Und nochmal an die Urne

In 18 Kreuzberger Wahlkreisen wird die Bundestagswahl wiederholt

Die kombinierte Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl im September 2021 verlief in vielen Berliner Wahllokalen ausgesprochen chaotisch. Nachdem im Februar 2023 wegen der zahlreichen Wahlpannen bereits die komplette Berlin­wahl wiederholt werden musste, hat das Bundesverfassungsgericht nun entschieden, dass in 455 der insgesamt 2.257 Berliner Wahlbezirke auch die Bundestagswahl wiederholt werden soll, und zwar am 11. Februar 2024.

Wahlbezirk(e) Wahllokal Adresse PLZ
124, 125 Adolf-Glaßbrenner-Grundschule Hagelberger Str. 34 10965
225, 226 Aziz-Nesin-Grundschule Urbanstr. 15 10961
201 Bezirksamt FK Schlesische Str. 27A 10997
128 129 Charlotte-Salomon-Grundschule Großbeerenstr. 40 10965
204 Fichtelgebirge-Grundschule Görlitzer Ufer 2 10997
217 Hermann-Hesse-Gymnasium Böckhstr. 36 10967
210, 213, 214 Hunsrück-Grundschule Manteuffelstr. 79 10999
223 Jugendtreff Drehpunkt Urbanstr. 44 10967
116 Leibniz-Gymnasium Schleiermacherstr. 23 10961
224 Lemgo Grundschule Böckhstr. 5 10967
208 Rosa-Parks-Grundschule Reichenberger Str. 64 10999
318, 320 Stadtteilzentrum des Kotti e.V. Oranienstr. 34 10999

In Kreuzberg sind 18 Urnenwahlbezirke sowie die dazugehörigen 28 Briefwahlbezirke betroffen (siehe Tabelle). Wer sich nicht mehr an die Nummer seines Wahlbezirks erinnert, kann auf der Seite des Landeswahlleiters nach seiner Adresse suchen. Wahlberechtigt sind die Personen, die zum jetzigen Zeitpunkt in den entsprechenden Wählerverzeichnissen stehen – also auch in den Monaten nach der Bundestagswahl zugezogene Menschen, nicht aber solche, die mittlerweile anderswo wohnen.

Gewählt wird wie gewohnt mit der Erststimme ein*e Direktkandidat*in und mit der Zweitstimme die Landesliste einer Partei. Dabei stehen dieselben Personen zur Wahl wie zur Bundestagswahl 2021. Canan Bayram (Grüne), die mit großem Abstand das Direktmandat für den Wahlkreis 83 gewonnen hat, wird um dieses nicht bangen müssen. Anders sieht es beim Zweitplatzierten Pascal Meiser (Linke) aus, der bei einem deutlich schlechteren Abschneiden seiner Partei in Kombination mit einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung womöglich seinen über die Landesliste gewonnenen Sitz wird abgeben müssen. Cansel Kiziltepe (SPD), die ihr über die Landesliste ihrer Partei gewonnenes Bundestagsmandat mittlerweile zugunsten der Position als Berliner Senatorin für Arbeit und Soziales niedergelegt hat, steht ebenfalls wieder zur Wahl und müsste ggf. ihr Mandat ablehnen, wenn sie weiter Senatorin bleiben möchte.

Politik goes Schankwirtschaft

Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises

In Bild und Ton: Alle Redaktionsgespräche gibt es auch komplett auf dem KuK-YouTube-Kanal. Foto: rsp

Wie vor jeder Bundestagswahl hat sich sie Kiez und Kneipe auch in diesem Jahr mit Direktkandidaten aus dem Wahlkreis getroffen, um zu erfahren, mit welchen Themen sie den Kiez auf Bundesebene vertreten wollen. In Form von öffentlichen Redaktionsgesprächen haben wir die Kandidaten der vier im Bundestag vertretenen Parteien zu Einzelgesprächen in Kreuzberger Kneipen eingeladen. Dabei mussten sich die Politiker nicht nur unseren kritischen Fragen, sondern auch denen der Zuschauer stellen.

Im Vordergrund der Gespräche standen Themen, die derzeit den Kiez bewegen: Die von den meisten als zahnlos empfundene Mietpreisbremse ebenso wie Fragen zur Drogen- und Flüchtlingspolitik. Angesichts des hohen Anteils türkischer Migranten in Kreuzberg – auch drei der vier Kandidaten haben türkische Wurzeln – interessierte uns bei allen Bewerbern um das Direktmandat auch ihre Einschätzung zur Lage in der Türkei.

Auch nach der Einschätzung der eigenen Wahlchancen haben wir gefragt. Denn nachdem der langjährige Inhaber des Direktmandats Hans-Christian Ströbele  (Grüne) dieses Jahr nicht mehr kandidiert, könnten die Karten durchaus neu gemischt werden.

Ströbeles Nachfolge anzutreten, hat sich Canan Bayram auf die Fahnen geschrieben, die derzeit für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt.

Anders als etwa Cansel Kiziltepe (SPD, seit vier Jahren im Bundestag) ist sie nicht über die Landesliste abgesichert, kann also nur per Erststimme in den Bundestag kommen.

Auch Timur Husein, momentan für die CDU in der Bezirksverordnetenversammlung und auf Listenplatz 9, hofft auf das Direktmandat.

Pascal Meiser (Linke) ist mit Platz 4 auf der Landesliste ebenfalls vermutlich auf die Erststimme angewiesen, wenn er in den Bundestag kommen will.

Erstmalig haben wir die Veranstaltungen auch komplett auf Video aufgezeichnet und auf unserem YouTube-Kanal veröffentlicht.

Hier geht’s zur YouTube-Playliste mit allen Redaktionsgesprächen.

Politik goes Schankwirtschaft
Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises
Vorhandene Gesetze besser durchsetzen
Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen
»Ich will die Leute vor mir hertreiben«
Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag
Canan Bayram tritt in große Fußstapfen
Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion
»Mehr war mit der CDU nicht drin«
Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2017.

»Mehr war mit der CDU nicht drin«

Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Cansel Kiziltepe beim KuK-Redaktionsgespräch im Gasthaus Valentin. Foto: cs

Unter den Direktkandidaten des Wahlkreises 83 geht Cansel Kiziltepe als einzige mit Bundestagserfahrung ins Rennen. Bereits vor vier Jahren war sie über die Landesliste der SPD ins Parlament eingezogen. Mit Platz 3 auf der diesjährigen Liste kann das Mandat der gebürtigen Kreuzbergerin auch bei der kommenden Wahl als sicher gelten, unabhängig vom Erststimmenergebnis.

Trotzdem kämpft die Diplom-Volkswirtin für das Direktmandat und eine linke Mehrheit im Bundestag. »Hans-Christian Ströbele war ein Phänomen«, sagt sie beim Gespräch mit Manuela Albicker und Robert S. Plaul im Gasthaus Valentin. Nun, da Ströbele nicht mehr kandidiere, glaube sie, »dass die Karten neu gemischt werden«.

Zu den Dingen, die sie in vier Jahren Bundestag gelernt habe, gehöre vor allem, dass man für Mehrheiten kämpfen und dafür auch Kompromisse eingehen müsse, auch wenn das schmerzhaft sein mag.

Zu diesen Kompromissen gehört etwa die Mietpreisbremse. »Mehr war mit der CDU nicht drin«, sagt Kiziltepe und drängt auf Nachbesserungen. Außerdem will sie sich dafür einsetzen, dass für Gewerbemieten vergleichbare Regeln gelten. In Kreuzberg setzt sie sich bei der Initiative »Bizim Kiez« für den Erhalt von Kleingewerbe im angespannten Immobilienmarkt ein.

Von der Situation in der Türkei ist Kiziltepe auch persönlich betroffen. »Ich kann dieses Land nicht mehr betreten, weil ich nicht weiß, was passiert«, sagt sie. Weil sie die doppelte Staatsbürgerschaft hat, wären die deutschen Behörden dann nicht mehr für sie zuständig. Erdoğans Verhalten habe »paranoide Züge«. Die bisherigen Reaktionen auf Erdoğans Politik findet sie zu lasch. »Man muss dann auch wirtschaftliche Förderungen und EU-Mittel einfach kappen.«

Wie schon beim Gespräch vor vier Jahren spricht sie sich für eine liberalere Drogenpolitik aus, weiß aber auch, dass ihre Einstellung zu einer kontrollierten Cannabis-Abgabe nicht von der ganzen SPD geteilt wird.

Dass es Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen gibt – vor allem auch in Regionen Deutschlands, die einen sehr geringen Migrantenanteil haben – führt sie darauf zurück, dass es an Begegnungsmöglichkeiten fehle. Deswegen ist sie auch froh, dass es in der großen Koalition gelungen ist, die Frist für das Arbeitsverbot von Flüchtlingen zu verkürzen. Im Bundestag habe sie gegen eine Verschärfung des Asylrechts gestimmt. »Pauschal Länder als ‚sichere Herkunftsländer‘ zu bezeichnen, halte ich für sehr schwierig«, sagt Kiziltepe, auch im Hinblick auf Menschen, die zum Beispiel wegen ihrer Homosexualität in nord­afri­ka­nisch­en Ländern verfolgt werden.

In der kommenden Legislatur möchte sie sich für mehr Steuergerechtigtkeit einsetzen und »in der Mietenpolitk noch viel erreichen«. Außerdem sei es ihr wichtig, gerade junge Menschen für das Thema Rentenpolitik zu sensibilisieren.

Klare Ansage in Koalitionsfragen: »Wie vor vier Jahren wünsche ich mir Rot-Rot-Grün.«

Das komplette Gespräch mit Cansel Kiziltepe:

Politik goes Schankwirtschaft
Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises
Vorhandene Gesetze besser durchsetzen
Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen
»Ich will die Leute vor mir hertreiben«
Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag
Canan Bayram tritt in große Fußstapfen
Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion
»Mehr war mit der CDU nicht drin«
Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2017.

Canan Bayram tritt in große Fußstapfen

Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion

Canan Bayram mit KuK-Redakteurin Manuela Albicker. Foto: rsp

Ohne Netz und doppelten Boden geht Canan Bayram für die Grünen ins Rennen um das Direktmandat des Wahlkreises 83. Ebenso wie ihr Vorgänger Hans-Christian Ströbele ist sie nicht über einen Platz auf der Landesliste abgesichert, sondern muss den Wahlkreis gewinnen, um in den Bundestag einzuziehen. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus ist ihr dieses Kunststück schon dreimal geglückt. 2006 zog die Rechtsanwältin – damals noch für die SPD – als Direktkandidatin für den Bezirk Friedrichshain ins Berliner Landesparlament ein. Nachdem sie dann 2009 wegen Konflikten mit den damaligen Senatoren Sarrazin und Körting zu den Grünen wechselte, gelang ihr auch 2011 und 2016 der direkte Einzug ins Abgeordnetenhaus.

Beim KuK-Redaktionsgespräch mit Ninell Oldenburg und Manuela Albicker im gut besuchten Heidelberger Krug ging es dann natürlich auch um die »großen Fußstapfen«, die Christian Ströbele hinterlässt. Bayram möchte mit ihren Hauptthemen die 15-jährige Arbeit ihres Vorgängers »ein Stück weit fortsetzen« – so steht sie für eine Friedenspolitik ohne Interventionskriege mit deutscher Beteiligung und ist gegen die Einschränkungen der Bürgerrechte durch Vorratsdatenspeicherung, Kameraüberwachung und andere Maßnahmen, die ihrer Meinung nach lediglich eine Illusion von Sicherheit schaffen.

Weitere Herzensangelegenheiten sind ihr die Migrationspolitik, insbesondere im Hinblick auf Geflüchtete, und das  Thema Gerechtigkeit im  Straßenverkehr – die Privilegierung von Autofahrern durch die StVO führe zur Verdrängung von anderen Verkehrsteilnehmern. In diesen beiden Bereichen wurde in Berlin viel Gutes in den Koalitionsverhandlungen beschlossen, meint Canan Bayram, und nun sei es an der Zeit, diese Themen auch auf Bundesebene anzugehen.

Ein Dauerbrenner in Berlin im Allgemeinen und im Bezirk im Besonderen sind die Themen Mieten und Verdrängung. Hier fordert Bayram, Wohn- und Gewerbemieten nicht getrennt zu sehen, sondern das Problem ganzheitlich anzugehen und im Zweifelsfall auch über das Thema Enteignung als Spekulationsbremse nachzudenken. Vorbild könnte hierbei das Bundesfernstraßengesetz sein. »Wer für Autobahnbau enteignen kann, kann auch für Wohnungen enteignen«, meint sie.

Angesprochen auf das Thema Drogenpolitik sieht sie keinen vernünftigen Grund, Cannabis nicht zu entkriminalisieren.

Und wie sieht sie ihre Chancen, das Direktmandat zu gewinnen?  »Ob Ströbele gewählt wurde, weil er eine lebende Legende ist und deutsche Geschichte mitgeschrieben hat oder es ein tatsächlich grünes Direktmandat ist, was ich gewinnen kann, wird sich zeigen«.

Das komplette Gespräch mit Canan Bayram:

Update: In einer früheren Version des Artikels und in der Print-Ausgabe hieß es versehentlich, Frau Bayram fordere, »im Zweifelsfall auch nicht über das Thema Enteignung (…) nachzudenken«. Das »nicht« ist natürlich zu viel, wie auch aus dem nächsten Satz klar werden sollte.

Politik goes Schankwirtschaft
Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises
Vorhandene Gesetze besser durchsetzen
Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen
»Ich will die Leute vor mir hertreiben«
Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag
Canan Bayram tritt in große Fußstapfen
Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion
»Mehr war mit der CDU nicht drin«
Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2017.

»Ich will die Leute vor mir hertreiben«

Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag

Pascal Meiser im Gespräch mit den KuK-Redakteuren Ninell Oldenburg und Robert S. Plaul. Foto: cs

Zum Redaktionsgespräch von Kiez und Kneipe erscheint Pascal Meiser betont locker in Jeans und weißem Hemd – und bestellt sich erstmal ein Bier im mit rund 40 Zuhörern gut besuchten »backbord« in der Gneisenaustraße.

Der 42-jährige Vorsitzende der Linken Friedrichshain-Kreuzberg will am 24. September direkt in den Bundestag gewählt werden und dort für die Interessen der Bürger des Wahlkreises 83 kämpfen. Der gebürtige Saarländer, der seit 1998 in Berlin und mit einer kurzen Ausnahme in Kreuzberg lebt, hat ziemlich kämpferische Ansichten zu brisanten Themen. Das war auch nicht anders zu erwarten bei den Linken, gerade im Wahlkampf.

Zu der nicht funktionierenden Mietpreisbremse sagt der diplomierte Politikwissenschaftler radikal: »Es war auch nicht gewollt. Und zwar von den Regierenden. Es gibt keine Konsequenzen bei Verstößen und zu viele Ausnahmeregelungen. Die deutsche Regierung sitzt auf dem Schoß der Immobilienbranche.«

Meiser hat erste politische Erfahrungen als Studierendenvertreter der FU Berlin und Gewerkschafter gesammelt. Seit 2010 ist er Leiter der Kampagnen-Abteilung der Linken, 2013 übernahm er den Vorsitz in Friedrichshain-Kreuzberg.

Eine strategisch-kämpferische Position nimmt er auch bei einem seinen Hobbys ein: In der sogenanten Altliga (Ü40) spielt er beim FSV Hansa 07 in Kreuzberg auf einer zentralen Mittelfeldposition vor der Abwehr. Er sagt mit einem Schmunzeln: »Ich bin ein unangenehmer Gegenspieler.«

Unangenehm möchte er auch für die jetzt Regierenden werden. »Ich will die Leute vor mir hertreiben.« Seine Stärke sieht er in seiner starken Hartnäckigkeit, zu seinen Schwächen fällt ihm seine Ungeduld ein.

Auf die Palme bringt den Linken die bisherige Steuerpolitik der Regierung: »Wir wollen an die Reichen und Superreichen ran und wollen die Vermögenssteuer wieder einführen. Denn die gab es bis 1997, das haben viele vergessen. Ab einer Million Vermögen fünf Prozent Steuer.« Und auch die Einkommensteuer möchte er auf das kohl’sche Niveau von 53 Prozent hochfahren. Beifall aus dem Publikum.

Applaus gibt es auch, als Meiser klare Kante gegen die deutsche Türkei-Politik zeigt. »Es ist ein Skandal, dass wir immer noch Milliarden an Erdoğan zahlen, die Lage in der Türkei ist dramatisch, und wir unterstützen indirekt, dass dort schleichend eine Diktatur installiert wird. Rheinmetall will dort jetzt sogar eine Waffenfabrik bauen. Merkel könnte und sollte das verhindern.«

Auch bei der geplanten Verdoppelung der Militärausgaben ist Meiser radikal: »Diese wahnwitzige Aufrüstungsspirale muss gestoppt werden.«

Der Vorsitzende der LINKEN hofft, dass er notfalls über Platz 4 der Liste in den Bundestag kommt. »Ich wünsche mir ein starkes Ergebnis für Die Linke – das erhöht den Druck auf die anderen Parteien.«

Das komplette Gespräch mit Pascal Meiser:

Politik goes Schankwirtschaft
Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises
Vorhandene Gesetze besser durchsetzen
Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen
»Ich will die Leute vor mir hertreiben«
Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag
Canan Bayram tritt in große Fußstapfen
Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion
»Mehr war mit der CDU nicht drin«
Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2017.

Vorhandene Gesetze besser durchsetzen

Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen

Timur Husein stellt sich den Fragen von KuK-Redakturin Ninell Oldenburg. Foto: cs

Im DODO in der Großbeerenstraße angekommen, bestellt sich Timur Husein erstmal eine Apfelschorle, bevor es vor einem kleinen Publikum losgeht.

Der CDU-Kanditat, der in Kreuzberg aufgewachsen ist und immer noch hier wohnt, ist Jurist. Der 36-Jährige sitzt seit bereits sechs Jahren in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg. Diese Zeit habe ihn gelehrt, welche Schwierigkeiten die Bürger vor Ort hätten. Geduld, die Husein als eine seiner Stärken nennt, müsse man haben, um Anliegen voranzutreiben und Probleme zu lösen. Eines dieser Probleme liegt für Husein in der hohen Arbeitslosigkeit im Bezirk. Dieser möchte er mit der Unterstützung der Start-up-Szene entgegenhalten, um eine Vollbeschäftigung zu erreichen. Außerdem sei eines seiner Ziele, viele neue Stellen bei der Polizei und dem Verfassungsschutz zu schaffen. Denn dies verfolgt neben den neuen Jobs auch sein größtes Anliegen: Mit »mehr Sicherheit« wirbt der Kandidat auf seinen Plakaten.

Ein weiteres Problem Kreuzbergs seien die steigenden Mieten. Wie bei vielen anderen Themen auch, sieht Husein die Lösung darin, die bestehenden Gesetze konsequenter durchzusetzen. Beim Gesetz zur Mietpreisbremse fordert er eine Darlegungspflicht der Altmiete.

Eine konsequente Haltung hat er zum Thema Abschiebungen. Wichtig für ihn sei, dass Asylbewerber, deren Antrag abgelehnt wurde, auch abgeschoben werden und sich nicht weiter illegal im Land aufhielten. Den Einwurf, dass Afghanistan eben auch als sicher gezählt werde, umgeht Husein geschickt mit der Aufzählung von Herkunftsländern wie dem Kosovo, aus denen nach der Einstufung als »sicher« kaum noch Asylanträge kämen und so ein großer bürokratischer Aufwand gespart werde.

Dass Menschen trotzdem Angst vor den gefühlten oder realen Problemen haben, die sich im Zusammenhang mit vielen neuen Geflüchteten ergeben, weiß der Kandidat. Er steht auch seiner eigenen Partei kritisch gegenüber, wenn er feststellt, dass die Einwohner von der Regierung nicht hinreichend informiert sondern vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Es sei wichtig, Menschen mit Ängsten gerecht zu behandeln und ernstzunehmen.

Mit den Cannabislegalisierungsplänen des Bezirks kann sich Husein nicht identifizieren. Er sehe ein, dass die Droge zu medizinischen Zwecken durchaus sinnvoll sein kann und erwähnt auch kritisch, dass sich seine Partei zu lange an einer festgefahrenen Sicht aufgehalten hat. Trotzdem sei Cannabis eine Droge, deren Legalisierung seiner Meinung nach auch die Legalisierung anderer, vielleicht härterer Drogen nach sich ziehen könne.

Dass seine Chancen in einem eher links orientierten Bezirk und mit Listenplatz 9 nicht gerade perfekt stehen, ist ihm bewusst. Falls es nicht reichen sollte, so Husein, sei er immer noch glücklich mit seinem Sitz in der BVV.

Das komplette Gespräch mit Timur Husein:

Politik goes Schankwirtschaft
Öffentliche Redaktionsgespräche mit Direktkandidaten des Wahlkreises
Vorhandene Gesetze besser durchsetzen
Timur Husein will sich für mehr Sicherheit stark machen
»Ich will die Leute vor mir hertreiben«
Pascal Meiser möchte für Die Linke in den Bundestag
Canan Bayram tritt in große Fußstapfen
Die Direktkandidatin der Grünen stellt sich im Heidelberger Krug der Diskussion
»Mehr war mit der CDU nicht drin«
Cansel Kiziltepe kämpft für eine linke Mehrheit im Bundestag

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2017.

Wer kommt in den Bundestag?

Kiez und Kneipe lädt zu öffentlichen Redaktionsgesprächen ein

Eine gute Gelegenheit, die Direktkandidaten kennenzulernen: Kiez und Kneipe lädt zu öffentlichen Redaktionsgesprächen ein.

Die Bundestagswahl naht und wie vor jedem bundesweiten Urnengang lädt die Kiez und Kneipe Kreuzberg auch dieses Mal wieder die Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien ein.

Die Redaktion entwickelte das Format 2005. Jeder Kandidat wird seither einzeln in einer Kneipe befragt. Nach einem etwa dreiviertelstündigen Interview haben dann Gäste die Möglichkeit, Fragen an den Gast des Abends zu stellen.

Der scheidende Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele war nach seinem eigenen Bekunden immer ein großer Fan dieses Formates. »Normalerweise treffen wir Kandidaten uns vor der Wahl immer  auf einem Podium. Am Ende könnte jeder auch die Argumente der anderen heruntersagen«, sagte der Grüne einmal nach einer Veranstaltung im Too Dark. Zudem schätze er, dass jeder Kandidat in anderthalb Stunden ausreichend Zeit habe, seine Standpunkte ausführlich zu erläutern.

Hans-Christian Ströbele wird nicht mehr antreten. Ihn will Canan Bayram beerben, die sich am 22. August im Heidelberger Krug den Fragen der KuK stellt. Einen Tag später kommt die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe ins Valentin. Den Auftakt macht Timur Husein für die CDU am 15. August im Dodo. Pascal Meiser geht am 21. August im backbord für die Linke in den Ring.

Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 19:30 Uhr und dauern etwa 90 Minuten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2017.

Wahlkämpfchen in Kreuzberg

Irgendetwas ist anders bei diesem Wahlkampf. Zumindest drei Wochen vor dem Urnengang ist alles verdächtig ruhig. Selbst auf den Magistralen, die sonst das Hauptschlachtfeld des Kampfes der Megaplakate sind, findet man kaum Werbebotschaften der Parteien. Aussagekräftige schon gar nicht. Auch beim gemeinen Volk ist von Wahlkampffieber so gar nichts zu spüren.

Eigentlich schade für die Kandidaten. Denn der Bezirk hat dieses Mal richtig Glück. Die großen Parteien plus die Piraten schicken dieses Mal richtige gute und zu ihrer mutmaßlichen Klientel kompatible Kandidaten an der Start. Das gilt vor allem für SPD und CDU, die sich vor vier Jahren mit ihren Kandidaten Böning und Lengsfeld mal so richtig vergriffen hatten.

So macht wählen doch richtig Spaß, auch wenn der Wahlkampf bislang eher Wahlkämpfchen ist.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Das Interesse verlagert sich

Kandidaten der Außenseiter locken mehr Zuhörer an als früher

Warten auf den Kandidaten: An sechs Abenden interviewte die KuK Abgeordnete und solche, die es werden wollen.

Foto: philsWarten auf den Kandidaten: An sechs Abenden interviewte die KuK Abgeordnete und solche, die es werden wollen. Foto: phils

Sechs Kandidaten innerhalb von zweieinhalb Wochen stellten sich der Kiez und Kneipe in sechs verschiedenen Kneipen. Etwas mehr als einen Monat vor der Bundestagswahl konnten sich die Leser der KuK selbst ein Bild von denen machen, die sie in den nächsten Bundestag schicken sollen. Hans-Christian Ströbele ist dort schon – und zwar seit drei Legislaturperioden als einziger Grüner, der bislang direkt in den Bundestag gewählt wurde. Vor vier Jahren ist neben ihm auch noch Halina Wawzyniak von den Linken für den Wahlkreis 83 ins Parlament eingezogen.

Zu den Veranstaltungen der beiden Abgeordneten waren diesmal etwas weniger Interessierte gekommen, als in den Vorjahren. Dafür zogen die Kandidaten von SPD, CDU und FDP mehr Besucher an. Wegen ihrer Präsenz in der BVV und im Abgeordnetenhaus wurde dieses Mal auch der Kandidat der Piraten eingeladen.

Es gibt nur wenige, die ernsthaft daran zweifeln, dass der Grüne Hans-Christian Ströbele auch ein viertes Mal den Wahlkreis Friedrichhain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost direkt erobern wird. Ob er es allerdings erneut mit nahezu 50 Prozent schaffen wird, ist nicht ganz so sicher. Dagegen gibt es zwei gute Gründe – und die sind beide nicht nur jung und charmant, sondern offenbar auch sehr kompetent.

Halina Wawzyniak hat nicht nur vier Jahre im Bundestag geackert, sondern auch mit ihrem Wahlkreisbüro sehr starke Präsenz im Kiez gezeigt. Das könnte sich nun in einem höheren Stimmenanteil auszahlen.

Cansel Kiziltepe von der SPD wirbt nicht nur damit, dass sie ein Kiezkind aus dem Wrangelkiez ist. Die Volkswirtin beim VW-Konzern ist der perfekte Gegenentwurf zu den umstrittenen Thesen ihres Parteigenossen Thilo Sarrazin. Auf Platz fünf der Landesliste stehen ihre Chancen gar nicht mal so schlecht.

Für sie gilt wie für Halina Wawzyniak, die als fünfte auf der Linken-Liste ist: Es kommt darauf an, wieviel Direktmandate die jeweilige Partei in Berlin erringt und wieviele Zweitstimmen abgegeben werden, die letztlich über die Listenkandidaten entscheiden.

Vor vier Jahren hatte die einstige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld mit ihren tiefen Einblicken nicht nur Kanzlerin Angela Merkel irritiert, sondern mit ihren Ansichten auch konservative Wähler verstört. Der CDU-Fraktionsvorsitzende in der BVV Götz Müller könnte hier verlorenes Terrain ein wenig zurückerobern.

Nachdem vor vier Jahren der geschasste Landesvorsitzende der FDP, Markus Löning, im Wahlkreis 83 kandidierte, muss nun der einstige Büroleiter von Guido Westerwelle ran. Helmut Metzner stolperte über seine ganz persönliche Wikileaks-Affäre. Und so wird man das Gefühl nicht los, dass der 83er für die Liberalen so eine Art Strafwahlkreis darstellt.

Bleibt noch der Pirat Sebastian von Hoff – ein Schornsteinfeger. Wie er und seine Mitstreiter sich geschlagen haben, erfahren Sie in den folgenden Artikeln:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Die Volkswirtschaftlerin aus dem Wrangelkiez

Redaktionsgespräch mit der SPD-Kandidatin Cansel Kiziltepe

Aus dem Wrangelkiez in den Bundestag? Cansel Kiziltepe im Redaktionsgespräch mit der KuK.

Foto: rspAus dem Wrangelkiez in den Bundestag? Cansel Kiziltepe im Redaktionsgespräch mit der KuK. Foto: rsp

So etwas nennt man Standortvorteil. Auf dem T-Shirt ist es zu lesen, und auf den Buttons sowieso. Cansel Kiziltepe ist ein Kiezkind. Im Wrangelkiez groß geworden und dort auch sozialisiert, kennt sie die Probleme in SO36 nicht aus der Zeitung, sondern durch eigenes Erleben. Der Protest am Kottbusser Tor und die Initiative Kotti & Co. bekommen plötzlich einen Namen: Tante Hatice. Die Bundestagskandidatin der SPD spricht im Gasthaus Valentin über die Probleme ihrer Tante. Das hat etwas sehr intimes und authentisches – viel berührender, als das sperrige Wort Gentrifizierung.

Die 37-Jährige ist Volkswirtschaftlerin und weiß um die Exotik dieses Standes. Ihr sind aber die großen Zusammenhänge wichtig. Sollte sie in den Bundestag kommen, dann würde sie am liebsten in den Finanzausschuss gehen, erklärt sie. Doch wie stehen die Chancen von Cansel Kiziltepe? Die SPD hatte sie überraschend ohne Gegenkandidaten auf Rang fünf der Landesliste gehievt. Ob das reicht, liegt einerseits am Zweitstimmenergebnis und andererseits daran, wie viele Direktmandate die SPD in Berlin erreichen kann. Es gäbe ja noch einen anderen Weg in den Bundestag: Sie müsste ja nur Hans-Christian Ströbele schlagen. Kann sie das? Mit einem charmanten und etwas ironischen Lachen meint sie: »Na klar.« Doch im gleichen Atemzug versichert sie auch, dass Ströbele eine gute Arbeit mache. Respektlosigkeit oder Überheblichkeit ist ihre Sache nicht. Aber ihr Lächeln signalisiert auch: In ihrem wundersamen Kreuzberg gibt’s eben manchmal auch Wunder.

Hier ist der komplette Mitschnitt des Gesprächs mit Cansel Kiziltepe:

Das nächste Redaktionsgespräch – mit Götz Müller von der CDU – findet am Dienstag, dem 20. August um 19:00 Uhr im Galander inder Großbeerenstraße statt.

Standhaft und optimistisch

Halina Wawzyniak kämpft um ihren erneuten Einzug in den Bundestag

Halina Wawzyniak (Linke) im Gespräch mit der Kiez und Kneipe.

Foto: philsHalina Wawzyniak (Linke) im Gespräch mit der Kiez und Kneipe. Foto: phils

Vor vier Jahren sorgte sie für die große Überraschung im Wahlkreis 83: Halina Wawzyniak gelang über den vierten Platz der Linken-Landesliste der Einzug in den deutschen Bundestag. Wenn ihr das noch einmal gelingen sollte, wäre die Überraschung kaum weniger groß. Das räumte die 40jährige Juristin durchaus auch ein bei ihrem Besuch im »DODO« in der Großbeerenstraße. Dorthin hatte die KuK am Mittwochabend eingeladen. Allerdings zeigte sich Halina Wawzyniak auch durchaus kämpferisch. Warum soll diesmal nicht wieder das gelingen, was schon vor vier Jahren gelang? Damals sorgte sie mit einem ungewöhnlichen Wahlplakat bundesweit für Aufsehen. Dieses Mal kommt sie auf den Plakaten eher bieder daher. Doch das wird wohl kaum so bleiben. Sie hat wohl schon noch einen pfiffigen Pfeil im Köcher. Was für einen, wollte sie indes nicht verraten.

In den vergangenen vier Jahren arbeitete sie im Rechtsausschuss und war netzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Und hier, so glaubt sie, habe sie einiges bewegen können. War Netzpolitik vor vier Jahren im bundesdeutschen Parlament eher eine exotische Angelegenheit, haben inzwischen immer mehr Abgeordnete begriffen, wie wichtig das weltweite Netz ist, und sie holen sich auch immer häufiger Rat bei ihr. Gerade die Vorgänge um den amerikanischen Geheimdienst NSA haben aktuell wieder belegt, welche Bedeutung das Thema inzwischen gewonnen hat.

Darüber hinaus hat sie sich auch intensiv mit Kotti & Co. sowie dem Flüchtlingscamp am Oranienplatz beschäftigt. Und Neonazis haben sich mit ihr beschäftigt. Gleich drei Anschläge haben Rechtsradikale in den letzten vier Jahren auf ihr Bürgerbüro am Mehringplatz verübt. In allen Fällen gilt dann stets ihr Grundsatz: Man muss standhaft bleiben.

Hier ist der komplette Mitschnitt des KuK-Redaktionsgespräches:

Heute abend um 19:00 Uhr geht es weiter mit der SPD-Kandidatin Cansel Kiziltepe im Gasthaus Valentin.

Talk im Too Dark

Die Kiez und Kneipe sprach mit dem Grünen-Kandidaten Hans-Christian Ströbele

Gesprächsrunde im Keller. Hans-Christian Ströbele beantwortet die Fragen von KuK und Publikum.

Foto: philsGesprächsrunde im Keller. Hans-Christian Ströbele beantwortet die Fragen von KuK und Publikum. Foto: phils

In unserer Reihe der Öffentlichen Redaktionsgespräche haben sich die KuK-Redakteure Manuela Albicker und Peter S. Kaspar mit dem Grünen-Direktkandidaten Hans-Christian Ströbele unterhalten.

Groß vorgestellt werden musste der inzwischen 74-Jährige den zahlreichen Besuchern des Too Dark nicht. Vor elf Jahren hatte er überraschend das Direktmandat im Wahlkreis gewonnen und es zwei weitere Male verteidigt. Jetzt kandidiert zum vierten Mal. Doch was sagen seine jüngere Parteikollegen dazu? Die, so erklärt er, seien durchaus zufrieden mit seiner Kandidatur und hätten ihn schließlich auch mit über 90% gewählt. Sie wissen, dass der Erfolg auch sehr konkret an der Personalie Ströbele hängt und dass er sich nicht einfach durch jemand anderes ersetzen lässt.

Das mag unter anderem daran liegen, dass er den Eindruck vermittelt, sich nicht nur der Bundespolitik verschrieben zu haben. In Sachen Görlitzer Park schließt er sich der Forderung seiner Parteikollegin Monika Herrmann an, die einen Coffeeshop als Modellprojekt aufbauen will, um das Dealer-Problem in den Griff zu bekommen. Überhaupt setze er sich schon lange für die Legalisierung von weichen Drogen ein.

Ein anderes Problem, das den Kiez bewegt, sind steigende Mieten und die damit einhergehende Verdrängung von alteingesessenen Bewohnern. Beim Redaktionsgespräch vor vier Jahren hatte sich Hans-Christian Ströbele für gesetzliche Mietobergrenzen eingesetzt. Die gibt es zwar nach wie vor nicht, aber immerhin gehörten solche Obergrenzen inzwischen auch zu den Forderungen der Bundeskanzlerin – zumindest in der Wahlkampfphase.

War es beim letzten Mal unter anderem um die Vorratsdatenspeicherung gegangen, so beschäftigt derzeit eine weitaus größere Datensammlung Bürgerrechtler und Politiker: 500 Millionen Datensätze soll die NSA von Bürgern gesammelt haben. Ob die tatsächlich auch deutsche Bürger betreffen, vermag auch Ströbele, seit Jahren als Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremium zuständig für die Kontrolle der Geheimdienste, auch nicht zu sagen. Allerdings verweist er darauf, dass es von Seiten der NSA nach Edward Snowdens Enthüllungen bislang auch kein Dementi gegeben habe.

Konkreter wird es dann, als ein Zuschauer die Frage nach einer möglichen schwarz-grünen Koalition stellt. Dafür sähe er keine Grundlage. Zwar höre man manchmal selbst bei der CDU Forderungen beispielsweise nach Mindeslohn, aber, so Ströbele, „Ich glaube doch nicht im Ernst, dass die CDU den Mindestlohn umsetzt.“

Ausführlicher werden wir in der September-KuK berichten, aber vorab kann hier schon unser Audio-Mitschnitt angehört werden. Leider kam es bei der Aufnahme zu einer technischen Panne, so dass wir an dieser Stelle nur die zweite Hälfte der Veranstaltung veröffentlichen können. Wir bitten, das zu entschuldigen und geloben Besserung.


Das nächste Redaktionsgespräch findet am heutigen Dienstag, 13. August in der Cantina Orange statt. Zu Gast ist der FDP-Direktkandidat Helmut Metzner. Los geht’s um 19 Uhr.

KuK lädt die Kandidaten

Offene Redaktionsgespräche in sechs Kiez-Kneipen

An sechs Terminen werden wir mit den Direktkandidaten des Wahlkreises über ihre Positionen zu Bundes- und Lokalpolitik sprechen. Plakat: csAn sechs Terminen werden wir mit den Direktkandidaten des Wahlkreises über ihre Positionen zu Bundes- und Lokalpolitik sprechen. Plakat: cs

Die Bundestagswahl naht wieder. Am 22. September wird gewählt, und auch diesmal hat Kiez und Kneipe wieder die Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen. Es gibt dieses Mal allerdings eine Neuerung. Aufgrund ihres sensationellen Erfolges bei der Berlinwahl und der Tatsache, dass die Partei auch stark in der Bezirksverordnetenversammlung vertreten ist, wollen wir in diesem Jahr auch mit dem Kandidaten der Piraten diskutieren.

Die Spielregeln sind die gleichen wie immer: Die Kandidaten werden von unseren Redakteuren etwa 45 Minuten lang befragt. Dann ist das Publikum dran. Auch hier sind ca. 45 Minuten eingeplant.

Der Auftakt gebürt dem Doyen in der Runde. Hans-Christian Ströbele wird am 7. August um 19 Uhr in das Too Dark in der Fürbringerstraße 20a kommen. Er kennt das Format und die Location bestens und kommt auch jedes Mal gerne, weil ihm nach eigenem Bekunden beides sehr gut gefällt.

Tradition hat auch die Cantina Orange als Treffpunkt mit dem Kandidaten der FDP. Das hat allerdings nichts mit der Präferenz der Wirtsleute zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass Baden-Württemberg als das Stammland der Liberalen gilt. Und so ist auch Helmut Metzner in das Schwäbische Lokal in der Mittenwalder Straße eingeladen. Er kommt am 13. August ebenfalls um 19 Uhr.

Einen Tag später ist Halina Wawzyniak an der Reihe. Vor vier Jahren zog sie über die Landesliste überraschend für den Wahlkreis als Kandidatin der Linken in den Bundestag ein. Sie kommt am 14. um 19 Uhr ins Dodo in der Großbeerenstraße 32.

Für die SPD will Cansel Kiziltepe in den Bundestag einziehen. Wie sie das machen will, wird sie am 15. August ab 19 Uhr im »Gasthaus Valentin« in der Hasenheide erklären.

Für die CDU geht Götz Müller ins Rennen. Die KuK hat ihn für den 20. August um 19 Uhr in die Bar »Galander« in der Großbeerenstraße 54 eingeladen.

Da Piraten und Karibik irgendwie zusammengehören, liegt es auf der Hand, dass der piratische Kandidat Sebastian von Hoff im passenden Ambiente befragt wird.Im »Martinique« in der Monumentenstraße 29 steht er am 21. August ab 19 Uhr Rede und Antwort.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2013.

Ströbele scheitert knapp – an 50 Prozent

Halina Wawzyniak schafft Sprung in den Bundestag / Piraten mit Rekordergebnis

So sehen Sieger aus: Hans-Christian Ströbele gewinnt den Wahlkreis vor Halina Wawzyniak.

Foto: rsp/piSo sehen Sieger aus: Hans-Christian Ströbele gewinnt den Wahlkreis vor Halina Wawzyniak. Foto: rsp/pi

Man ist nie zu alt, um sich neue Ziele zu setzen. Zum Beispiel könnte es sich Hans-Christian Ströbele in vier Jahren, da ist er dann 74, zum Ziel setzen, als erster grüner Kandidat in seinem Wahlkreis die absolute Mehrheit zu holen. Dieses Mal ist er noch knapp daran gescheitert. Es fehlen ja nur noch 3,2 Prozent. Das sollte kein allzu großes Problem sein. Schließlich hat er sein Ergebnis von 2005 um satte 3,5 Prozent verbessert.

Bei dieser Bundestagswahl hat Ströbele im übrigen das drittbeste Ergebnis aller Kandidaten in Berlin eingefahren. Nur Gesine Lötzsch und Petra Pau von den Linken waren noch besser. Die dürfen sich auf eine Bereicherung ihrer Frauenriege aus Friedrichshain-Kreuzberg freuen: Halina Wawzyniak hat es über die Landesliste geschafft. Beim Treffen mit der KuK hatte sie noch über ihre Chance geflachst: »Ach, wir brauchen ja nur 20 Prozent der Zweitstimmen, dann schaffen wir es.« – Voila!

Zwar ist sie über Platz 5 der Landesliste in den Bundestag gekommen, doch auch im Bezirk hatte sie ein achtbares Ergebnis. Mit 17,5 Prozent eroberte sie Rang zwei im Wahlkreis, noch vor Björn Böhning von der SPD, der vier Prozentpunkte einbüßte und mit 16,7 Prozent ins Ziel ging.

Genau 15 Stimmen mehr als ihr Vorgänger Kurt Wansner hat Vera Lengsfeld gesammelt. Vielleicht schafft sie es ja auch noch in den Bundestag. Sie ist erste Nachrückerin.

Markus Löning konnte den Erststimmenanteil der FDP von 2,7 auf 4,1 Prozent fast verdoppeln.

Und dann gibt es da noch einen ganz besonderen Rekord zu vermelden: Das bundesweit beste Zweitstimmenergebnis feierte die neue Piratenpartei im Wahlbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Sechs Prozent holten die Piraten hier. Sie hatten auf einen Direktkandiaten verzichtet, um Hans-Christian Ströbele gewinnen zu lassen. Mit Erfolg: Ströbele erreichte an der Skalitzer Straße sein bestes je gemessenes Ergebnis mit 70,25 Prozent der Stimmen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2009.