mietenobergrenze zwischen 3,95 Euro/m² für eine 100 Jahre alte Wohnung ohne Bad und Sammelheizung bis hin zu 9,80 Euro/m² für eine Wohnung mit Erstbezug 2003 bis 2013 mit Sammelheizung und Bad.

Wer 20 Prozent mehr als in der Tabelle angegeben bezahlt, kann die Miete laut Senatsvorlage auch kappen. In diesem Fall spielt die Lage aber dann doch eine Rolle. In der Vorlage heißt es:

»Dabei werden Zu- und Abschläge für einfache Lage (-28 ct/m²), mittlere Lage (-9 ct/m²) und gute Lage (+74 ct/m²) berücksichtigt. Die Regelungen werden erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes angewendet.«

Es gibt auch noch einige andere Ausnahmen.

So findet sich in der Mietentabelle zum Beispiel folgende Ergänzung:

»Liegt der Wohnraum in Gebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen, erhöht sich die Mietobergrenze um einen Zuschlag von zehn Prozent.

Für Wohnraum mit moderner Ausstattung erhöht sich die Mietobergrenze um 1 Euro. Eine moderne Ausstattung liegt vor, wenn der Wohnraum wenigstens drei der folgenden fünf Merkmale aufweist: 1) schwellenlos von der Wohnung und vom Hauseingang erreichbarer Personenaufzug, 2) Einbauküche, 3) hochwertige Sanitärausstattung, 4) hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume und/oder 5) Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/(m²a).«

Inzwischen wird also munter über den Mietendeckel diskutiert und kaum noch über den Volksentscheid »Deutsche Wohnen enteignen«. Im Sommer noch hatte der Senat rundweg bestritten, dass der Mietendeckel und ein mögliches Enteignungsgesetz irgendetwas miteinander zu tun haben könnten.

Auf dem Landesparteitag der SPD hörte sich das nun allerdings ganz anders an. Die Genossen sollten darüber abstimmen, ob sich die SPD der Initiative anschließen solle oder nicht – sprich: ob auch sie für die Enteignung der gro­ßen Wohnbauunternehmen wie etwa Deutsche Wohnen oder Vonovia eintritt.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller sprach sich auf dem Parteitag klar dagegen aus. Und die Begründung lässt aufhorchen: » Wenn die SPD jetzt beschließt, wir sind für eine Vergesellschaftungsinitiative, wird der Mietendeckel untergeordnet«. Damit ist klar: Entweder Mietendeckel oder Enteignung.

Die Abstimmung lieferte dann ein ziemlich klares Ergebnis: 137 Genossen stimmten gegen das Enteignungsgesetz, 97 waren dafür.

Die Initiative »Deutsche Wohnen enteignen« reagierte enttäuscht und twitterte: »60% der Delegierten auf dem SPD #LPT19 haben gegen die Unterstützung unserer Kampagne gestimmt. Damit verpasst die SPD eine Chance, sich wirklich auf die Seite der Mieter*innen zu stellen.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2019.

Parklets in der Schwebe

Bezirksamt verhandelt mit Senatsverwaltung für Verkehr

»Bergmannstraße wird ihre Parklets wieder los«, jubilierte die BZ, und auch der gemeinhin als seriöser geltende rbb berichtete auf seiner Online-Plattform: »Vorzeitiges Aus der Begegnungszone Bergmannstraße«. Diese und andere Medien bezogen sich auf die Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vom 30. Januar. Dort hatte das Bezirksparlament für ein vorzeitiges Ende der Testphase in der Bergmannstraße votiert. Danach sollte schon im Juli Schluss sein, damit das Bergmannstraßenfest an seinem angestammten Ort bleiben könne.

Gegen die Stimmen der Grünen war das so beschlossen worden. Die Sache hat allerdings zwei Haken. Zum einen haben die Veranstalter des Jazzfestes bereits angekündigt, dass es dieses Jahr jenseits des Meh­ring­damms in der Kreuzbergstraße stattfinden soll. Damit gehr dem Antrag auf ein vorzeitiges Ende der Testphase aber ein zentrales Argument verloren.

Zum anderen kann die BVV zwar viel beschließen, ob das dann aber auch umgesetzt wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Im vorliegenden Fall hat das Bezirksparlament auf Antrag der Fraktion Die LINKE das Bezirksamt aufgefordert, die Erprobungsphase Ende Juli abzubrechen. Doch selbst wenn das Bezirksamt wollte, könnte es diesen Antrag nicht ohne weiteres umsetzen. Tatsächlich kann der Bezirk den Versuch in der Bergmannstraße nur gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Verkehr vorzeitig stoppen.

»Das können wir alleine ja gar nicht entscheiden«, betont die Pressesprecherin des Bezirks, Sara Lühmann. Für den  Beschluss der BVV gäbe es jetzt keinen Automatismus. Zunächst müsse geprüft und Gespräche geführt werden.

Auf eine Prognose, wiedie Gespräche zwischen Bezirk und Verkehrssenat ausgehen, wollte sich Lühmann indes nicht einlassen.

Schmidt will kiezorientierte Verkehrsplanung

Ob der Bezirk noch immer so hundertprozentig hinter den Parklets steht, ist nach der BVV-Sitzung im Januar so sicher nicht. Baustadtrat Florian Schmidt jedenfalls gab sich bei der Sitzung ziemlich defensiv und selbstkritisch. Er gab zu, dass das Projekt Begegnungszone einen schlechten Start gehabt habe. Da werden Erinnerungen an das Projekt Begegnungszone Maaßenstraße in Schöneberg wach. Es war die erste Erprobung einer Begegnungszone, eine zweite sollte eben in der Bergmannstraße folgen und auch ein dritter Versuch am Checkpoint Charlie war im Gespräch.

Ein vorzeitiges Scheitern der Begegnungszone Bergmannstraße könnte möglicherweise dazu führen, dass das Konzept Begegnungszone völlig beerdigt wird. Doch das will auch Schmidt nicht. Deshalb spricht er von einem größeren Verkehrskonzept, von einer »kiezorientierten Verkehrsplanung«. Von der Erprobung in der Bergmannstraße erhofft sich Florian Schmidt eine ganze Fülle von Erkenntnissen, die dann in solch eine »kiezorientierte Verkehrsplanung« einfließen könnte.

Während rund um die Bergmannstraße die gelben Parklets der Aufreger sind, wurde an der Schönhauser Allee eines der ersten beiden massiven Holzparklets aufgestellt, mit denen die Erprobung der Begegnungszone in der Bergmannstraße ihren Ausgang nahm. Doch auch am Prenzlauer Berg sind die Parklets noch nicht der große Hit.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2019.

Gegendarstellung

Gegendarstellung der Neue Riehmers Hofgarten GmbH zum Beitrag »Drohung gegen Spekulanten« vom 06.07.2018

Sie schreiben unter www.kiezundkneipe.de am 06.07.2018 unter der Überschrift »Drohung gegen Spekulanten« in Bezug auf Riehmers Hofgarten:

Bereits im vergangenen Jahr hatten die Eigentümer mit ihren Plänen, das Yorck-Kino abzureißen, von sich hören gemacht. Die dafür notwendige Genehmigung hatte der Bezirk jedoch nicht erteilt. Zwischenzeitlich gibt es einen neuen Plan für Abriss und Neubau, bei dem das Kino erhalten bliebe.

Zu dem hierdurch erweckten Eindruck, dass ursprünglich unsererseits geplant gewesen sei, das Kino nicht erhalten zu wollen, stellen wir fest:

Es war von Anfang an geplant, dass das Kino an gleicher Stelle fortbestehen soll.

Istanbul, den 10. Juli 2018

Neue Riehmers Hofgarten GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführer Osman Necdet Turkay und Gurhan Berker

Die Darstellung der Neue Riehmers Hofgarten GmbH ist richtig.
Die Redaktion

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2018.

Drohung gegen Spekulanten

Gut zwei Dutzend Wohnungen stehen in Riehmers Hofgarten leer – und das offenbar teilweise bereits seit Jahren. Anfang Juni sind die verantwortlichen Investoren, die 2012 vier der knapp 20 Häuser des Ensembles erworben haben, vom Bezirksamt aufgefordert worden, diesen Zustand zu ändern. Andernfalls drohen Zwangsmaßnahmen, die von Strafzahlungen bis zum Einsetzen eines Verwalters durch den Bezirk reichen. Möglich macht das das jüngst verschärfte Zweckentfremdungsverbot-Gesetz.

Anfang der Achtziger mit Steuergeldern saniert, jetzt ein Spekulationsobjekt: Riehmers Hofgarten. Foto: rsp

Bereits im vergangenen Jahr hatten die Eigentümer mit Abriss- und Neubauplänen von sich hören gemacht, die verschiedene Medien über den Fortbestand des Yorck-Kinos spekulieren ließen – dessen Existenz nach den Plänen der Eigentümer aber nie in Gefahr war. Baustadtrat Florian Schmidt fordert indessen eine Lösung, bei der auch bezahlbarer Wohnraum dauerhaft gesichert ist. »Wir lassen uns nicht erpressen«, zitiert ihn die taz. Er kann sich vorstellen, dass die Eigentümer einen Teil der Fläche an einen gemeinnützigen Eigentümer oder eine Wohnungsbaugesellschaft verkaufen, um dieses Ziel sicherzustellen.

Worum es den In­ves­to­ren geht, ist klar: Verdichtung. Denn je größer die Anzahl verkaufbarer Eigentumswohnungen, desto größer der erzielbare Gewinn. Der dürfte sich allerdings beträchtlich schmälern, wenn die Immobilie unter Zwangsmaßnahmen steht. Ein erstes Gespräch zwischen Eigentümervertretern und Bezirksamt hat es bereits gegeben. Bis Mitte Juli haben die Investoren jetzt Zeit, einen »plausiblen Vorschlag« zu machen, um die Maßnahmen abzuwenden.

Richtigstellung: In einer früheren Version dieses Artikels wurde der Eindruck erweckt, die Eigentümer hätten ursprünglich geplant, das Yorck-Kino nicht zu erhalten. Dazu stellen wir richtig: Es war von Anfang an geplant, dass das Kino an gleicher Stelle fortbestehen soll.
Die Redaktion

Bitte beachten Sie die Gegendarstellung der Neue Riehmers Hofgarten GmbH zu diesem Artikel.

Kommentar: Handbuch gefunden

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2018.

Politik goes Schankwirtschaft

Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises

In Bild und Ton: Alle Redaktionsgespräche gibt es auch komplett auf dem KuK-YouTube-Kanal. Foto: rsp

Wie vor jeder Bundestagswahl hat sich sie Kiez und Kneipe auch in diesem Jahr mit Direktkandidaten aus dem Wahlkreis getroffen, um zu erfahren, mit welchen Themen sie den Kiez auf Bundesebene vertreten wollen. In Form von öffentlichen Redaktionsgesprächen haben wir die Kandidaten der vier im Bundestag vertretenen Parteien zu Einzelgesprächen in Kreuzberger Kneipen eingeladen. Dabei mussten sich die Politiker nicht nur unseren kritischen Fragen, sondern auch denen der Zuschauer stellen.

Im Vordergrund der Gespräche standen Themen, die derzeit den Kiez bewegen: Die von den meisten als zahnlos empfundene Mietpreisbremse ebenso wie Fragen zur Drogen- und Flüchtlingspolitik. Angesichts des hohen Anteils türkischer Migranten in Kreuzberg – auch drei der vier Kandidaten haben türkische Wurzeln – interessierte uns bei allen Bewerbern um das Direktmandat auch ihre Einschätzung zur Lage in der Türkei.

Auch nach der Einschätzung der eigenen Wahlchancen haben wir gefragt. Denn nachdem der langjährige Inhaber des Direktmandats Hans-Christian Ströbele  (Grüne) dieses Jahr nicht mehr kandidiert, könnten die Karten durchaus neu gemischt werden.

Ströbeles Nachfolge anzutreten, hat sich Canan Bayram auf die Fahnen geschrieben, die derzeit für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt.

Anders als etwa Cansel Kiziltepe (SPD, seit vier Jahren im Bundestag) ist sie nicht über die Landesliste abgesichert, kann also nur per Erststimme in den Bundestag kommen.

Auch Timur Husein, momentan für die CDU in der Bezirksverordnetenversammlung und auf Listenplatz 9, hofft auf das Direktmandat.

Pascal Meiser (Linke) ist mit Platz 4 auf der Landesliste ebenfalls vermutlich auf die Erststimme angewiesen, wenn er in den Bundestag kommen will.

Erstmalig haben wir die Veranstaltungen auch komplett auf Video aufgezeichnet und auf unserem YouTube-Kanal veröffentlicht.

Hier geht’s zur YouTube-Playliste mit allen Redaktionsgesprächen.

Politik goes Schankwirtschaft
Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises
Vorhandene Gesetze besser durchsetzen
Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen
»Ich will die Leute vor mir hertreiben«
Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag
Canan Bayram tritt in große Fußstapfen
Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion
»Mehr war mit der CDU nicht drin«
Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2017.

»Mehr war mit der CDU nicht drin«

Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Cansel Kiziltepe beim KuK-Redaktionsgespräch im Gasthaus Valentin. Foto: cs

Unter den Direktkandidaten des Wahlkreises 83 geht Cansel Kiziltepe als einzige mit Bundestagserfahrung ins Rennen. Bereits vor vier Jahren war sie über die Landesliste der SPD ins Parlament eingezogen. Mit Platz 3 auf der diesjährigen Liste kann das Mandat der gebürtigen Kreuzbergerin auch bei der kommenden Wahl als sicher gelten, unabhängig vom Erststimmenergebnis.

Trotzdem kämpft die Diplom-Volkswirtin für das Direktmandat und eine linke Mehrheit im Bundestag. »Hans-Christian Ströbele war ein Phänomen«, sagt sie beim Gespräch mit Manuela Albicker und Robert S. Plaul im Gasthaus Valentin. Nun, da Ströbele nicht mehr kandidiere, glaube sie, »dass die Karten neu gemischt werden«.

Zu den Dingen, die sie in vier Jahren Bundestag gelernt habe, gehöre vor allem, dass man für Mehrheiten kämpfen und dafür auch Kompromisse eingehen müsse, auch wenn das schmerzhaft sein mag.

Zu diesen Kompromissen gehört etwa die Mietpreisbremse. »Mehr war mit der CDU nicht drin«, sagt Kiziltepe und drängt auf Nachbesserungen. Außerdem will sie sich dafür einsetzen, dass für Gewerbemieten vergleichbare Regeln gelten. In Kreuzberg setzt sie sich bei der Initiative »Bizim Kiez« für den Erhalt von Kleingewerbe im angespannten Immobilienmarkt ein.

Von der Situation in der Türkei ist Kiziltepe auch persönlich betroffen. »Ich kann dieses Land nicht mehr betreten, weil ich nicht weiß, was passiert«, sagt sie. Weil sie die doppelte Staatsbürgerschaft hat, wären die deutschen Behörden dann nicht mehr für sie zuständig. Erdoğans Verhalten habe »paranoide Züge«. Die bisherigen Reaktionen auf Erdoğans Politik findet sie zu lasch. »Man muss dann auch wirtschaftliche Förderungen und EU-Mittel einfach kappen.«

Wie schon beim Gespräch vor vier Jahren spricht sie sich für eine liberalere Drogenpolitik aus, weiß aber auch, dass ihre Einstellung zu einer kontrollierten Cannabis-Abgabe nicht von der ganzen SPD geteilt wird.

Dass es Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen gibt – vor allem auch in Regionen Deutschlands, die einen sehr geringen Migrantenanteil haben – führt sie darauf zurück, dass es an Begegnungsmöglichkeiten fehle. Deswegen ist sie auch froh, dass es in der großen Koalition gelungen ist, die Frist für das Arbeitsverbot von Flüchtlingen zu verkürzen. Im Bundestag habe sie gegen eine Verschärfung des Asylrechts gestimmt. »Pauschal Länder als ‚sichere Herkunftsländer‘ zu bezeichnen, halte ich für sehr schwierig«, sagt Kiziltepe, auch im Hinblick auf Menschen, die zum Beispiel wegen ihrer Homosexualität in nord­afri­ka­nisch­en Ländern verfolgt werden.

In der kommenden Legislatur möchte sie sich für mehr Steuergerechtigtkeit einsetzen und »in der Mietenpolitk noch viel erreichen«. Außerdem sei es ihr wichtig, gerade junge Menschen für das Thema Rentenpolitik zu sensibilisieren.

Klare Ansage in Koalitionsfragen: »Wie vor vier Jahren wünsche ich mir Rot-Rot-Grün.«

Das komplette Gespräch mit Cansel Kiziltepe:

Politik goes Schankwirtschaft
Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises
Vorhandene Gesetze besser durchsetzen
Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen
»Ich will die Leute vor mir hertreiben«
Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag
Canan Bayram tritt in große Fußstapfen
Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion
»Mehr war mit der CDU nicht drin«
Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2017.

Canan Bayram tritt in große Fußstapfen

Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion

Canan Bayram mit KuK-Redakteurin Manuela Albicker. Foto: rsp

Ohne Netz und doppelten Boden geht Canan Bayram für die Grünen ins Rennen um das Direktmandat des Wahlkreises 83. Ebenso wie ihr Vorgänger Hans-Christian Ströbele ist sie nicht über einen Platz auf der Landesliste abgesichert, sondern muss den Wahlkreis gewinnen, um in den Bundestag einzuziehen. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus ist ihr dieses Kunststück schon dreimal geglückt. 2006 zog die Rechtsanwältin – damals noch für die SPD – als Direktkandidatin für den Bezirk Friedrichshain ins Berliner Landesparlament ein. Nachdem sie dann 2009 wegen Konflikten mit den damaligen Senatoren Sarrazin und Körting zu den Grünen wechselte, gelang ihr auch 2011 und 2016 der direkte Einzug ins Abgeordnetenhaus.

Beim KuK-Redaktionsgespräch mit Ninell Oldenburg und Manuela Albicker im gut besuchten Heidelberger Krug ging es dann natürlich auch um die »großen Fußstapfen«, die Christian Ströbele hinterlässt. Bayram möchte mit ihren Hauptthemen die 15-jährige Arbeit ihres Vorgängers »ein Stück weit fortsetzen« – so steht sie für eine Friedenspolitik ohne Interventionskriege mit deutscher Beteiligung und ist gegen die Einschränkungen der Bürgerrechte durch Vorratsdatenspeicherung, Kameraüberwachung und andere Maßnahmen, die ihrer Meinung nach lediglich eine Illusion von Sicherheit schaffen.

Weitere Herzensangelegenheiten sind ihr die Migrationspolitik, insbesondere im Hinblick auf Geflüchtete, und das  Thema Gerechtigkeit im  Straßenverkehr – die Privilegierung von Autofahrern durch die StVO führe zur Verdrängung von anderen Verkehrsteilnehmern. In diesen beiden Bereichen wurde in Berlin viel Gutes in den Koalitionsverhandlungen beschlossen, meint Canan Bayram, und nun sei es an der Zeit, diese Themen auch auf Bundesebene anzugehen.

Ein Dauerbrenner in Berlin im Allgemeinen und im Bezirk im Besonderen sind die Themen Mieten und Verdrängung. Hier fordert Bayram, Wohn- und Gewerbemieten nicht getrennt zu sehen, sondern das Problem ganzheitlich anzugehen und im Zweifelsfall auch über das Thema Enteignung als Spekulationsbremse nachzudenken. Vorbild könnte hierbei das Bundesfernstraßengesetz sein. »Wer für Autobahnbau enteignen kann, kann auch für Wohnungen enteignen«, meint sie.

Angesprochen auf das Thema Drogenpolitik sieht sie keinen vernünftigen Grund, Cannabis nicht zu entkriminalisieren.

Und wie sieht sie ihre Chancen, das Direktmandat zu gewinnen?  »Ob Ströbele gewählt wurde, weil er eine lebende Legende ist und deutsche Geschichte mitgeschrieben hat oder es ein tatsächlich grünes Direktmandat ist, was ich gewinnen kann, wird sich zeigen«.

Das komplette Gespräch mit Canan Bayram:

Update: In einer früheren Version des Artikels und in der Print-Ausgabe hieß es versehentlich, Frau Bayram fordere, »im Zweifelsfall auch nicht über das Thema Enteignung (…) nachzudenken«. Das »nicht« ist natürlich zu viel, wie auch aus dem nächsten Satz klar werden sollte.

Politik goes Schankwirtschaft
Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises
Vorhandene Gesetze besser durchsetzen
Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen
»Ich will die Leute vor mir hertreiben«
Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag
Canan Bayram tritt in große Fußstapfen
Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion
»Mehr war mit der CDU nicht drin«
Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2017.

»Ich will die Leute vor mir hertreiben«

Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag

Pascal Meiser im Gespräch mit den KuK-Redakteuren Ninell Oldenburg und Robert S. Plaul. Foto: cs

Zum Redaktionsgespräch von Kiez und Kneipe erscheint Pascal Meiser betont locker in Jeans und weißem Hemd – und bestellt sich erstmal ein Bier im mit rund 40 Zuhörern gut besuchten »backbord« in der Gneisenaustraße.

Der 42-jährige Vorsitzende der Linken Friedrichshain-Kreuzberg will am 24. September direkt in den Bundestag gewählt werden und dort für die Interessen der Bürger des Wahlkreises 83 kämpfen. Der gebürtige Saarländer, der seit 1998 in Berlin und mit einer kurzen Ausnahme in Kreuzberg lebt, hat ziemlich kämpferische Ansichten zu brisanten Themen. Das war auch nicht anders zu erwarten bei den Linken, gerade im Wahlkampf.

Zu der nicht funktionierenden Mietpreisbremse sagt der diplomierte Politikwissenschaftler radikal: »Es war auch nicht gewollt. Und zwar von den Regierenden. Es gibt keine Konsequenzen bei Verstößen und zu viele Ausnahmeregelungen. Die deutsche Regierung sitzt auf dem Schoß der Immobilienbranche.«

Meiser hat erste politische Erfahrungen als Studierendenvertreter der FU Berlin und Gewerkschafter gesammelt. Seit 2010 ist er Leiter der Kampagnen-Abteilung der Linken, 2013 übernahm er den Vorsitz in Friedrichshain-Kreuzberg.

Eine strategisch-kämpferische Position nimmt er auch bei einem seinen Hobbys ein: In der sogenanten Altliga (Ü40) spielt er beim FSV Hansa 07 in Kreuzberg auf einer zentralen Mittelfeldposition vor der Abwehr. Er sagt mit einem Schmunzeln: »Ich bin ein unangenehmer Gegenspieler.«

Unangenehm möchte er auch für die jetzt Regierenden werden. »Ich will die Leute vor mir hertreiben.« Seine Stärke sieht er in seiner starken Hartnäckigkeit, zu seinen Schwächen fällt ihm seine Ungeduld ein.

Auf die Palme bringt den Linken die bisherige Steuerpolitik der Regierung: »Wir wollen an die Reichen und Superreichen ran und wollen die Vermögenssteuer wieder einführen. Denn die gab es bis 1997, das haben viele vergessen. Ab einer Million Vermögen fünf Prozent Steuer.« Und auch die Einkommensteuer möchte er auf das kohl’sche Niveau von 53 Prozent hochfahren. Beifall aus dem Publikum.

Applaus gibt es auch, als Meiser klare Kante gegen die deutsche Türkei-Politik zeigt. »Es ist ein Skandal, dass wir immer noch Milliarden an Erdoğan zahlen, die Lage in der Türkei ist dramatisch, und wir unterstützen indirekt, dass dort schleichend eine Diktatur installiert wird. Rheinmetall will dort jetzt sogar eine Waffenfabrik bauen. Merkel könnte und sollte das verhindern.«

Auch bei der geplanten Verdoppelung der Militärausgaben ist Meiser radikal: »Diese wahnwitzige Aufrüstungsspirale muss gestoppt werden.«

Der Vorsitzende der LINKEN hofft, dass er notfalls über Platz 4 der Liste in den Bundestag kommt. »Ich wünsche mir ein starkes Ergebnis für Die Linke – das erhöht den Druck auf die anderen Parteien.«

Das komplette Gespräch mit Pascal Meiser:

Politik goes Schankwirtschaft
Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises
Vorhandene Gesetze besser durchsetzen
Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen
»Ich will die Leute vor mir hertreiben«
Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag
Canan Bayram tritt in große Fußstapfen
Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion
»Mehr war mit der CDU nicht drin«
Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2017.

Vorhandene Gesetze besser durchsetzen

Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen

Timur Husein stellt sich den Fragen von KuK-Redakturin Ninell Oldenburg. Foto: cs

Im DODO in der Großbeerenstraße angekommen, bestellt sich Timur Husein erstmal eine Apfelschorle, bevor es vor einem kleinen Publikum losgeht.

Der CDU-Kanditat, der in Kreuzberg aufgewachsen ist und immer noch hier wohnt, ist Jurist. Der 36-Jährige sitzt seit bereits sechs Jahren in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg. Diese Zeit habe ihn gelehrt, welche Schwierigkeiten die Bürger vor Ort hätten. Geduld, die Husein als eine seiner Stärken nennt, müsse man haben, um Anliegen voranzutreiben und Probleme zu lösen. Eines dieser Probleme liegt für Husein in der hohen Arbeitslosigkeit im Bezirk. Dieser möchte er mit der Unterstützung der Start-up-Szene entgegenhalten, um eine Vollbeschäftigung zu erreichen. Außerdem sei eines seiner Ziele, viele neue Stellen bei der Polizei und dem Verfassungsschutz zu schaffen. Denn dies verfolgt neben den neuen Jobs auch sein größtes Anliegen: Mit »mehr Sicherheit« wirbt der Kandidat auf seinen Plakaten.

Ein weiteres Problem Kreuzbergs seien die steigenden Mieten. Wie bei vielen anderen Themen auch, sieht Husein die Lösung darin, die bestehenden Gesetze konsequenter durchzusetzen. Beim Gesetz zur Mietpreisbremse fordert er eine Darlegungspflicht der Altmiete.

Eine konsequente Haltung hat er zum Thema Abschiebungen. Wichtig für ihn sei, dass Asylbewerber, deren Antrag abgelehnt wurde, auch abgeschoben werden und sich nicht weiter illegal im Land aufhielten. Den Einwurf, dass Afghanistan eben auch als sicher gezählt werde, umgeht Husein geschickt mit der Aufzählung von Herkunftsländern wie dem Kosovo, aus denen nach der Einstufung als »sicher« kaum noch Asylanträge kämen und so ein großer bürokratischer Aufwand gespart werde.

Dass Menschen trotzdem Angst vor den gefühlten oder realen Problemen haben, die sich im Zusammenhang mit vielen neuen Geflüchteten ergeben, weiß der Kandidat. Er steht auch seiner eigenen Partei kritisch gegenüber, wenn er feststellt, dass die Einwohner von der Regierung nicht hinreichend informiert sondern vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Es sei wichtig, Menschen mit Ängsten gerecht zu behandeln und ernstzunehmen.

Mit den Cannabislegalisierungsplänen des Bezirks kann sich Husein nicht identifizieren. Er sehe ein, dass die Droge zu medizinischen Zwecken durchaus sinnvoll sein kann und erwähnt auch kritisch, dass sich seine Partei zu lange an einer festgefahrenen Sicht aufgehalten hat. Trotzdem sei Cannabis eine Droge, deren Legalisierung seiner Meinung nach auch die Legalisierung anderer, vielleicht härterer Drogen nach sich ziehen könne.

Dass seine Chancen in einem eher links orientierten Bezirk und mit Listenplatz 9 nicht gerade perfekt stehen, ist ihm bewusst. Falls es nicht reichen sollte, so Husein, sei er immer noch glücklich mit seinem Sitz in der BVV.

Das komplette Gespräch mit Timur Husein:

Politik goes Schankwirtschaft
Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises
Vorhandene Gesetze besser durchsetzen
Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen
»Ich will die Leute vor mir hertreiben«
Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag
Canan Bayram tritt in große Fußstapfen
Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion
»Mehr war mit der CDU nicht drin«
Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2017.

Wer kommt in den Bundestag?

Kiez und Kneipe lädt zu öffentlichen Redaktionsgesprächen ein

Eine gute Gelegenheit, die Direktkandidaten kennenzulernen: Kiez und Kneipe lädt zu öffentlichen Redaktionsgesprächen ein.

Die Bundestagswahl naht und wie vor jedem bundesweiten Urnengang lädt die Kiez und Kneipe Kreuzberg auch dieses Mal wieder die Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien ein.

Die Redaktion entwickelte das Format 2005. Jeder Kandidat wird seither einzeln in einer Kneipe befragt. Nach einem etwa dreiviertelstündigen Interview haben dann Gäste die Möglichkeit, Fragen an den Gast des Abends zu stellen.

Der scheidende Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele war nach seinem eigenen Bekunden immer ein großer Fan dieses Formates. »Normalerweise treffen wir Kandidaten uns vor der Wahl immer  auf einem Podium. Am Ende könnte jeder auch die Argumente der anderen heruntersagen«, sagte der Grüne einmal nach einer Veranstaltung im Too Dark. Zudem schätze er, dass jeder Kandidat in anderthalb Stunden ausreichend Zeit habe, seine Standpunkte ausführlich zu erläutern.

Hans-Christian Ströbele wird nicht mehr antreten. Ihn will Canan Bayram beerben, die sich am 22. August im Heidelberger Krug den Fragen der KuK stellt. Einen Tag später kommt die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe ins Valentin. Den Auftakt macht Timur Husein für die CDU am 15. August im Dodo. Pascal Meiser geht am 21. August im backbord für die Linke in den Ring.

Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 19:30 Uhr und dauern etwa 90 Minuten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2017.

Bezirk prüft Vorkaufsrecht fürs NKZ

Privater Investor bietet 60 Millionen für den Wohnblock am Kotti

Vom sozialen Brennpunkt zum Spekulations­objekt? Foto: rsp

Knapp 60 Millionen Euro sollen Medienberichten zufolge von einem privaten Investor für das »Zentrum Kreuzberg« geboten worden sein. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG unterlag in der Bieterrunde knapp.

Mit dem Verkauf droht den über tausend Bewohnern des in den Siebzigern als »Neues Kreuzberger Zentrum« (NKZ) errichteten Stahlbetonbaus mutmaßlich die Verdrängung. Deshalb will der Bezirk jetzt prüfen, ob und wie er sein Vorkaufsrecht ausüben kann, um die Umwandlung in ein Spe­ku­la­tions­objekt abzuwenden. Dieses bereits mehrfach angewandte Instrument ist allerdings ein »Vorkaufsrecht für Dritte«, das heißt, es braucht einen Käufer, der bereit und in der Lage ist, wenigstens einen Großteil des Kaufpreises aufzubringen. Im Falle einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft könnte der Senat dann mit dem Differenzbetrag aushelfen. Unklar ist auch, zu welchem Preis der Bezirk in den – noch gar nicht existierenden – Kaufvertrag einsteigen kann. Nur wenn der Kaufpreis deutlich über dem Verkehrswert liegt, könnte dieser angesetzt werden.

»Ich kann den Eigentümern nur dringend empfehlen, diesen Deal nicht tatenlos über sich ergehen lassen«, sagt Baustadtrat Florian Schmidt. Sollte es wegen Geltendmachung des Vorkaufsrechts zu einem Rechtsstreit kommen, könnte sich der über Jahre hinziehen.

Kommentar: Deutliches Warnsignal

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2017.