Vier gegen Ströbele

Kiez und Kneipe lädt Bundestagskandidaten zum Redaktionsgespräch ein

Die Klage, dass dem Bundestagswahlkampf die großen Themen fehlen, mag ja bundesweit berechtigt sein. Doch Kandidaten treten schließlich auch in einem Wahlkreis an, den sie im Erfolgsfall im Bundestag vertreten sollen. So gesehen gibt es natürlich in Kreuzberg eine ganze Menge Themen, mit denen Bundestagskandidaten konfrontiert werden können.

Bereits vor vier Jahren hatte die KuK alle Kandidaten der im damaligen Bundestag vertretenen Parteien zu öffentlichen Redaktionsgesprächen eingeladen. Alle waren dieser Einladung gefolgt. So auch in diesem Jahr, vor einem Wahlkampf, der zumindest in Kreuzberg einige Spannung verheißt.

Da ist zunächst einmal Hans-Christian Ströbele. Der einzige Grüne, der je durch ein Direktmandat in den Bundestag eingezogen ist, gilt nicht nur den Grünen inzwischen als Ikone. Bundesweit eher als kritischer Nachfrager in heiklen Untersuchungsausschüssen bekannt, ist er auch im Kiez sehr präsent. Ob als Vermittler im McDonaldsstreit, als Schlichter am Kotti oder als Mutmacher bei der Paddelparade. An Kreuzbergs bekanntestem Radler kommt kaum einer vorbei.

Das ist auch den anderen Parteien klar, die dieses Mal ausnahmslos Parteiprominenz ins Rennen schicken.

Die SPD setzt auf Björn Böhning. Der einstige Juso-Vorsitzende ist Sprecher der Partei-Linken und leitet in der Senatskanzlei das Grundsatzreferat. Er kann sich also der besonderen Unterstützung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit sicher sein.

Die Mitbegründerin von Bündnis 90 ist heute bei der CDU. Mit der Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld will die Union in Deutschlands grünstem Wahlbezirk Punkte machen. Mit einem überraschend guten Listenplatz ausgestattet könnte ihr auch ohne Sieg der Sprung in den Bundestag gelingen.

Ein wenig pikant wirkt der Fall FDP. Für sie kandidiert im Wahlkreis kein geringerer als der Landesvorsitzende Markus Löning. Der sitzt bereits im Bundestag und wäre wohl als Spitzenkadidat auf der Landesliste wieder gewählt worden. Doch diesen Platz hat ihm der Berliner Fraktionsvorsitzende Markus Lindner erfolgreich streitig gemacht. Löning verzichtete auf einen Listenplatz und kämpft nun tapfer als Direktkandidat.

Halina Wawzyniak kann es zwar in Sachen lokaler Prominenz nicht ganz mit ihrer Vorgängerin, der ehemaligen Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer aufnehmen, doch innerhalb der Linken spielt die Justitiarin der Bundestagsfraktion eine gewichtige Rolle. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende und Bezirksvorsitzende von Friedrichshain-Kreuzberg.

11.08. 19h Cantina Orange Markus Löning (FDP)
12.08. 18h Brauhaus Südstern Vera Lengsfeld (CDU)
18.08. 19h Too Dark Hans-Christian Ströbele (B90/Grüne)
24.08. 19h Mrs. Lovell Halina Wawzyniak (Die Linke)
25.08. 18h Gasthaus Valentin Björn Böhning (SPD)

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2009.

1:0 nach Rechenfehler

Die Kleingärtner am Gleisdreieck können nun doch erstmal bleiben

Kleingärtner im BVV-SaalEmpörung auf der Empore des BVV-Saals im Kreuzberger Rathaus bei der gemeinsamen Sitzung von Bau- und Sportausschuss. Foto: cs

Für die Kleingärtner am Gleisdreieck waren die letzten Wochen trotz Frühjahrswetter alles andere als entspannend. Ohne es vorher mit ihnen zu besprechen, hatte das Bezirksamt ihr Gelände zur Disposition gestellt. Bezirksbürgermeister Dr. Franz Schulz ließ ein Bauvorhaben für zwei wettkampfgerechte Trainingsplätze samt Funktionsräumen für den Sportverein Türkiyemspor auf die »überbezirkliche Dringlichkeitsliste« setzen und beantragte Mittel in Höhe von 5,5 Millionen Euro beim Senat. Nur ein Bruchteil der Parzellen wäre erhalten geblieben. Die anderen – und mit ihnen rund 300 Obst- und Laubbäume – wären der Planierraupe zum Opfer gefallen. Als die Laubenpieper Wind von den Plänen des Bezirks bekamen, waren sie entrüstet. »Es zeugt von mangelnder politischer Sensibilität, ausgerechnet eine interkulturelle Kleingartenkolonie und ein integratives mul­ti­eth­ni­sches Sportprojekt gegeneinander aufzustellen«, schreiben sie in einem Flugblatt. Seit gut 60 Jahren existiert die Kolonie, die von Bahnern nach dem Krieg auf den Trümmern des Potsdamer Güterbahnhofs aufgebaut wurde. »Nicht nur Prellböcke, Gleise und Kopfsteinpflaster erzählen von der Bahngeschichte, sondern auch die Kleingärten«, meint Kolonievorsitzender Klaus Trappmann. Waren es früher überwiegend Bahnarbeiter, die hier in ihrer kargen Freizeit Gemüse für den Eigenbedarf anbauten und einen Ausgleich zu ihrem harten Beruf fanden, so ist die »Kleingartenkolonie Potsdamer Güterbahnhof« heute bunt durchmischt – sowohl vom Alter her, als auch was die Herkunft angeht. Menschen aus neun Nationen verbringen hier ihre Freizeit miteinander.

Doch nun sollte all das vorbei sein. Zwar sind die Pläne, Sportanlagen auf dem Gleisdreiecksgelände zu errichten, nicht neu, bisher war man aber von Planungssicherheit bis mindestens 2014 ausgegangen. Doch nun ging alles ganz schnell: Nach dem Antrag beim Senat hatte das Bezirksamt dem Bauplanungsausschuss einen Beschluss für das Areal vorgelegt, der eine Umwidmung des Kleingartengeländes in der südwestlichen Ecke des Gleisdreiecks zu einer Nutzung als Sportfläche vorsah.

Fast zeitgleich offerierte die Senatsinnenverwaltung dem Sportverein Türkiyemspor den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Prenzlauer Berg als Heimatstadion – verbunden mit einer Finanzspritze für den notwendigen Umbau in Höhe von 6 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II. Damit hätte der Kreuzberger Traditionsverein nach 30 Jahren endlich einen festen Platz für Training und Turniere, ohne dass Kleingärten weichen müssten. Doch dann geisterte die Meldung durch die Presse, dass das Bauprojekt am Gleisdreieck trotzdem stattfinden solle.

Ein bisschen Idylle mitten in der Stadt

Foto: pskEin bisschen Idylle mitten in der Stadt Foto: psk

Von der gemeinsamen Sitzung des Bauplanungs- und Sportausschusses am 22. April erhofften sich die Kleingärtner eine Klärung und die Möglichkeit, ihren Standpunkt nochmal darzulegen.

Als ihr Anliegen dann endlich verhandelt wurde – zuvor ging es noch um zwei Friedrichshainer Wagenburgen, deren Bewohner ebenso zahlreich wie die Kleingärtner erschienen waren – ging alles einfacher als gedacht. Klaus Trappmann bekam Gelegenheit, auf die Wichtigkeit von Kleingärten hinzuweisen, die vom Bezirk scheinbar als »Vorhaltefläche für kommunale Bauprojekte« gesehen würden und mahnte die Beteiligung der Kleingärtner an, die bereits vor einem Jahr von der BVV beschlossen worden war.

Dann kam Bezirksbürgermeister Schulz zu Wort, der eingestehen musste, dass die Planung von der Realität überholt worden war: Zum einen wusste man damals nichts von den Plänen der Senatsinnenverwaltung, zum anderen habe man festgestellt, dass der Platz auf dem Gelände der Kleingärtner überhaupt nicht ausreichen würde, um wie geplant zwei wettkampfgerechte Sportplätze zu errichten. Wenn aber höchstens ein Platz möglich sei, käme man nicht auf eine Summe von über 5 Millionen Euro. Damit ließe sich das Bauvorhaben aber nicht über die Dringlichkeitsliste vom Senat finanzieren, sondern müsste vom Bezirk bezahlt werden. Zwar beharrte Bezirksstadträtin Sigrid Klebba auf den Bau wenigstens eines großen Platzes, doch da war die Entscheidung eigentlich schon getroffen. Schulz räumte ein, der Beschluss sei zurückzuziehen, und selbst die Vorsitzende des Sportausschusses Jutta Schmidt-Stanojevic hielt ein flammendes Plädoyer für die Laubenpieper und schlug vor, über alternative Orte wie etwa das Flughafengelände in Tempelhof nachzudenken.

Zum Glück ist das keine Entscheidung, die in Kreuzberg gefällt werden muss. Dort ist man jetzt wieder auf dem Stand von 2008.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2009.

Bälle vs. Bäume

Die Kleingärtner am Gleisdreieck wehren sich.

Foto: pskDie Kleingärtner am Gleisdreieck wehren sich. Foto: psk

Kreuzbergs einzige Kleingartenkolonie ist in Gefahr, denn der Bezirk plant, auf dem größten Teil des Koloniegeländes am Gleisdreieck zwei Trainingsplätze für den Sportverein Türkiyemspor zur bauen. Der Dringlichkeitsantrag an den Senat, der eine Abtrennung des Gebiets vom restlichen Bebauungsplan vorsieht, sieht ein Investitionsvolumen von 5,5 Millionen Euro vor. „Es zeugt von mangelnder politischer Sensibilität, ausgerechnet eine interkulturelle Kleingartenkolonie und ein integratives multiethnisches Sportprojekt gegeneinander aufzustellen“, sagt Klaus Trappmann, Vorsitzender der „Kleingartenkolonie Potsdamer Güterbahnhof“. Was die Kleingärtner ärgert, würde die Fußballer des populären Kreuzberger Vereins freuen, denn nach 30 Jahren hätten sie damit endlich einen festen Platz im Heimatbezirk. Nun allerdings hat die Senatsinnenverwaltung dem Verein Anfang April den Zuschlag für das Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportfeld in Prenzlauer Berg erteilt – gekoppelt mit einer Finanzspritze für den Stadionumbau in Höhe von 6 Millionen Euro aus dem Topf des Konjunkturpakets II. Doch trotzdem können die Laubenpieper noch nicht aufatmen. Laut einem Bericht der Berliner Morgenpost bleibt Bezirksbürgermeister Dr. Franz Schulz bei seinen Plänen für das Gelände zwischen S- und U-Bahn. Dann müsste ein Großteil der Parzellen dem Kunstrasen weichen – und damit auch rund 300 Obst- und Laubbäume.

In zehn Jahren reden wir weiter

Interessenbekundungsverfahren für die Rosegger-Schule gestoppt

Die Zukunft der ehemaligen Rosegger-Grundschule ist mal wieder völlig offen. Nachdem sich in BVV und Bezirksamt keine Mehrheit für einen der freien Träger gefunden hatte, die in dem Schulgebäude am Marheinekeplatz eine private Grundschule einrichten möchten, soll die Immobilie jetzt an die »Berliner Immobilienmanagement GmbH« (BIM) übergeben werden, wie Schulbezirksstadträtin Monika Herrmann gegenüber der KuK bestätigte.

Noch steht in den Sternen, was in den nächsten Jahren hinter diesen Toren passieren wird.	          

Foto: piNoch steht in den Sternen, was in den nächsten Jahren hinter diesen Toren passieren wird. Foto: pi

Die BIM ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Landes Berlin und verwaltet seit 2003 viele öffentliche Gebäude der Stadt. Sie tritt gegenüber den Nutzern der jeweiligen Immobilie – so zum Beispiel der Polizei und der Feuerwehr aber auch privatwirtschaftlichen Mietern wie Arztpraxen und Pflegestationen – als Vermieter auf und kümmert sich um die Bewirtschaftung der Gebäude.

Im Falle der ehemaligen Schule soll die BIM für zehn Jahre die Verwaltung übernehmen, da demographische Studien darauf schließen lassen, dass dann wieder Bedarf für eine weitere eigene Grundschule bestehen wird. Wer in der Zwischenzeit das Gebäude nutzen wird, ist noch völlig ungeklärt, da sich die BIM bei der Wahl seiner Mieter nicht vom Bezirk reinreden lässt. Lediglich größere Umbauten, die der späteren Nutzung als Schule entgegenstünden, könne er sich verbitten, erklärt Frau Meyer, Referentin der Baubezirkstadtsrätin Jutta Kalepky. Die wohl von den meisten Anwohnern favorisierte Nutzung als Ausweichquartier für die beiden überbelegten Nachbarschulen schließt Frau Meyer allerdings aus. »Die Reinhardswald-Grundschule und das Leibniz-Gymnasium leiden rein rechnerisch nicht unter Platzmangel«, sagt sie, denn gefühlte Enge und behördliche Berechnungsgrundlagen sind ganz verschiedene Dinge.

Außerdem sei es noch nicht klar, ob die BIM überhaupt bereit sei, das Schulgebäude zu übernehmen, denn die Verhandlungen beginnen erst Anfang März. Sollte es nicht zu einer Einigung kommen, geht das Interessenbekundungsverfahren mit den vier Interessenten in die nächste Runde. Noch sind alle potentiellen Privatschulträger im Rennen und die Bildungsdiskussion im Kiez ist noch lange nicht zu Ende.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2009.