Zum Tod von Roland »Rolandus« C. Stegemann ein Nachruf von Ritter von Lehenstein
Ein lebensbejahendes Orange, ein zwickendes Grün und der Rest querbeet bunt, das war seine Welt. Wenn es dann noch etwas karoartiges hatte, war es sogar wert, als Klamotte getragen zu werden. Erwachsen sein und werden: »Das überlasse ich den anderen.« Seine Freundin Stephanie drückt es passend aus: Je nach Laune und Wetterlage, politischen Absurditäten oder der Mondphase gestaltete er gerne sein Outfit. So trug er bei katholischen Missstimmungen seine roten Papstschuhe. »Wenn die so weiter machen, muss ich die zum Schuster bringen und neu besohlen lassen.« Der Grüne Dienstag, die Rote Woche oder das Curry-Wochenende und als Draufgabe der Karierte Monat … so nannte er seine Styles, er verkörperte die Kreuzberger Fashion Week in Personalunion.Gerne mit Accessoires, wie einem Schneidermaßband um den Hals, einer kleinen Plüschfigur irgendwo baumelnd oder einem mit Hermesflügeln aufgewerteten Filzhut. Geschmückt mit Dingen, die seine Stimmung »dezent« unterstreichen sollten.
Er, der Maler, Erschaffer und Erfinder von unzähligen Projekten, realisierbaren und Phantastereien, die in Schubladen auf bessere Zeiten warten mussten, machte vor nichts halt. Ob es Projekte wie Goethes Gartenhaus in Weimar waren, Brunnen, die je nach Betrachtungswinkel von spießig bis obszön wirken konnten, oder – seiner Zeit voraus – die Eröffnung der Kunstgalerie im Promenaden-Pavillon in Kühlungsborn. Schelmische Werke bereiteten ihm besondere Freude, wie die Spießrutenlaufmaschine oder das Laufrad aus schönen Bootsteilen mit einem Schusterleistenfuß als Sattel, der einem beim Laufen in den Arsch tritt. Immer wieder wartete er mit fixen Ideen auf, um auf Missstände hinzuweisen, wie Surfen auf dem Wasserfall im Viktoriapark, um auf die Vermüllung aufmerksam zu machen.
Berlin schmückte er gerne mit Wandgemälden: »Aber immer nur große Flächen, nicht so Kleinkram. Wenn ich da war, dann hat man es auch gesehen«, lachte er.
Seine Leidenschaft für Marine und Malen brachten ihn 1989 zu seinem ehrgeizigsten und größten Projekt in Hamburg: DOCK 10 zum 800. Hafengeburtstag. Das größte schwimmende Kunstgemälde, an der Werft von Blohm & Voss. Karl Tönjes B. Ringena hat darüber einen hochinteressanten Film erstellt, »Dock 10 – neu gesehen«, der das Monumentalwerk mit Schilderungen von Roland über die Entstehung und die damit verbundenen Strapazen wunderbar darstellt. »260 Meter lang, 15 Meter hoch und gut 3 Tonnen Farbe bildeten eine historische Darstellung der Entwicklung des Hamburger Hafens. In Form eines Librettos auf einer stählernen Außenwand des Docks wurde ein touristisches Highlight erzeugt, was auch zum Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde führte.«
Geboren in Königs Wusterhausen, hatte er eine innige Beziehung zu seiner Mutter. Sein Vater, Schildermaler für die UFA, war ihm zu streng. Ein heftiger, schlimmer Einschnitt in seinem Leben war, als sein Sohn Conny 2004 mit 16 bei einem Autounfall als Beifahrer starb.
Sein Vater wurde weit über neunzig und den galt es nun zu übertrumpfen und 125 Jahre wäre ein brauchbares Ziel. Und wenn er es sagte, glaubte man es ihm. Der Tod war kein Thema, aber wie sein Grab sein sollte, das wusste er genau: »Ich will ein Grab mit so’nem Sensor, der Gesichter erkennt, unter einem Baum in dem ein Skelett oder so ein Gruselkasper steckt. Wenn dann so’n Penner kommt, der da nichts zu suchen hat, schnappt der Baum auf und das Klappergerüst erschreckt sie mit meiner Stimme, die sollen ruhig wissen, dass ich es bin. Ich sag ihnen, dass sie hier nichts verloren haben und zum Teufel gehen sollen oder schlimmer, ich sie hole.« Dabei lachte er, dass seine Nase glühte und der breite volle Mund tanzte. Er wollte nicht als schräger Kauz wahrgenommen werden, er wollte als schräger Kauz begriffen werden. Er sah sich als Spiegel, der sich jedem vorhält. Seine Welt wirkt für manche, wie aus den Fugen geraten, krumm, schief und immer bunt. »Die meinen, ich sei ein Witzbold, doch wirklich, gerade die mich so sehen, begreifen nichts, gar nichts, und denen ist auch nicht zu helfen. Vertane Liebesmüh!«
Und auch das ist typisch Roland, mit 82 Jahren zu sterben, aber einen Tag nach seinem 83. Geburtstag beerdigt zu werden. »Klar, den wollte ich doch feiern – hoffentlich habt ihr mich ausschlafen lassen!«, so klingt seine unwiederbringliche, sonore Stimme in meinen Ohren.
Jetzt, vereint mit seinem Sohn, wird er wohl Himmel und Hölle in seinen Bann ziehen und bald werden sie gar nicht mehr wissen, wo was ist, wo oben und unten ist.
Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2023.