Willkommen auf der Sonnenseite
Viele Menschen verlassen dieser Tage – vernünftigerweise – kaum mal die eigenen vier Wände, außer um einzukaufen oder sich vielleicht die aktuelle Ausgabe der Kiez und Kneipe (die es übrigens auch online gibt!) vor der Redaktion abzuholen. Und wenn man so aus dem Fenster schaut, dann wirkt das trübe Wetter auch nicht gerade einladend für längere Aufenthalte im Freien. Kaum mal scheint die Sonne für mehr als ein paar Stunden am Tag. Und doch ist sie da und der Erde näher als im Hochsommer – nur, dass sie derzeit vor allem die Südhalbkugel anstrahlt.
Wir wollen Euch trotzdem ein wenig Sonne in die Wohnungen zaubern und widmen unsere Mittelseiten diesen Monat dem Thema Sonne. Die Illustrationen stammen übrigens von der Pop-Art-Künstlerin Tutu, die mit ihrem Atelier »Tutus Welt« in der Mittenwalder Straße seit neuestem auch »Kunst to go« anbietet.
Jetzt aber viel Spaß mit unseren Sonnenseiten!
Sonne, Mond und Sterne
Zwischen Sonnenkult und Astronomie
Als universellem Energielieferanten kommt der Sonne eine existentielle Bedeutung für das Leben auf der Erde zu. Das war auch schon älteren Kulturen klar, und so ist die Liste der Sonnengottheiten lang und unübersichtlich, auch weil viele frühe Religionen sowohl Sonnen- als auch Lichtgottheiten verehrten und andere Aspekte (Krieg, Feuer …) mit der Sonne assoziierten. Oft spielt auch die Dualität zwischen Tag und Nacht, Licht und Schatten oder eben: Sonne und Mond eine wichtige Rolle, etwa beim aztekischen Sonnengott Huitzilopochtli, der beinahe einem Anschlag seiner Schwester, der Mondgöttin Coyolxauhqui zum Opfer gefallen wäre (sich aber bitter rächte).
Mit dem Aufkommen und der Ausbreitung monotheistischer Religionen verloren Sonnenkulte zunehmend an Bedeutung, doch ihre Spuren sind noch an vielen Stellen zu bemerken – am offensichtlichsten sicherlich bei der Festlegung des Weihnachtsdatums auf den damaligen kalendarischen Tag der Wintersonnenwende.
Nachdem sich die meisten Menschen auf der Welt einig waren, dass weder Erde noch Sonne Scheiben sind, gehörte zur Geschichte des Verhältnisses zwischen Mensch, Sonne und Religion bald die Frage, ob sich die Sonne um die Erde oder die Erde um die Sonne dreht. Inzwischen wissen wir, dass die Erde die Sonne umkreist (und der Mond die Erde) und dass die Sonne eigentlich bloß ein Stern unter vielen ist. Allein im (theoretisch) beobachtbaren Universum gibt es etwa 70 Trilliarden Sterne, von denen die Sonne uns allerdings mit Abstand ab nächsten ist: Die nächste »Sonne«, Proxima Centauri, ist etwa 268584-mal so weit entfernt.
Sonne im Kiez
Vom Aufgang der Sonne …
… bis zu ihrem Niedergang
Noch sind die Nächte länger als die Tage, was mindestens einen Vorteil hat: Wer auf Sonnenaufgänge steht, muss nicht ganz so früh raus. Im Februar geht die Sonne bei uns zwischen 7:49 Uhr am 1. Februar und 6:58 Uhr am 28. Februar auf. Dank dichter Bebauung ist es gar nicht so einfach, in Kreuzberg einen schönen Blick auf die aufgehende Sonne zu erhaschen. Selbst im Viktoriapark, oben am Nationaldenkmal, kündigt bestenfalls ein in hübschen Pastellfarben langsam heller werdender Morgenhimmel hinter den Silhouetten der Stadt den beginnenden Tag an. Etwas mehr zu sehen ist von den oberirdischen Bahnhöfen der U1 aus, und wer mit dieser bis zum Schlesischen Tor fährt und auf die Oberbaumbrücke schlendert, wird mit einem spektakulären Blick auf die Spree und die Molecule Men vor der aufgehenden Sonne belohnt.
Tatsächlich wird die Vermutung aber kaum trügen, dass ein größerer Teil der Kreuzberger den Nachtschwärmern angehört. Da ist dann eher der Sonnenuntergang gefragt. Das ultimative Sonnenuntergangserlebnis bietet die Admiralbrücke mit dem Blick über den Urbanhafen. Das dürfte zudem der bekannteste Geheimtipp für »Schöne Sonnenuntergänge in Berlin« sein. Hunderte teilen im Sommer das Erlebnis. Der Tag der Tage ist natürlich der 21. Juni. Da verabschiedet sich die Sonne in diesem Jahr am Urbanhafen um genau 21:33 Uhr.
Dreimal Sonnenschein
Die Geschichte der legendären Laugenbrezel
Wenn es um ein wenig Sonne in der dunklen Jahreszeit geht, darf die Brezel nicht fehlen, denn das Laugengebäck hat der Legende nach sogar viel mit der Sonne zu tun. Im 15. Jahrhundert lebte in Urach am Fuß der Schwäbischen Alb ein Bäcker namens Frieder. Der ließ sich zu einem nicht näher bekannten Frevel hinreißen, auf den der Tod stand.
Sein Fürst, der noch heute besungene Graf Eberhard im Barte, war bereit, Gnade walten zu lassen und gab Frieder drei Tage Zeit, ein Gebäck zu erfinden, »durch das die Sonne drei Mal scheint«. Doch Frieder fiel nichts ein, bis seine Frau auftauchte, eine energische schwäbische Hausfrau, die sich mit verschränkten Armen vor ihm aufbaute, wohl um ihm die Leviten zu lesen. Da wurde ihm klar, wie das Gebäck beschaffen sein musste. Er schlang den Teig zu der uns heute wohlvertrauten Form und legte sie auf ein Backblech. Doch die Katze des Hauses sauste durch die Backstube, stieß an das Backblech und versenkte den Teig in einer Wanne voll Lauge. Da eh schon alles zu spät war, schob Frieder das Blech mit den durchlaugten Brezeln in den Ofen. Und er tat gut daran. Dem Grafen mundete das Gebäck, durch das die Sonne drei Mal schien, und begnadigte den Bäcker Frieder wie versprochen.
Sonne für die Ohren
Eine Spotify-Playlist für trübe Tage
Auch in der Musik ist die Sonne von Alters her ein immer wieder gerne genutztes Sujet. Der berühmte Sonnengesang des Franz von Assisi aus dem 13. Jahrhundert (zu dem keine zeitgenössische Melodie überliefert ist) ist da weder das erste, noch das letzte Beispiel.
Wir haben die Themenseite zum Anlass genommen, ein paar Handvoll Stücke aus der populären Musik der letzen 100 Jahre herauszukramen, bei denen samt und sonders in der einen oder anderen Weise die Sonne im Mittelpunkt des Geschehens steht. Zusammengekommen ist ein buntes Potpourri von den Beatles bis Rammstein. Neben ein paar naheliegenden Klassikern mit Reggae-Feeling sind auch der definitiv schwächste Song von Udo Jürgens sowie ein paar weitere übliche Verdächtige und Überraschungen aus Pop, Rock, Punk, Chanson, Swing und Schlager dabei.
Unsere musikalischen Forschungsergebnisse haben wir in eine Playlist beim Streamingdienst Spotify überführt.
Wir wünschen viel Vergnügen mit über 90 Minuten (Tendenz steigend) sonniger Musik!
Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2021.