Heftige Kritik am Kreisverband

Canan Bayram begründet Rückzug

Hans-Christian Ströbele schiebt sein Fahrrad, daneben Canan BayramCanan Bayram (hier mit Amtsvorgänger Ströbele) will nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Foto: Grüne Fraktion Berlin, Oliver Feldhaus

Nach der Ankündigung von Katrin Schmidberger, bei der kommenden Bundestagswahl als Grüne Direktkandidatin für den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost antreten zu wollen, hat sich jetzt die derzeitige Amtsinhaberin Canan Bayram zu Wort gemeldet.

»Nach gründlicher Prüfung habe ich mich gegen eine Kandidatur entschieden«, schreibt sie in einem Brief an die Bewohner des Wahlkreises. Ihr werde »immer weniger klar, wofür die Partei Bündnis 90/Die Grünen eigentlich steht«. Im Bundestag habe sie zwar – auch abweichend von der Fraktion – immer ihre eigene Überzeugung vertreten, Debatten würden aber »immer weniger inhaltlich geführt«, sodass es ihr schwerfalle, die getroffenen Entscheidungen nach außen zu vertreten. Die Fraktion nehme »weniger Menschenrechte als po­pu­lis­ti­sche Diskurse in den Fokus ihrer Arbeit«. So laufe sie Gefahr, lediglich als »Feigenblatt« zu fungieren. Bei den Debatten zum umstrittenen Sicherheitspaket gehörte Bayram dann auch zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes der Grünen-Basis an die eigene Parteispitze, die den Kurs in Sachen Asylpolitik scharf kritisiert.

Bayram kritisiert indessen nicht nur Parteispitze und Bundestagsfraktion, sondern geht auch mit ihrem eigenen Kreisverband ins Gericht. »Der bündnis-grüne Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg hat sich stark verändert und ist nicht mehr so in dem Wahlkreis vernetzt, wie er es früher war und wie es für meine politische Arbeit notwendig wäre«, heißt es in dem Brief weiter. »Die Gewähr für diskriminierungsfreie politische Arbeit kann vom Geschäftsführenden Ausschuss nicht geleistet werden und damit ist eine für mich notwendige Voraussetzung nicht mehr gegeben. Ich unterstütze keine der Kandidaten bzw. Kandidatinnen und werde den Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg nicht im Wahlkampf unterstützen.«

Canan Bayram sitzt seit 2017 für die Grünen im Bundestag. Wie ihr Vorgänger Hans-Christian Ströbele, der das Mandat seit 2002 innehatte, war sie damit zunächst die einzige direkt gewählte Abgeordnete ihrer Partei.

Dass Bayram nicht mehr antreten will, war bereits seit einiger Zeit bekannt, die massive Kritik an der eigenen Partei überrascht jedoch – auch in Anbetracht der Tatsache, dass ihre designierte Nachfolgerin Katrin Schmidberger vergangenen Monat noch versichert hatte, parteiintern sei »alles schick«. Schmidberger ist von ihrer Partei mittlerweile jedenfalls mit 120 von 194 abgegebenen Stimmen zur Direktkandidatin des Wahlbezirks gewählt worden. Bis zum Ende der Legislatur wird Bayram das Amt weiter ausüben.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2024 (auf Seite 7).

Bewerbung um die Grünen-Hochburg

Katrin Schmidberger will in die Fußstapfen von Hans-Christian Ströbele und Canan Bayram treten

Portrait von Katrin SchmidbergerKatrin Schmidberger will für den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost antreten. Foto: Vincent Villwock / Grüne Fraktion Berlin

Während es im Rest des Landes nach der Europa- und mehreren Landtagswahlen so schlecht um die Grünen bestellt ist, dass sich der Bundesvorstand der Partei genötigt sah, seinen Rücktritt zum November anzukündigen, geht der Bezirk ohne Weiteres als Grünen-Hochburg durch. Durchgängig seit 2002 gelang es zunächst dem 2022 verstorbenen Hans-Christian Ströbele und seit der Bundestagswahl 2017 Canan Bayram, das Direktmandat im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost zu erringen. Jahrelang war er gar der einzige Grüne Wahlkreis überhaupt.

In diese Fußstapfen möchte nun Katrin Schmidberger treten, die seit 2011 für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt. Nachdem sie zunächst über die Lan­des­lis­te ins Parlament einzog, kandidierte sie ab 2016 erfolgreich als Direktkandidatin für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg – und erreichte dabei stets über 40 Prozent der Stimmen.

Hans-Christian Ströbele schiebt sein Fahrrad, daneben Canan BayramDer Wahlkreis ist mit Hans-Christian Ströbele (2002, 2005, 2009, 2013) und Canan Bayram (2017, 2021) fest in Grüner Hand. Foto: Oliver Feldhaus

Bundespolitisch will sich Schmidberger vor allem mit dem Thema Mieten beschäftigen, auf das sie sich schon im Abgeordnetenhaus fokussiert hat. »Wir müssen den Berliner Wohnungsmarkt endlich wieder in faire Bahnen lenken«, erklärt sie. Mit dem Milieuschutz in fast allen Bezirken, mit dem Vorkaufsrecht, dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz und der Genossenschaftsförderung zum Ankauf von Wohnraum habe man zwar schon wesentliche Instrumente zum Einsatz gebracht. Dennoch habe sich die Lage für Mieter*innen weiter zugespitzt. »In den fast 13 Jahren als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses musste ich immer wieder feststellen, dass wir Städte zu oft politisch quasi ohnmächtig sind, Menschen wirklich vor Verdrängung zu schützen und Vermieter*innen zu angemessenem Wohnraum zu verpflichten.« Daher wolle sie die wohnungspolitische Wende gemeinsam mit den anderen Städten erkämpfen. »Wenn Berlin den Mietendeckel nicht selbst machen darf, dann müssen wir ihn für Berlin uns aus dem Bund eben holen.«

Doch zunächst einmal muss sich Schmidberger das Mandat und zuvor die Nominierung innerhalb ihrer Partei sichern. Die derzeitige Mandatsträgerin Canan Bayram war für ein Statement nicht zu erreichen, doch parteiinterne Zwistigkeiten scheint es nicht zu geben. Schmidberger versichert jedenfalls: »Ja, alles schick.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2024 (auf Seite 3).

Der Aufstand

Mehrheit der BVV straft Grüne beim Haushalt ab

Das Rathaus in der Yorckstraße mit dem BVV-Saal von außenDie Bezirksverordneten der Linken, der SPD und der CDU probten den Aufstand gegen die Grünen. Foto: psk

Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann war einigermaßen fassungslos. Über 50 Änderungsanträge waren für die Haushaltsvorlage eingegangen. 44 passierten die BVV meist gegen die Stimmen der stärksten Fraktion, die ihrerseits mit ihren eigenen Anliegen an den Fraktionen der LINKEN, der SPD und der CDU abprallte. 

Die Grüne Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann war sichtlich angefressen und sprach von einer schwarz-rot-roten Koalition. Noch während der Haushaltsberatungen suchte sie Rat bei ihrer Vorgängerin Monika Herrmann, die das Geschehen auf der Pressetribüne verfolgte. Dort saß mit dem früheren CDU-Fraktionsvorsitzenden Timur Husein ebenfalls ein altbekanntes Gesicht. Er nahm die Vorgänge eher schmunzelnd zur Kenntnis.

Was war da passiert? Wie die KuK aus den Reihen der BVV erfuhr, war das Vorgehen schon von langer Hand zuvor minutiös geplant worden. Die Fraktionsvorsitzenden und Haushälter der drei Fraktionen hatten sich unter größtem Stillschweigen getroffen und die Änderungen ausgehandelt. 

Dabei hatte es schon einen Warnschuss von der nicht involvierten FDP gegeben, die sich bereits eine Woche vor der Beratung öffentlich darüber beklagt hatte, dass nur die Etats der Grünen Bezirksstadträte wachsen, die der drei anderen gleich bleiben oder gar schrumpfen sollten.

Die Stadträte aber hüllen sich in Schweigen. Sowohl Andy Hehmke (SPD) als auch der stellvertretende Bezirksbürgermeister Oliver Nöll (LINKE) verwiesen auf das Prinzip: »Das Bezirksamt spricht mit einer Stimme«. Immerhin ließ sich Oliver Nöll auf Nachfrage ein erstaunliches Statement entlocken. Er lobte ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit dem neuen Bezirksstadtrat Max Kindler von der CDU im Bezirksamt.

AfD-Stimmen für die Grünen sind kein Thema

Gesprächiger zeigten sich da schon die BVV-Mitglieder, von denen aber keiner seinen Namen in der Zeitung lesen wollte. 

»Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde: Aber ich wünsche mir wirklich Monika Herrmann zurück«, heißt es von einem Mitglied der Linken. Ein anderer amüsiert sich über den Begriff schwarz-rot-rote Koalition: »Wenn das eine Koalition wäre, dann wäre sie ja wohl rot-rot-schwarz. Aber das Erstaunliche ist doch, dass es diese Zusammenarbeit gibt. Und das liegt einzig an den Grünen.«

Die Liste der Vorhaltungen ist lang: Immer wieder fallen die Worte »kompromissunfähig« oder »arrogant«. Besonders wird das an der Bezirksbürgermeisterin festgemacht. Diese, so heißt es aus SPD-Kreisen, reklamiere stets alle Erfolge aller Ressorts für sich. »Sie kann niemandem einen Erfolg gönnen«, lautet ein Vorwurf. Auch ihre Verlässlichkeit als politischer Partner wird mehrfach infrage gestellt. 

Dass sich niemand aus der BVV mit Namen zitieren lassen will, hat übrigens einen interessanten Grund. Man wolle ja weiter mit den Grünen zusammenarbeiten, heißt es. Die vermeintlichen Koalitionäre betrachten das Abstimmungsergebnis in erster Linie als einen Schuss vor den Bug und nicht als Abkehr von einer gedeihlichen Zusammenarbeit. 

Dass das ernst gemeint ist, mag eine kleine Petitesse am Rande zeigen. Während FDP und die PARTEI bei der Abstimmung gar nicht zugegen waren, hatten sich die Bezirksverordneten der AfD zumindest für kurze Zeit im Sitzungssaal eingefunden – und stimmten plötzlich jedesmal mit den Grünen, vermutlich in der Hoffnung, ihnen einmal über die Hürde zu helfen. Doch das ganz offensichtlich boshaft gemeinte Abstimmungsverhalten blieb ohne Erfolg. Wäre das nicht ein gefundenes Fressen für die angebliche Koalition gewesen? 

Doch aus der Ecke winken sie nur müde ab. »Den Grünen ist sicher viel vorzuwerfen, aber dafür, dass sich die AfD an sie rangehängt hat, können sie nun wirklich nichts.«

Verkehrssenatorin stoppt Radwegebau

Finanzierung »vorläufig« ausgesetzt

Radstreifen entlang der Zossener Straße (Höhe Heilig-Kreuz-Kirche) mit einem RadfahrerVermutlich »vorläufig« nicht gefährdet: Radstreifen in der Zossener Straße. Foto: psk

Update: Bezirk bezweifelt Rechtmäßigkeit des Stopps / Radweg in der Stallschreiberstraße wird gebaut (s.u.)

Es fing an mit ein paar E-Mails: Mitte Juni teilte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) den Bezirken mit, dass die neue Hausleitung – also Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) – darum bitte, geplante Radwegeprojekte auszusetzen, sofern dafür auch nur ein einziger Parkplatz oder ein Fahrstreifen für Autos wegfiele.

Schon einen Tag später ruderte Schreiner zurück: »nicht mehr als zehn Parkplätze auf 500m« seien einer Pressemitteilung zufolge dann doch akzeptabel, sofern Wirtschafts- und Lieferverkehr nicht erheblich beeinträchtigt würden und, weiterhin, keine Fahrstreifen wegfielen. Alle anderen Projekte würden »überprüft und priorisiert«.

Doch »priorisiert« heißt in dem Kontext: erstmal gestoppt.

In den Bezirken herrscht seitdem erhebliche Unsicherheit. Auch in Friedrichshain-Kreuzberg könnten mehr als zehn Projekte betroffen sein, teilte das Bezirksamt auf Anfrage mit, jedoch ließe »die Kommunikation der SenMVKU sehr viele Fragen offen«.

Bei Projekten wie der Stallschreiberstraße dürfte die von der Senatsverwaltung formulierte Ausnahme für Maßnahmen gelten, die die Schulwegsicherheit erhöhen. Tatsächlich hat die Senatsverwaltung den Stopp für diesen Radweg am Dienstag zurückgenommen. Anderswo jedoch, etwa in der Urbanstraße und der Oranienstraße, ist fraglich, welche Zukunft die­se Projekte haben. Hier läuft die Vorplanung teilweise bereits seit Jahren. Doch mit der »Bitte« der Senatsverwaltung sei auch ein vorläufiges Aussetzen der Finanzierungszusagen verbunden, erklärte Verkehrsstadträtin Annika Gerold (Grüne). Ein entsprechendes Schreiben war dem Bezirk am 20. Juni zugegangen.

1,5 Millionen Euro drohen zu verfallen

Allein im Bezirk geht es um Gelder in Höhe von insgesamt rund 1,5 Millionen Euro, die jetzt auf der Kippe stehen. Darunter sind vor allem Fördermittel des Bundes, die zu verfallen drohen, wenn sie nicht noch dieses Jahr ausgegeben werden oder wenn die von Senatorin Schreiner an­ge­kün­dig­te Überprüfung der Projekte zu größeren Umplanungen führt.

Ende Juni fand eine Gesprächsrunde zwischen Bezirksstadträten und Senatorin statt – zur Frage, wie konstruktiv die lief, gibt es jedoch sehr unterschiedliche Einschätzungen. Zuletzt hatten Verkehrsstadträte aus mehreren Bezirken der Senatorin ein Ultimatum gestellt, den allgemeinen Projektstopp zurückzunehmen und für Planbarkeit zu sorgen.

Rechtsamt bezweifelt Rechtmäßigkeit

Bereits vor einigen Tagen hatte Friedrichshain-Kreuzberg sein Rechtsamt mit einer juristischen Überprüfung des Radwegestopps beauftragt. Bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am heutigen Mittwoch wurde jetzt das Ergebnis verkündet. Demnach bestünden seitens des Bezirks Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Senatsverwaltung. Eine temporäre Außerkraftsetzung der Mittelzusagen gäbe die Landeshaushaltsordnung nicht her. »Wir haben einen geltenden Haushalt«, betonte Rolfdieter Bohm, Leiter des Rechtsamts. Der Doppelhaushalt sei vom Abgeordnetenhaus beschlossen worden und sei so auch vom Senat und den Bezirken zu beachten. Wenn darin Mittel für Fahrradwege vorgesehen seien, so die Argumentation, könnten diese nicht einfach vorübergehend außer Kraft gesetzt werden.

Zudem bestünde bei laufenden Ausschreibungen die Gefahr, dass sich das Land Berlin regresspflichtig mache, wenn die Ausschreibung wegen eines Aussetzens der Finanzierung gestoppt werde.

Eine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit vor Gericht prüfen zu lassen gibt es allerdings nicht. Berlin ist eine sogenannte Einheitsgemeinde, sodass die Bezirke keine eigenen Rechtspersönlichkeiten sind, die etwa gegen »das Land Berlin« klagen könnten. Von dem Ergebnis der Prüfung durch das Rechtsamt verspricht man sich allerdings eine weitere Argumentationsebene gegen die Senatsverwaltung, denn auch die könne kein Interesse daran haben, gegen Recht und Gesetz zu handeln.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2023.

Am Ende bleiben tiefe Gräben

Mehrheit für die große Koalition spaltet die Genossen von der SPD

Hannah Lupper und Niklas Kossow (SPD) vor der Redaktion der Kiez und KneipeHannah Lupper und Niklas Kossow von den Kreuzberger Sozialdemokraten. Foto: psk

Katerstimmung herrsch­te bei den SPD-Genossen in Kreuzberg nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der Mitgliederbefragung zur großen Koalition in Berlin. Mit 54,3 Prozent stimmte die Basis für den Koalitionsvertrag. In Friedrichshain-Kreuzberg hatte sich bei einer Kreisdelegiertenkonferenz eine Mehrheit gegen ein Bündnis mit der Union ausgesprochen.

»Das Ergebnis akzeptieren wir«, erklärte Niklas Kossow, Vorsitzender der Abteilung Südstern. »Das Ergebnis ist knapp. Die Partei hat sich mit der Entscheidung schwergetan.« Die Partei müsse sich nun neu aufstellen, um wieder zu­ein­an­der­zu­finden.

Doch das wird nicht einfach werden, wie die Vorsitzende des benachbarten Ortsvereins, der Abteilung Kreuzberg 61, meint. Hannah Lupper war in den letzten Wochen zu einer der wichtigsten Protagonistinnen der NoGroKo-Kampagne in der Berliner SPD geworden. Sie sieht durch das knappe Ergebnis die Führung der Landes-SPD beschädigt. »Der Landesvorstand hat es geschafft, Kai Wegner zum Regierenden Bürgermeister zu machen und sich gleichzeitig zur Disposition zu stellen.«

Im Vorfeld hatte Hannah Lupper beklagt, dass der Landesvorstand auf einzelne Mitglieder e­nor­men Druck ausgeübt habe. So sind tiefe Gräben zwischen der Landesspitze und einzelnen Kreis- und Ortsvereinen aufgerissen worden. Die Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh hatten auf einer Pressekonferenz angekündigt, auf die unterlegene Seite zuzugehen. Allerdings hat Hannah Lupper Zweifel daran, ob das den beiden gelingen kann.

Für einen gewissen Vertrauensvorschuss warb dagegen Niklas Kossow, der glaubt, dass sich die neue Regierung nun beweisen müsse, und zeigen, dass sie zu einer progressiven Politik überhaupt in der Lage sei.

Was wird aus der Cannabis-Legalisierung?

Als Nagelprobe betrachten beide Ortsvereinsvorsitzende das Thema Cannabis-Legalisierung. Eine Enthaltung Berlins im Bundesrat könnte dieses neue Gesetz auf den letzten Metern zu Fall bringen. Das hätte gerade für Friedrichshain-Kreuzberg massive Folgen. Der Bezirk bereitet sich nämlich bereits darauf vor, als Modellprojekt diesen neuen Weg in der Drogenpolitik zu begleiten. »Es wäre ja ein Treppenwitz, wenn das neue Gesetz am Ende ausgerechnet an Berlin scheitern würde«, sagt Hannah Lupper.

Sie wird das Geschehen in der Bezirksverordnetenversammlung dann übrigens nur noch als einfaches Mitglied ihrer Fraktion verfolgen und nicht mehr als ihre Vorsitzende. Wenige Tage vor dem Abstimmungsende über den Koalitionsvertrag hatte die SPD-Fraktion in der BVV einen Wechsel der Fraktionsspitze bekanntgegeben. Tessa Mollenhauer-Koch folgt Hannah Lupper im Amt nach.

Schnell hatte das Gerücht die Runde gemacht, die bisherige Vorsitzende sei für ihre Opposition gegen den Koalitionsvertrag abgestraft worden. Sie selbst allerdings hat diesen Verdacht entkräftet. Der Wechsel sei schon länger besprochen gewesen. Nach zwei aufreibenden Wahlkämpfen innerhalb von anderthalb Jahren wolle sie nun einfach ein wenig kürzer treten. Abteilungsvorsitzende von Kreuzberg 61 will sie allerdings bleiben.

Immerhin gibt es in den nächsten dreieinhalb Jahren bis zur nächsten Berlinwahl noch genug zu tun. So sind nicht nur innerhalb der SPD Gräben aufgerissen worden, auch zwischen SPD und Grünen herrscht nun Eiszeit. Wenn sie wieder ein politischer Partner werden wollen, »dann müssen wir die Gesprächskanäle offen halten«, erklärt Hannah Lupper.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2023.

»Wenn wir immer einig wären, wären wir in einer Partei«

Die künftige Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann und ihr Stellvertreter Oliver Nöll im Gespräch

Oliver Nöll (Linke) und Clara Herrmann (Grüne)Oliver Nöll und Clara Herrmann beim Gespräch mit Kiez und Kneipe. Foto: rsp

Ein Blick auf das Wahlergebnis in Friedrichshain-Kreuzberg ließe vermuten, dass es im Bezirksamt genau so weitergehen könnte, wie in den vergangenen fünf Jahren. Tatsächlich ändert sich aber eine ganze Menge – und das liegt nicht nur daran, dass es künftig sechs statt fünf Stadträte und Stadträtinnen geben wird. Kiez und Kneipe hat sich mit der künftigen Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann und ihrem neuen Stellvertreter Oliver Nöll getroffen, um zu erfahren, was die Bürgerinnen und Bürger in den nächsten fünf Jahren vom neuen Bezirksamt erwarten können.

Die erste Erkenntnis aus diesem Gespräch ist: Zwischen der Grünen und dem Linken stimmt die Chemie. In vielen Bereichen sind die Ansichten nahezu deckungsgleich. Allerdings betont Oliver Nöll auch die Unterschiede: »Wenn wir alle einer Meinung wären, dann wären wir in der gleichen Partei.« Seine Partei, die Linke, profitiert im Übrigen von der Neuordnung, denn für sie gibt es einen Stadtratsposten mehr, den Regine Sommer-Wetter einnehmen wird. Für die Grünen rückt Annika Gerold nach. Clara Herrmann, Florian Schmidt und Andy Hehmke von der SPD gehörten dem Bezirksamt schon in den vergangenen fünf Jahren an.

Was den Zuschnitt der Ressorts bestrifft, wird sich einiges ändern: Clara Herrmann dazu: »Durch die neuen Regelungen sind wir in unseren Ressortzuschnitten eingeschränkt. Bestimmte Kombinationen sind nicht mehr möglich.« Trotzdem zeichnet sich ein Ressortzuschnitt ab: Der Bürgermeisterin fällt nun automatisch das Ressort Finanzen zu, das Clara Herrmann aber ohnehin schon in den letzten fünf Jahren verwaltet hat. An ihren Stellvertreter Oliver Nöll gehen Arbeit und Soziales sowie Bürgerdienste. Schulstadtrat Andy Hehm­ke wird das Ordnungsamt abgeben. Das geht wohl an Annika Gerold, die auch die öffentlichen Räume mit dem Straßen- und Grünflächenamt (SGA) verwalten soll. Jugendstadträtin wird Regine Sommer-Wetter.

Florian Schmidt bleibt Baustadtrat. Er war in der vergangenen Legislatur das umstrittenste Mitglied des Bezirksamts. Doch Oliver Nöll signalisiert, dass sich seine Fraktion dem Personalvorschlag der Grünen nicht entgegenstellen wird. Er legt auch Wert auf die Feststellung, dass die Linke sich nie gegen das Instrument des Vorkaufsrechts gestellt habe. Nur in der Umsetzung sei man nicht immer einer Meinung gewesen.

Doch das Vorkaufsrecht ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts jetzt erst einmal Geschichte. Clara Herrmann nennt das »eine Katastrophe« und sieht nun die neue Bundesregierung in der Pflicht. Dem schließt sich ihr künftiger Stellvertreter ausdrücklich an.

Während auf vielen Gebieten nahezu Harmonie herrscht, gibt es einen Bereich, an dem die unterschiedlichen Standpunkte sehr deutlich werden. Es geht um das Thema Verkehr. Zwar sind sich beide einig, dass eine Verkehrswende im Bezirk umgesetzt wird, doch beim Wie gehen die Meinungen auseinander. Clara Herrmann setzt hier voll auf die Initiativen der Kiezblocks. Sie verweist darauf, dass es zwar auch bei der hochumstrittenen Umwandlung der Bergmannstraße sehr heftige Debatten gegeben habe, »aber am Ende hat das mit der Beteiligung sehr gut funktioniert. Wie wir das auf den letzten Metern gemacht haben, kann auch eine Blaupause dafür sein, wie man das in anderen Kiezen angeht.«

Hier widerspricht ihr Oliver Nöll. »In der Bergmannstraße wohnt jetzt nicht gerade das Prekariat«, meint er. Grundsätzlich sind die Linken der Meinung, dass die Bevölkerung durch Bürgerbeteiligungen mehr mitgenommen werden muss.

Ein großes Thema in ganz Berlin sind die Bürgerdienste. Bürger, die monatelang auf einen Reisepass oder einen Personalausweis warten und dann von Kreuzberg möglicherweise auch noch nach Hellersdorf oder nach Spandau fah­ren müssen, sind keine Ausnahme, sondern fast schon die Regel. Bundesweit gilt das als Paradebeispiel für die dysfunktionale Verwaltung Berlins. Jüngst hatte ausgerechnet der ehemalige regierende Bürgermeister Klaus Wowereit die Bezirksämter für das Versagen verantwortlich gemacht.

Das macht die beiden Kommunalpolitiker gleichermaßen wütend. Tatsächlich sei die zentrale Terminvergabe ja unter Wowereits Regierung eingeführt worden, die gleichzeitig auch die Mittel so stark gekürzt habe, dass das Personal immer stärker zurückgefahren wurde.

Doch beide belassen es nicht bei Schuldzuweisungen, sondern haben auch ganz konkrete Vorschläge, wie die Situation entschärft werden kann.

»Beim Ausweis zum Beispiel«, meint Clara Herrmann, »würde ich mir wünschen, dass man einen Hinweis vom Bürgeramt bekommt, wenn er ausläuft, und gleichzeitig einen Terminvorschlag für die Verlängerung.«

Oliver Nöll regt an, den Antrag von Personalausweisen und Reisepässen zu digitalisieren. Der Abgleich von Bild und Unterschrift könne dann bei der Abholung geleistet werden.

Da dieser Bereich in die Zuständigkeit des Landes falle, könne der Bezirk aber immerhin versuchen, hier Einfluss zu nehmen. Für neue Verfahren könne der Bezirk auch Vorreiter sein, dazu sei er bereit.

Darüber hinaus glaubt Clara Herrmann, dass Dinge, die immer wieder neu beantragt werden müssen, nicht jedesmal mit einem Gang aufs Bürgeramt verbunden sein sollten. Sie nennt als Beispiel Anwohner-Park­ausweise. »Das könnte man machen wie mit einem Zeitungsabo, das sich auch immer wieder verlängert. Nur wenn sich etwas verändert, müsste man dann noch kommen.«

Um die Arbeit des Bezirks effektiver zu machen, benötigt es allerdings Geld. Und das ist ein Punkt, der ebenfalls beiden Sorgen macht. Während die Kommunen in den Flächenstaaten über eigene Steuereinnahmen, etwa über die Gewerbesteuer, verfügen, hängen die Bezirke Berlins komplett am Tropf des Senats. Tatsächlich hat es in der Vergangenheit sogar immer wieder Bestrebungen gegeben, die Bezirke als un­ters­te Verwaltungseinheit komplett abzuschaffen. Ein sogenannter Verfassungskonvent soll in der neuen Legislaturperiode das Verhältnis zwischen Senat und Bezirken klären. Bestrebungen hin zu mehr Zentralismus in Berlin erteilen beide eine entschiedene Absage. Clara Herrmann weist darauf hin, dass sowohl sie selbst als auch Oliver Nöll ja durchaus auf Erfahrungen auf Landes­ebene verweisen können, sie als ehemalige Abgeordnete und er als Bediensteter in der Senatsverwaltung für Soziales.

Allerdings droht jetzt erst einmal Ungemach: Es gibt noch keinen Haushalt, sondern nur einen Senatsbeschluss. »Wenn der zum Tragen kommt, müssen im Bürgeramt Stellen abgebaut werden«, meint Oliver Nöll und Clara Herrmann fügt hinzu: »Das betrifft nicht nur das Bürgeramt, sondern alle Bereiche.

Beide hoffen, dass es soweit nicht kommt. Oliver Nöll erinnert die designierte Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey an ihr Versprechen. »Sie hat mit diesem Thema Wahlkampf gemacht und versprochen, dass es allen Berlinern besser gehen wird. Das bedeutet, dass wir an dieser Stelle mehr Geld brauchen.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2021.

»Schluss mit Bürgermeisterei«

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann will fürs Abgeordnetenhaus kandidieren

Bezirksbürgermeisterin Monika HerrmannMonika Herrmann (bei ihrer Wiederwahl vor vier Jahren). Foto: rsp

Schon vor über einem Jahr hatte Monika Herrmann angekündigt, dass sie bei der Berlin-Wahl 2021 nicht mehr für das Amt der Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg kandidieren werde. Damals klang das nach Rückzug aus der Politik, doch inzwischen ist klar, wo die Reise hingehen soll: ins Abgeordnetenhaus.

Eine Karriere in einem Leitungsjob, etwa als Senatorin, schwebt Herr­mann indessen nicht vor. »Wenn ich das wollte, könnte ich auch im Bezirk bleiben«, erklärt sie im Gespräch mit der KuK. Nach 15 Jahren als Bezirksstadträtin und (seit 2013) -bürgermeisterin sei »dann auch mal Schluss mit Bür­ger­meis­terei«.

Als inhaltlichen Schwerpunkt ihrer zukünftigen Arbeit sieht die Grünen-Politikerin die Verkehrs- und Mobilitätspolitik. Anfang 2020 hatte sie im Bezirk die Zuständigkeit fürs Straßen- und Grünflächenamt von ihrem Parteikollegen Florian Schmidt übernommen und mit dem Konzept der Pop-up-Radwege im Frühjahr prompt für berlin-, wenn nicht bundesweite Schlagzeilen gesorgt – und Nachahmer in anderen Bezirken und Großstädten gefunden. Doch für eine echte Verkehrswende müssten alle Bezirke in die Planung miteinbezogen werden, insbesondere auch die Außenbezirke, damit die dortigen Bewohner auch ohne Auto in die Innenstadt kommen. Wenn es um die Neuverteilung von Räumen ginge, beispielsweise beim Entfernen von Parkplätzen zugunsten einer Busspur, gäbe es letztendlich überall die gleichen Diskussionen, egal ob in Rudow, Marzahn oder Friedrichshain. »Verkehr ist wie Wasser«, sagt Herrmann, die selbst in einer eher ländlichen Gegend in Südneukölln aufgewachsen ist. Einzelne Kieze für den Durchgangsverkehr zu sperren und alles durch die Hauptstraßen zu leiten, wie das zum Beispiel zwischen Columbiadamm und Gneisenaustraße geplant ist, sei deshalb für sich genommen auch noch keine Lösung.

Den Bedarf für ein besseres Zusammenwirken von Senat und Bezirken sieht Monika Herrmann nicht nur im Bereich Verkehrspolitik, wo die Umstrukturierung der Senatsverkehrsverwaltung im vergangenen Jahr »bisher noch zu wenig« gebracht habe. Im September hatte sie gemeinsam mit ihrem Pankower Amtskollegen Sören Benn (Linke) und dem Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung Frank Nägele (SPD) die Diskussion über eine Verfassungsänderung angestoßen. Das Ziel: Eine Verwaltungsreform, die hierarchische Strukturen durch Zielvereinbarungen ersetzt und vor allem Zuständigkeiten klärt, um das häufig anzutreffende Behörden-Ping-Pong zu beenden. »Elterngeld gibt’s nicht im Roten Rathaus«, sagt Herrmann, aber wie lange eine Antragsbearbeitung dauern darf – und wie man die Zeitvorgabe einhält –, sollte Bestandteil einer solchen Zielvereinbarung sein. Dafür müssten den Bezirken dann wiederum entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. »Senatsverwaltungen müssen Verabredungen einhalten und umsetzen.« Schon aus historischen Gründen gehe es dabei auch immer »ganz viel um Macht«, erklärt Herrmann mit Verweis auf die Gründung von Groß-Berlin vor 100 Jahren.

Über die künftige Machtverteilung im Abgeordnetenhaus kann sie nur spekulieren, präferiert selbst aber ganz klar eine rot-rot-grüne Koalition – egal in welcher Konstellation, solange das Dreierbündnis aufrechterhalten werde. Allerdings hielte sie es für »fatal, wenn die SPD wieder Bau und Verkehr zurückbekommt.« Schwarz-Grün erteilt sie eine eindeutige Absage. Die Berliner CDU sei arg nach rechts gerückt und agiere unglaubwürdig.

Und wer soll ihr im Bürgermeisteramt nachfolgen? »Vermutlich jemand U50«, hofft die 56-Jährige. Auf jeden Fall sollte es eine Person sein, die sich traut, angstlos Politik zu machen. »Wer zuviel Angst hat vor Restriktionen und schlechter Presse, ist in Friedrichshain-Kreuzberg falsch.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2021.

Karstadt wird Pop-up-Kaufhaus

Dritter Stock bietet ein halbes Jahr Gebrauchtwaren an

Karstadt am HermannplatzEin halbes Jahr lang gibt es im dritten Stockwerk vom Karstadt am Hermannplatz Gebrauchtwaren. Foto: rsp (Archiv)

Ist Signa ein Segen oder ein Fluch für den Karstadt am Hermannplatz? Für die Fraktion der Grünen, der Linken und der PARTEI in der BVV ist das eine klare Angelegenheit. Sie wollen nicht, dass das Unternehmen Signa den Bau am Hermannplatz abreißt und nach historischem Vorbild wieder neu baut.

Der Einfluss der Bezirksverordnetenversammlung ist indes sehr beschränkt, denn seit der Senat das Verfahren an sich gerissen hat, bleibt nicht viel mehr als eine Resolution zu verabschieden. Und die wurde mit 17 zu 11 Stimmen noch nicht einmal mit einer überwältigenden Mehrheit angenommen.

Derweil arbeitet das Unternehmen des österreichischen Investors René Benko unbeirrt weiter an einer Charmeoffensive, die im vergangenen Jahr ihren Anfang nahm. Damals wurde durch den Hinterhof des Kaufhauses eine Radstraße als Verbindung zwischen Hasenheide und Ur­ban­stra­ße angelegt. Hinzu kamen Radparkplätze und eine Fahrradwerkstatt. Signa signalisierte damit, dass es hinter der Verkehrswende steht.

Am 9. September folgt eine weitere Neuerung. Das dritte Stockwerk wird für ein halbes Jahr für eine ziemlich ungewöhnliche Aktion freigeräumt. Zum ersten Mal bietet dann ein Kaufhaus in Deutschland auf einer ganzen Etage Gebrauchtwaren an.

Federführend ist bei dieser Aktion der neugegründete Verein Re-Use Berlin. Es werden nicht nur gebrauchte Dinge verkauft, es wird auch Workshops geben, ein Repaircafé und ein Reparaturnetzwerk unterstützt.

Verkauft werden kann aber nur, was da ist. Die Initiatoren sammeln in der ganzen Stadt auf Ökomärkten Geschirr, Bücher, CDs, LPs, Modeschmuck, Kleidung und Textilien, Spiele und Spielsachen. In guten Zustand muss alles allerdings noch sein, ehe es an die Frau oder den Mann gebracht wird.

Umweltsenatorin Günther freut sich über die Aktion: »Mit dem Pop-up-Store werden wir gut erhaltene Gebrauchtwaren für noch mehr Menschen einfach zugänglich machen. Deshalb gehen wir dorthin, wo die Menschen einkaufen: ins Kaufhaus. So kann jeder schnell prüfen, ob das Gesuchte auch gebraucht erhältlich ist. Das lohnt sich doppelt, weil es Geld spart und die Umwelt schützt. Mit dem Begleitprogramm zum Pop-up-Store wollen wir das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum und umweltfreundliches Einkaufen stärken.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2020.

Aktenaffäre wird nun untersucht

SPD wirft Florian Schmidt Manipulation vor

Florian SchmidtFlorian Schmidt. Foto: psk

Hat er, oder hat er nicht? Die Frage, ob Baustadtrat Florian Schmidt Akten manipuliert hat oder nicht, ist nicht nur in Kreuzberg ein Aufreger. Selbst die in München erscheinende Süddeutsche Zeitung widmet dem derzeit vermutlich bekanntesten Kommunalpolitiker der Republik eine ganze Reportage.

Darin erfährt der Leser, dass in Schmidts Büro eine ihn selbst zeigende Karikatur im Stile Che Guevaras hängt. Damit scheint geklärt, mit wem sich der Stadtrat eher vergleicht: Mit Che oder mit Robin Hood. Als solchen hat ihn der Regierende Bürgermeister Michael Müller bezeichnet, und ihm auch noch ein »Mini-« vorangestellt.

All das sind die Folgen jener Aktenaffäre, die nun so hochkocht, dass sich Schmidt Rücktrittsforderungen, Strafanzeigen und einer Untersuchung der Senatsverwaltung des Inneren gegenüber sieht.

Im Grunde hängt alles mit der unkonventionellen Art zusammen, mit der Schmidt seit Jahren versucht, den Immobilienspekulanten beizukommen. Das Mittel des Vorkaufsrechts hat schon einige Male gegriffen und auch schon Inves­to­ren in die Knie gezwungen. Das Problem bei diesem Konstrukt: Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg kann die Immobilien, für die er das Vorkaufsrecht geltend macht, gar nicht alle selbst kaufen. Also wird das Vorkaufsrecht an solche Investoren weitergegeben, die im Sinne des Bezirks investieren, etwa mit Blick auf die Kreuzberger Mischung, vor allem aber bezahlbaren Wohnraum.

Es war allerdings auch abzusehen, dass Schmidt diese Art von weißen Rittern irgendwann einmal ausgehen würde.

Mit der Gründung von »Diese eG« sollte Abhilfe geschaffen werden. Als die SPD nun Unterlagen zum Kauf von Wohnungen durch »Diese eG« in der Rigaer Straße einsah, fiel ihr auf, dass sie einerseits falsch paginiert waren und dass auch Teile fehlten.

In einer gemeinsamen Fraktionssitzung von Grünen, Linken und SPD räumte Florian Schmidt das zwar ein, sah darin aber keine Manipulation oder ein Versäumnis. »Er wollte verhindern, dass die Inhalte von Akten von CDU und FDP instrumentalisiert und von einem Redakteur des Tagesspiegels zur politischen Agitation genutzt werden«, heißt es in einer Pressemitteilung der SPD.

In der gleichen Pressemitteilung von 17. Januar stellte die SPD dem Baustadtrat ein Ultimatum bis zum 27. Januar. Bis dahin solle er Einsicht in alle Akten geben, »sonst ist sein Rücktritt unvermeidbar.«

Allerdings wurde inzwischen die Senatsinnenverwaltung tätig. Innensenator Geisel verfügte die Bezirksaufsicht über den Baustadtrat.

Linke hält sich im Fall Florian Schmidt zurück

Konkret heißt das, dass die Vorgänge um die fehlenden Akten nun untersucht werden. Außerdem beschäftigt sich nun auch der Landesrechnungshof mit der »Diese eG«.

Die Grünen sprangen ihrem angeschlagenen Bezirksstadtrat natürlich bei. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann sieht auch keinen Grund dafür, dass Schmidt zurücktreten müsse. Allerdings fanden auch einige Parteifreunde Schmidts Wortwahl in der gemeinsamen Fraktionssitzung ein wenig unglücklich.

Ist Schmidt nun nachhaltig gefährdet oder ist alles nur wieder so ein berühmter Sturm im Wasserglas?

Für Außenstehende ist das nur schwer einzuschätzen. Interessant ist deshalb ein Blick auf den Dritten im Bunde der grün-rot-roten Konstellation im Bezirksamt.

In den vergangenen Monaten waren es stets die Linken, die, vor allem im Falle Bergmannstraße, Florian Schmidt oft sehr hart angegangen sind. Aus ihren Reihen ist jetzt eher beredtes Schweigen zu hören.

Es gibt allerdings Ausnahmen. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Knut Mildner-Spindler gab jüngst der Berliner Morgenpost ein Interview, in dem er unter anderem auch zum Fall Florian Schmidt befragt wurde. Auf die Frage, ob er auch Dokumente vor einer Akteneinsicht herausnehmen würde, meinte Mildner-Spindler, dass das ein ganz normaler Vorgang sei, weil es ja auch um schutzwürdige Belange Dritter oder das öffentliche Interesse gehe. Aber man müsse dann vor Einsichtnahme darüber informieren. Allerdings kann sich Mildner-Spindler nicht erinnern, dass sein Kollege im Bezirksamt dagegen verstoßen hätte.

Das Ultimatum der SPD ist ausdrücklich nicht vom Tisch, obwohl es durch die Untersuchungen von Innenverwaltung und Landesrechnungshof im Grunde überflüssig geworden ist. Wird man nämlich an diesen Stellen fündig und erkennt gravierende Fehler Schmidts, wird er sowieso zurücktreten müssen. Wird er allerdings durch die Untersuchungen entlastet, spielt das Ultimatum der SPD auch keine Rolle mehr.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2020.

Wem gehört die Straße?

Es gibt jetzt zwar einen Radweg, nur parken dort auch Autos

Bahn frei für Radler heißt es zwar offiziell jetzt in der Gitschiner Straße, in der Praxis wird’s jedoch schwierig. Foto: no

So war das alles nicht geplant. Anfang Dezember verkündeten die Unterstützer des »Volksentscheids Fahrrad« von Bündnis 90/Die Grünen noch feierlich, nun endlich einen Radstreifen an der Gitschiner Straße neben der Strecke der U1 vollendet zu haben. Doch die Freude bleibt nicht lang: durch ein zu kleines Schild und fehlende Parkplätze ringsherum treffe man, so kann man es zumindestens auf der Facebookseite des »Volksentscheid Fahrrad« lesen, viel zu oft parkende Autos an.

Das Bündnis fordert nun den zuständigen Baustadrat Florian Schmidt sowie Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann zum Handeln auf: Härtere Strafen solle es geben, eine bauliche Trennung sei von Nöten oder es wird mit Abschleppen gedroht.

Als wir uns das Ganze einmal angucken wollten, war der Radstreifen so wenig zugeparkt, wie vorgeschrieben, sprich: gar nicht. Allerdings sprechen wir hier auch von der Zeit, an der sowieso weniger Autos als normalerweise in Berlin sind: Feiertage.

Aber wo sollen auch die Autofaherer parken? Laut der Pressemitteilung des Bezirksamtes vom 4. Dezember fallen durch den rund zwei Meter breiten Fahrradstreifen schätzungsweise 300 Parkplätze weg. Zwar werden unter dem Viadukt der U-Bahn-Trasse und auf dem Mittelstreifen neue Parkplätze angelegt. Ob diese allerdings genügen, um eine angemessene Anzahl an Autos aufzunehmen, ist erst einmal ungewiss.

Der zuständige Baustadtrat Florian Schmidt äußerte sich dazu auf Facebook. Er versuchte hierbei zu beschwichtigen, dass so eine Art von Verhalten nach einem Umbau normal sei. Hierbei verhielten sich Autofahrer wie eine Herde: Wenn hier schon jemand steht, kann ich mein Auto ja auch dort abstellen. Und weiter: Dass die Angelegenheit im Blick behalten werde und entsprechende Maßnahmen eingeführt werden.

Fahrradstreifen an der U1 soll farblich markiert werden

Doch wie werden diese Maßnahmen aussehen?

Das Bündnis »Volksentscheid Fahrrad« fordert dazu auf, eine bauliche Trennung umzusetzen. Diese kann allerdings schwer umgesetzt werden.

Eine andere Möglichkeit stellt nun die farbliche Markierung des Streifen dar. Und die kommt.

Ab dem Frühjahr soll der Fahrradstreifen laut der Pressemitteilung vom 4. Dezember eine grüne Farbmarkierung erhalten. So soll der Streifen für Radfahrer auf den Straßen und besonders an den Kreuzungen sicherer werden.

Ein weiterer Streitpunkt, der mit dem (hoffentlich dann deutlich erkennbaren) Radstreifen eine sinnvolle Lösung erhält, ist, dass Radfahrer nicht mehr gezwungen sind, sich zwischen Straße und Gehweg zu entscheiden. Denn auch auf dem Gehweg sind sie unerwünscht und stören die Fußgänger.

Bis zur Zossener Brücke soll einmal der Radweg führen. Bis jetzt ist das Ende des Radwegs (aktuell ca. auf Höhe Prinzenstraße) für viele Radfahrer noch sehr irritierend, doch auch hier hoffen wir auf eine elegante Lösung aller Verantwortlichen. Und darauf, dass bald jeder, ob Fußgänger, Rad- oder Autofahrer weiß, wem die Straße gehört. Oder besser: welcher Abschnitt der Straße ihm gehört.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2018.

Wer kommt in den Bundestag?

Kiez und Kneipe lädt zu öffentlichen Redaktionsgesprächen ein

Eine gute Gelegenheit, die Direktkandidaten kennenzulernen: Kiez und Kneipe lädt zu öffentlichen Redaktionsgesprächen ein.

Die Bundestagswahl naht und wie vor jedem bundesweiten Urnengang lädt die Kiez und Kneipe Kreuzberg auch dieses Mal wieder die Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien ein.

Die Redaktion entwickelte das Format 2005. Jeder Kandidat wird seither einzeln in einer Kneipe befragt. Nach einem etwa dreiviertelstündigen Interview haben dann Gäste die Möglichkeit, Fragen an den Gast des Abends zu stellen.

Der scheidende Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele war nach seinem eigenen Bekunden immer ein großer Fan dieses Formates. »Normalerweise treffen wir Kandidaten uns vor der Wahl immer  auf einem Podium. Am Ende könnte jeder auch die Argumente der anderen heruntersagen«, sagte der Grüne einmal nach einer Veranstaltung im Too Dark. Zudem schätze er, dass jeder Kandidat in anderthalb Stunden ausreichend Zeit habe, seine Standpunkte ausführlich zu erläutern.

Hans-Christian Ströbele wird nicht mehr antreten. Ihn will Canan Bayram beerben, die sich am 22. August im Heidelberger Krug den Fragen der KuK stellt. Einen Tag später kommt die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe ins Valentin. Den Auftakt macht Timur Husein für die CDU am 15. August im Dodo. Pascal Meiser geht am 21. August im backbord für die Linke in den Ring.

Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 19:30 Uhr und dauern etwa 90 Minuten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2017.

Das Interesse verlagert sich

Kandidaten der Außenseiter locken mehr Zuhörer an als früher

Warten auf den Kandidaten: An sechs Abenden interviewte die KuK Abgeordnete und solche, die es werden wollen.

Foto: philsWarten auf den Kandidaten: An sechs Abenden interviewte die KuK Abgeordnete und solche, die es werden wollen. Foto: phils

Sechs Kandidaten innerhalb von zweieinhalb Wochen stellten sich der Kiez und Kneipe in sechs verschiedenen Kneipen. Etwas mehr als einen Monat vor der Bundestagswahl konnten sich die Leser der KuK selbst ein Bild von denen machen, die sie in den nächsten Bundestag schicken sollen. Hans-Christian Ströbele ist dort schon – und zwar seit drei Legislaturperioden als einziger Grüner, der bislang direkt in den Bundestag gewählt wurde. Vor vier Jahren ist neben ihm auch noch Halina Wawzyniak von den Linken für den Wahlkreis 83 ins Parlament eingezogen.

Zu den Veranstaltungen der beiden Abgeordneten waren diesmal etwas weniger Interessierte gekommen, als in den Vorjahren. Dafür zogen die Kandidaten von SPD, CDU und FDP mehr Besucher an. Wegen ihrer Präsenz in der BVV und im Abgeordnetenhaus wurde dieses Mal auch der Kandidat der Piraten eingeladen.

Es gibt nur wenige, die ernsthaft daran zweifeln, dass der Grüne Hans-Christian Ströbele auch ein viertes Mal den Wahlkreis Friedrichhain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost direkt erobern wird. Ob er es allerdings erneut mit nahezu 50 Prozent schaffen wird, ist nicht ganz so sicher. Dagegen gibt es zwei gute Gründe – und die sind beide nicht nur jung und charmant, sondern offenbar auch sehr kompetent.

Halina Wawzyniak hat nicht nur vier Jahre im Bundestag geackert, sondern auch mit ihrem Wahlkreisbüro sehr starke Präsenz im Kiez gezeigt. Das könnte sich nun in einem höheren Stimmenanteil auszahlen.

Cansel Kiziltepe von der SPD wirbt nicht nur damit, dass sie ein Kiezkind aus dem Wrangelkiez ist. Die Volkswirtin beim VW-Konzern ist der perfekte Gegenentwurf zu den umstrittenen Thesen ihres Parteigenossen Thilo Sarrazin. Auf Platz fünf der Landesliste stehen ihre Chancen gar nicht mal so schlecht.

Für sie gilt wie für Halina Wawzyniak, die als fünfte auf der Linken-Liste ist: Es kommt darauf an, wieviel Direktmandate die jeweilige Partei in Berlin erringt und wieviele Zweitstimmen abgegeben werden, die letztlich über die Listenkandidaten entscheiden.

Vor vier Jahren hatte die einstige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld mit ihren tiefen Einblicken nicht nur Kanzlerin Angela Merkel irritiert, sondern mit ihren Ansichten auch konservative Wähler verstört. Der CDU-Fraktionsvorsitzende in der BVV Götz Müller könnte hier verlorenes Terrain ein wenig zurückerobern.

Nachdem vor vier Jahren der geschasste Landesvorsitzende der FDP, Markus Löning, im Wahlkreis 83 kandidierte, muss nun der einstige Büroleiter von Guido Westerwelle ran. Helmut Metzner stolperte über seine ganz persönliche Wikileaks-Affäre. Und so wird man das Gefühl nicht los, dass der 83er für die Liberalen so eine Art Strafwahlkreis darstellt.

Bleibt noch der Pirat Sebastian von Hoff – ein Schornsteinfeger. Wie er und seine Mitstreiter sich geschlagen haben, erfahren Sie in den folgenden Artikeln:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Hans-Christian Ströbele hat noch was vor

Der Bundestagsabgeordnete der Grünen zu Gast im Too Dark

Hans-Christian Ströbele mit KuK-Redakteurin Manuela Albicker.

Foto: philsHans-Christian Ströbele mit KuK-Redakteurin Manuela Albicker. Foto: phils

Er ist sozusagen der seltenste Stammgast im Too Dark. Verlässlich alle vier Jahre kommt der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Hans-Christian Ströbele in die Kellerkneipe in der Fürbringer Straße, nämlich immer dann, wenn er von der KuK zum öffentlichen Redaktionsgespräch mit Manuela Albicker und Peter S. Kaspar vor der Bundestagswahl eingeladen wird.

Es waren dieses Mal nicht ganz so viele Gäste da, wie vor den letzten beiden Wahlen. Trotzdem war das Too Dark gut gefüllt. Zeichen von allgemeiner Wahlmüdigkeit oder ein Zeichen für den Kandidaten? Hans-Christian Ströbele ist nun 74, und so musste er sich die uncharmante Frage von KuK-Chefradakteur Peter S. Kaspar nach dem Alter schon gefallen lassen. Doch er war natürlich nicht der erste, der sich erkundigt hat, und Ströbele ist viel zu sehr Profi, um sich dadurch aus dem Konzept bringen zu lassen. Lässig verweist er auf über 90 Prozent Zustimmung bei der Kandidatenaufstellung und vor allem auf die Unterstützung der jungen Grünen.

Trotzdem taucht die Frage in der Diskussion noch das eine oder andere Mal auf. Was drängt ihn, weiter zu machen und nicht in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen? Da wird er dann deutlicher. Er will einfach noch Dinge umsetzen und erreichen, für die er sich eingesetzt hat.

Im Moment, das spürt man, ist gerade auf den Themenfeldern, die seine Kernkompetenz ausmachen, so richtig was los: Menschenrechte, Geheimdienste, bürgerliche Freiheiten.

Einerseits ist da der NSU, andererseits die NSA. Zumindest bei ersterem ist jetzt gerade der Untersuchungsausschuss beendet worden. Kurz vor der Entdeckung des NSU hatte Ströbele 2009 eine kleine Anfrage zum Oktoberfestattentat in München gestellt. Auch hier wurden Akten geschreddert, verschwanden Zeugenaussagen. Ein Déjà-vu für Ströbele? Doch da hält er sich eher bedeckt. Eine rote Linie vom rechten Terror 1980 bis zu dem der NSU will er so nicht erkennen, wohl aber das Versagen der Inlandsgeheimdienste.

Und die NSA? Vier Jahre zuvor hatte Ströbele noch zum Druck durch die Straße gegen die Vorratsdatenspeicherung aufgerufen. Angesichts der monströsen Ausmaße des NSA-Skandals hat auch nach Ströbeles Ansicht die Vorratsdatenspeicherung nur noch Peanuts-Größe. Allerdings meint er verschmitzt: »Es gibt ja auch in der Union wohl keinen einzigen Politiker mehr, der sich für die Vorratsdatenspeicherung einsetzt. Dabei wollten sie das zum Wahlkampfthema machen.«

Trotzdem bleibt er natürlich wachsam, denn auch die europäische Datenkrake schläft nicht. Von bis zu 99 Jahren Speicherzeit ist die Rede.

Klar positioniert er sich zur Flüchtlingsfrage: Die Forderungen der Asylbewerber im Camp am Oranienplatz »sind alle absolut berechtigt.« Die Gründe für eine Residenzpflicht sind für Ströbele ebensowenig nachzuvollziehen, wie ein Arbeitsverbot.

Hier kann die Veranstaltung noch einmal nachgehört werden. Leider kam es bei der Aufnahme zu einer technischen Panne, so dass nur die zweite Hälfte aufgezeichnet wurde.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Der Kandidat der exklusiven Meinung

Kiez und Kneipe sprach mit dem CDU-Kandidaten Götz Müller

Gemütliche Runde: Götz Müller (CDU) beim Redaktionsgespräch mit der KuK.

Foto: csGemütliche Runde: Götz Müller (CDU) beim Redaktionsgespräch mit der KuK. Foto: cs

Ein wenig träumen wird ja noch erlaubt sein. Und so kann sich denn der CDU Kandidat Götz Müller vorstellen, dass er vielleicht doch den Wahlkreis erobern könnte, dann nämlich, wenn der unbesiegbar scheinende Hans-Christian Ströbele ganz viele Stimmen an die beiden Damen Wawzyniak und Kiziltepe verliert – dann könnte er als lachender Vierter da stehen. Daran glaubt er zumindest eher, als dass die Union eine so satte absolute Mehrheit erreicht, die ihn als zehnter auf der Landesliste noch in den Bundestag hieven würde.

Beim Treffen mit Kiez und Kneipe im »Galander« in der Großbeerenstraße macht Müller einen aufgeräumten Eindruck. Der Fraktionsvorsitzende seiner Partei in der BVV sieht sich dann auch mit jenen drei Aufregerthemen im Kiez konfrontiert, mit denen sich schon seine vier Mitbewerber auseinandersetzen mussten: Flüchtlingscamp am Oranienplatz, Drogendealer im Görlitzer Park und Gentrifizierung. Bei den beiden ersten Themen kultiviert Müller eine sehr exklusive Meinung. Das Flüchtlingscamp ist für ihn unter anderem ein Grünflächenproblem, und die Forderungen der Flüchtlinge nach Abschaffung der Residenzpflicht und Arbeitserlaubnis teilt er erwartungsgemäß nicht. Gegen eine Arbeitserlaubnis spräche seiner Ansicht nach auch, dass damit ein weiterer Niedriglohnsektor eröffnet würde.
Dass Müller gegen einen Coffee-Shop am Görlitzer Park ist, überrascht nun niemanden. In Sachen Mietpreissteigerungen und Verdrängung weiß er sich einig mit seinem Kollegen von der FDP, Helmut Metzner. Das Rezept heißt bauen, bauen und nochmals bauen.

Damit sind alle Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien von der KuK in einem öffentlichen Redaktionsgespräch befragt worden. Doch weil’s so schön war, gibt’s noch eine Zugabe: Die Piraten schienen vor zwei Jahren schon fast sicher im Bundestag angekommen zu sein – und in die BVV haben sie es geschafft. Derzeit liegen sei bei Umfragen zwischen drei und vier Prozent. Ein Sprung ins Parlament scheint also noch möglich. Dazu und zu vielem anderen werden wir heute ab 19 Uhr im »Martinique» in der Monumentenstraße den Kandidaten der Piraten, Sebastian von Hoff, befragen.

Hier kann noch einmal der komplette Mitschnitt des Gespräches angehört werden. Leider ließen sich die typischen Bargeräusche im Hintergrund nicht vermeiden.